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EXPO-Widerstand ein Flop?

Die Aktionen gegen die Weltausstellung in Hannover

| Kle

(GWR-MS) In den letzten Monaten wurde in der GWR ausführlich begründet, warum die Weltausstellung zu kritisieren ist und warum wir zu den EXPO NO!-Aktionen mobilisieren. Ein Bericht über die erste Anti-EXPO-Aktionswoche in Hannover:

Die Aktionswoche zur EXPO ist vorbei, das Anti-EXPO-Camp abgebaut und der Widerstand gegen die riesige von 10.600 PolizistInnen und BGSlerInnen geschützte Werbeveranstaltung scheint gescheitert. Grund genug einmal darüber zu berichten, wie es wirklich in Hannover war und warum die Aktionswoche so verlaufen ist.

Was ist in Hannover gelaufen?

Neben den Blockaden am 01.06. (Tag der EXPO-Eröffnung) gab es noch eine Großdemonstration am 27.05 mit ca. 1500 – 2000 TeilnehmerInnen und eine RTS (Reclaim the Streets) Party am 03.06. Die Aktionen wurden von einer Massenzeitung begleitet, um auch den BürgerInnen in Hannover ein bißchen über den Widerstand zu berichten. Nun aber der Reihe nach:

27.05.
Den Auftakt der Aktionswoche bildete eine angemeldete Demo in Hannover, bei der leider weniger Menschen waren, als mensch sich erhofft hatte. Auch die bürgerlichen Medien berichteten mal wieder nur sehr knapp darüber.

Das einzige, was absolut lustig war, war keine Aktion von EXPO GegnerInnen, sondern eine wilde Rangelei zwischen BürgerInnen auf dem hannoverschen Hauptbahnhof, der an diesem Tag von Gerhard Schröder (wieder-)eröffnet wurde. Zu Werbezwecken wurden EXPO-Freikarten verteilt, worauf sich eine schier entfesselte Meute aus Ottos und Normalos auf die VerteilerInnen stürzte. Schließlich konnte die PR-Aktion nur unter Polizeischutz fortgesetzt werden.

28. – 31.05.
Die Polizei beschäftigte sich an diesen Tagen weitestgehend damit Personalien von „punkig“ oder „alternativ“ aussehenden Menschen festzustellen oder PKWs zu kontrollieren, wobei besonders durch Verkehrskontrollen an Autobahnabfahrten kurzzeitig ein Verkehrschaos entstand – Dankeschön. Auch in den öffentlichen Verkehrsmitteln fand eine massive Überwachung durch private Sicherheitsdienste und Polizei statt.

Am 31.05 fand bereits mittags eine Durchsuchung im Camp statt, bei der eine Person mitgenommen wurde, weil sie sich weigerte ihre Personalien abzugeben. Hinterher hieß es dann, daß Informationen vorgelegen hätten, im Camp seien Aktionen gegen die EXPO geplant worden. Wie die darauf wohl kommen? Es liefen Aktionen wie, Menschen, zur Beweissicherung vor ihren Zelten fotografieren, FotografInnen zu Boden werfen und ihnen die Kameras abnehmen und jede Menge andere Sachen, die man alle so zum Schutz von Freiheit und Demokratie machen muß. Natürlich wurden auch einige Indizien gefunden: Brennspiritus zum bauen von Molotow-Cocktails (war wohl eigentlich zum Kochen gedacht), Kletterausrüstungen, Flugies und andere gemeingefährliche Gegenstände. Eingeschüchtert hat diese Aktion aber niemanden.

Im Laufe des Tages fing die Polizei an, die Innenstadt „richtig“ aufzuräumen, indem sie Personen, die sich nicht der Norm angepasst hatten, ohne jegliche Vorwarnung festnahm. Eine betroffene Person wollte lediglich einer Bekannten „Hallo“ sagen, als einige Beamte auf sie zugestürmt kamen und umgehend die Handschellen klicken ließen.

01.06. – Eröffnungstag
Bereits früh morgens ging es los. In Kleingruppen machten sich Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet auf, um die Infrastruktur von EXPO-City möglichst massiv zu stören. Immer wieder fanden Personenkontrollen seitens der Polizei statt. Teilweise mehrmals innerhalb von einer Stunde wurde mensch aufgefordert seinen Personalausweis zu zeigen und seinen Rucksack durchsuchen zu lassen. Trotzdem gelangen im Laufe des Tages immer wieder verschiedene Aktionen, die den Verkehr extrem behinderten. Auf Bahnstrecken sorgten brennende Autoreifen zu Zugverspätungen von mehr als einer halben Stunde, Menschen, die sich von einer Brücke über dem Messeschnellweg abseilten hielten Unmengen von Autos auf, Eingänge zur EXPO wurden ebenso blockiert wie Fußgängerbrücken. Leider muß man sagen, daß viele Aktionen nur von sehr kurzer Dauer waren. Besonders Straßenblockaden und andere größere Menschenmengen wurden relativ schnell von einem massiven Polizeiaufgebot platt gemacht und die TeilnehmerInnen mitgenommen.

