Stoffwechselpolitik

Für einen gemeinsamen Kampf von Lohnabhängigen und Klimabewegung

| Peter Nowak

Simon Schaupp: Stoffwechselpolitik. Arbeit, Natur und die Zukunft des Planeten, edition suhrkamp, Berlin 2024, 422 Seiten, 24 Euro, ISBN 978-3-518-02986-2

Die Debatte über Klima und Klimakrise wird in den verschiedenen linken Spektren heftig geführt. Doch in den vielen Büchern, die dazu in der letzten Zeit entstanden sind, gibt es eine auffällige Leerstelle. Das ist die Rolle der Arbeiter*innen. Wenn sie in der linken Debatte vorkommen, dann vor allem als Kohlekumpel oder Beschäftigte der fossilen Industrie, die ein Interesse daran haben, diese umweltschädlichen Industriezweige zu erhalten. Arbeiter*innen werden dann also als diejenigen dargestellt, die einen Ausstieg aus dem fossilen Kapitalismus verhindern wollen und deshalb kein Bündnispartner einer Klimagerechtigkeitsbewegung sein können. Dagegen gibt es allerdings in Teilen der linken Klimabewegung Widerspruch. Initiativen wie „Wir fahren zusammen“ haben in den letzten Jahren die Tarifkämpfe der Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes unterstützt, dafür haben die sich an Aktionstagen der Klimabewegung beteiligt. Schließlich ist ein gut ausgebauter Nahverkehr die Voraussetzung dafür, dass die Nutzung der umweltschädlichen PKWs abnimmt. Diese Initiative würdigt auch der Soziologe Simon Schaupp in seinem jetzt im Suhrkamp-Verlag erschienenen Buch „Stoffwechselpolitik“. „Aktuell gibt es in Deutschland erste Vorstöße zu einer Zusammenführung sozialer und ökologischer Forderungen. Die Gewerkschaft Verdi und Fridays for Future kooperieren etwa bei einer Kampagne für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und besserer Arbeitsbedingungen“ (S.361), schreibt Schaupp. In seinem Buch liefert er auch für Nichtwissenschaftler*innen gut lesbar eine Fülle von Beispielen aus aller Welt, die zeigen, dass Arbeiter*innen immer wieder gegen ungesunde Umweltbedingungen aufgetreten sind. Dabei ging es oft um den Kampf für die Einhaltung grundlegender Umweltstandards am Arbeitsplatz. Sein erstes Buch hat Schaupp 2016 im Verlag Graswurzelrevolution veröffentlicht: „Digitale Selbstüberwachung. Self-Tracking im kybernetischen Kapitalismus“.
In seinem neuen Werk „Stoffwechselpolitik“ zitiert er immer wieder aus dem Buch „Die Arbeit des Körpers. Von der Hochindustrialisierung bis zur neoliberalen Gegenwart“, in dem der Arbeitssoziologe und Mentor der Arbeiter*innengesundheitsbewegung Wolfgang Hien beschreibt, welche Zumutungen die Lohnarbeit für die Gesundheit der Arbeiter*innen bedeutete und noch immer bedeutet. Hien verschwieg nicht, dass es gerade in der fossilen Industrie, wie beispielsweise in Bergwerken, eine Geschichte der Leidenskultur und Schicksalsergebenheit gibt. Da werden dann die häufig tödlichen Unfälle, aber auch die Staublunge, an der viele Bergleute jung starben, fast schon heroisiert. Es gab und gibt aber immer Lohnabhängige, die gegen ungesunde Arbeitsbedingungen auch in den Bergwerken ankämpften. An diese in aller Welt geführten Kämpfe erinnert Schaupp in „Stoffwechselpolitik“. So beschreibt er wie es 1889 im Ruhrgebiet zum ersten Massenstreik in Deutschland kam. Die Kohlekumpel legten für bessere Arbeitsbedingungen die Arbeit nieder. „Die Industriellen erklärten sich zu keinerlei Zugeständnissen bereit; stattdessen ließen sie den Streik durch halbprivate Schutztruppen niederschlagen“ (S.119). Trotz der Niederlage hatte dieser Streik dazu beigetragen, dass sich die Beschäftigten in festen Verbänden organisierten, was als Durchbruch zu einer kampfstarken Gewerkschaftsbewegung gesehen wird. Schaupp beschreibt, wie die Bergleute anfangs noch ein Hoch auf die Monarchie anstimmten, weil sie hofften, dass der Kaiser sie gegen die Zechenbesitzer, die oft auch als Kohlebarone bezeichnet wurden, unterstützen würde. Diese Illusionen verloren sie erst, als sie sahen, wie die Staatsgewalt gegen sie und ihre Kämpfe eingesetzt wurde. Schaupp liefert eine Fülle von Beispielen, wie Arbeiter*innen sich gegen krank machende Arbeitsbedingungen einsetzen. Er liefert damit gute Argumente für die linken Kräfte innerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegung, denen es nicht um eine romantische Verklärung der Natur geht, sondern um bessere Lebensbedingungen für die Menschen, die sich dabei für eine Kooperation mit den Arbeiter*innen und ihren Organisationen einsetzen.