Solidarische Praxis

Gegen die kapitalistische Logik von Tausch und Konkurrenz

| Felix Krawczyk

Indigo Drau / Jonna Klick: Alles für alle – Revolution als Commonisierung, Schmetterling Verlag, Stuttgart 2024, 17,80 Euro, ISBN 3-89657-029-3

Commons oder das Commoning ist seit einigen Jahren und spätestens seit Silvia Federicis „Caliban und die Hexe“ ein bewegendes Thema in der Linken. Dabei wird Commoning weniger als Gemeingut, sondern eher als soziale Praxis der bedürfnisorientierten Nutzung und Pflege eines Gutes verstanden. In dieser Praxis sind solidarische und sorgende Beziehungsweisen angelegt, die der kapitalistischen Logik von Tausch und Konkurrenz entgegenstehen.   
   
Indigo Drau und Jonna Klick knüpfen an die Debatten von Büchern wie „Kapitalismus aufheben“ von Simon Sutterlütti und Stefan Meretz aus dem Jahr 2018 an. Ohne jedoch die Lektüre von „Kapitalismus aufheben“ vorauszusetzen. Hier schließen sie thematisch an das Zusammenspiel von Transformation und Utopie auf dem Weg zu einer Gesellschaft an, welche auf strukturelle Solidarität ausgerichtet ist. In solch einer Gesellschaft soll die Vermittlung von Bedürfnissen nicht mehr über den Markt, sondern über Commoning stattfinden.   
   
Drau und Klick sind Teil des Commons-Instituts und waren an der Besetzung von Lützerath beteiligt. Deshalb verwundert es nicht, dass einer der spannendsten Punkte ihres Buches das Zusammendenken von alltäglichen Commons und Bewegungs-Commons, also sozialen Bewegungen, ist. Ihre Analyse ist daher einerseits für bewegungsorientierte Aktivist*innen interessant, die sich fragen, wie die in Besetzungen und direkten Aktionen erlebte Solidarität im Alltag verstetigt werden kann. Andererseits werden Menschen, die im Hier und Jetzt in Form von Commons Alternativen aufbauen, zur Intensivierung ihrer Praktiken angeregt. Diese Intensivierung, die Drau und Klick als Commonisierung bezeichnen, soll zum einen innerhalb der Commons zu einer Auseinandersetzung über Bedürfnisse führen, um diese kollektiv zu transformieren. Zum anderen plädieren sie für eine Ausdehnung der solidarischen Beziehungen über das sich persönlich vertraute Organisationskollektiv hinaus. Letztendlich müssen sich Alltags-Commons und Bewegung gemeinsam organisieren und mögliche Synergien erforschen. Daher argumentieren die beiden für eine Bewegung der Commonisierung. In der aktuellen Situation der Klimagerechtigkeitsbewegung stellt dies einen herausragenden Debattenbeitrag für zukünftige Strategien der Bewegung dar. Dieser ist sicherlich nicht perfekt, aber ein fruchtbarer Ausgangspunkt für weitere Diskussionen und Reflexionen.   
Das Buch ist ausgewogen geschrieben. Theoretische Grundlagen werden in der Regel mit Beispielen, eigenen Erfahrungen und Metaphern verdeutlicht. Daher ist    „Alles für alle“ sowohl für Theorieerfahrene, die von diesen allgemein verständlichen Erklärungen inspiriert werden können, als auch für Menschen geeignet, die sich zum ersten Mal mit dem Thema Commons beschäftigen. Das Buch schließt mit einem Praxiskapitel ab. In diesem gehen Drau und Klick auf die drängende Frage „Was tun?“ ein und liefern dazu anregende Ansätze, auch wenn sie keinen „Fünf-Punkte-Plan“ liefern, wie sie anmerken.