Ein Großteil der sogenannten „freiheitsbeschränkenden Maßnahmen“, stammten von einem Bullenkessel, der sich gegen Abend um eine Demo schloß. Diese hatte sich im Anschluß an eine Kissenschlacht unter dem Motto „Ende der Gemütlichkeit“ am Aegidientorplatz formiert und zog von dort durch die Innenstadt bis zum Steintor. Als die DemonstrantInnen dort ankamen begann die Polizei sehr schnell damit zu kesseln, da angeblich einige Schaufensterscheiben zu Bruch gegangen waren. Bei den Festnahmem im Polizeikessel stellte sich heraus, daß mindestens sieben besonders wortradikale DemoteilnehmerInnen, die ständig etwas „stürmen“ wollten, der Polizei oder ihr befreundeten Institutionen angehörten.

03.06.
Auch am 03.06. bei der RTS kam es mal wieder zu einem Gewaltausbruch seitens des Staates. Immer wieder wurde die Party von BeamtInnen eingekesselt und einzelne unter massivem Schlagstockeinsatz verhaftet. Erst nachdem einige Medienmenschen mit Kameras auftauchten zog sich die Polizei etwas zurück. Insgesamt war die RTS auf jeden Fall die lustigste und bunteste Aktion, die auch am besten gezeigt hat, wie heftig die Polizei selbst gegen tanzende und feiernde Menschen vorgeht. Laute Musik, jonglieren und sich verkleiden scheint verboten zu sein, wenn es eine politische Aussage hat.

Und was sagten die Medien dazu?

Natürlich wurde der Widerstand in den (bürgerlichen) bundesdeutschen Medien mal wieder totgeschwiegen oder auf völlig falsche Weise dargestellt. Wie immer waren wir alle nur „autonome Gewalttäter“, die schwarz vermummt den Terror nach Hannover tragen. Die BILD-Überschrift vom 02.06. zum Widerstand sagt da eigentlich alles: „Warum zerstören sie uns unsere Freude?“. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Die öffentlich-rechtlichen sind als „Product Partner“ an der EXPO beteiligt und auch die andern Medienkonzerne wollen fleißig durch Live-Konzerte, Interviews und Berichte mitverdienen. Wer sich inhaltlich kritisch äußert gilt als ModernisierungsgegnerIn, das gilt ganz besonders für die EXPO, da sie sich selbst zu einer Zukunftsvision erhebt. Die Frage, ob die Zukunft wirklich so aussehen darf, darf nicht gestellt werden. In einem Land, das selbst offiziell Ausrichter einer EXPO ist, wird natürlich nicht kritisch mit einem solchen Großereignis umgegangen, um sich selbst möglichst positiv darzustellen – Standortnationalismus läßt grüßen.

Ist die Berichterstattung nun Selbstzensur oder Folge der Pressearbeit der Expo, die die Medien gebeten hat, nichts Expokritisches mehr zu veröffentlichen? Ist auch das ein Stück Zukunft: Gleichschaltung, die zweite in Deutschland?

Außerhalb Deutschlands sah das ganze etwas anders aus. In fast allen anderen Ländern wurde mehr und auch über die inhaltlichen Aussagen der EXPO-GegnerInnen berichtet. Besonders der Polizeieinsatz wurde als unverhältnismäßig dargestellt. Auch Fernsehsender wie CNN berichteten über den Widerstand und auf NBC Giga lief ein kurzer Bericht über den Kessel. Dabei betonte der Reporter mehrmals, daß er es nicht verstehe warum die DemonstrantInnen eingekesselt und verhaftet werden. Tja, aber das ist wohl fast immer so, der Staat wird nur dann kritisiert, wenn es nicht der eigene ist – auch Standortnationalismus?

Ist der Widerstand denn nun am Boden?

Zunächst einmal sollte gesagt werden, daß die Kommunikation, das Camp und die restliche Infrastruktur gut funktioniert haben. Problem war oft wohl eher, daß die vorhandenen Möglichkeiten zu wenig genutzt wurden. Immerhin ein Anfang, vielleicht müssen wir uns erst daran gewöhnen auch die Technik zu benutzen, die wir zur Verfügung haben. Ein Lob auch an die über 1000 AktivistInnen, die sich am Widerstand beteiligt haben und zum Teil, nachdem sie aus dem Knast raus waren, sofort weiter gestört, blockiert und Bullen geärgert haben.

Leider wurde es mal wieder nicht wirklich geschafft richtig viele Leute nach Hannover zu mobilisieren, was aber auch daran liegt, daß die reaktionären Kräfte uns zur Zeit mit einer solchen Unmenge von „Anschlägen“ bombardieren, daß wir arge Probleme haben auf alles zu reagieren. Gerade deshalb ist es um so wichtiger gemeinsam zu agieren und endlich aus den Ein-Punkt-Bezügen herauszukommen.

Den Widerstand sollte mensch nicht klein reden. Die Aktionen haben auf jeden Fall Mut gemacht auch mal bei etwas anderem als Castor-Transporten Menschen aus verschiedensten Zusammenhängen auf die Straße zu bekommen, denn besonders das Nebeneinander von „Ökos“, „Punks“ oder „Antifas“ (um mal ein paar Schubladen auf zu machen) hat mir Mut gemacht.

Der Hauptgrund für den Verlauf der Aktionen waren die vielen Bullen in Hannover. Wer dort war, wird bestätigen, daß der Polizeistaat dort dermaßen offensichtlich zur Schau getragen wurde, daß auch manchem Bürger und mancher Bürgerin das Kotzen kam.