graswurzelrevolution

Verfehlte Wirklichkeitswahrnehmung

Anmerkungen zum Papier "Welche ihre Füße unter unseren Tisch stellt..." aus Sicht einer Arbeitsgruppe des HerausgeberInnenkreises der GWR

| AG i.A. des GWR-HRSG

Das neue Papier zum "Streik der Redakteurin und der sich solidarisierenden FrauenLesben-Redaktion" ist zum wiederholten Male eine falsche Darstellung des Streits innerhalb der GWR.

Alles für die Redakteurin Nachteilige und Kritische, dem Wunschbild nicht Entsprechende, wird nicht erwähnt oder wegdefiniert. Bei unserem Antwortpapier soll so eng wie möglich am Text der „feministischen Redaktion“ bzw. Redakteurin geblieben werden, um verfehlte Wirklichkeitswahrnehmungen zu verdeutlichen bzw. falsche Darstellungen zu korrigieren.

Gewalttätig oder basisdemokratisch?

Gleich in der Unterüberschrift wird der Umgang des HerausgeberInnenkreises mit der Redakteurin als „gewalttätig“ bezeichnet. Das ist Polemik. Der HerausgeberInnenkreis hat im November 1998 eine Koordinationsredakteurin gewählt. Nachdem eine Vernachlässigung ihrer Pflichten als Redakteurin festgestellt wurde und das Vertrauen zu ihr geschwunden war, wurde diese in einem nachvollziehbaren Konsensverfahren im Mai 2000 von ihrer Tätigkeit entbunden. Dieser Vorgang hat nur mit dem Verhalten der Redakteurin im Redaktionsalltag zu tun. Den „Streik“ betrifft es nur insofern, als mit der Forderung nach Wegbleibenkönnen aus dem HerausgeberInnenkreis die letzte Kommunikationsmöglichkeit aufgekündigt wurde, also de facto der HerausgeberInnenkreis nicht mehr anerkannt wurde. In unserer Entscheidung geht es ausschließlich um die hauptamtliche Münchner Redakteurin – und weder programmatisch noch praktisch gegen Feminismus oder Feministinnen in der Zeitung. Die Münchner Redakteurin versucht durch Negierung der Kritik an ihrer Arbeit und Überblendung mit dem Patriarchatsvorwurf die Form der getroffenen Entscheidung auf den Kopf zu stellen. Die Kritik aus dem HerausgeberInnenkreis wurde der Redakteurin und der FrauenLesbenRedaktion mündlich und schriftlich ausreichend früh übermittelt. Es konnte darauf reagiert werden. Der HerausgeberInnenkreis traf nach über eintägiger Diskussion eine basisdemokratische Entscheidung. Diesen Diskussionsprozeß, den sich der HerausgeberInnenkreis nicht leicht gemacht hat, als Gewalt abzuqualifizieren, ist eine Verharmlosung wirklicher Gewalttaten und bezeugt eine subjektivistische und willkürliche Verwendung der Begriffe Gewalt und Gewaltfreiheit. Im übrigen – und nur als Hinweis, dass die Redakteurin nicht der/die einzige Betroffene ist oder mit ihr als Frau in personenbezogenen Entscheidungen nicht anders umgegangen wird wie mit jede/m/r anderen: in den neunziger Jahren gab es drei personenbezogene Entscheidungen des HerausgeberInnenkreises: zwei Männern wurde nach Diskussion und Überprüfung von Sexismusvorwürfen der Wiederverkauf der GWR entzogen, ein weiterer Mann wurde nach einer als sexistisch empfundenen Aussage, die er nicht zurück nahm, aus dem HerausgeberInnenkreis ausgeschlossen.

Die sich „solidarisierende FrauenLesbenRedaktion“ – wer ist das?

Die permanente Verquickung der Behauptungen der Ex-Redakteurin mit der sich mit ihr angeblich immer geschlossen solidarisierenden FrauenLesbenRedaktion scheint uns ein Mythos. Dem HerausgeberInnenkreis liegt ein Schreiben vor, in dem sich eine bisher zur FrauenLesbenRedaktion gezählte Frau als neutral erklärt und in den von ihr miterlebten Diskussionen genau den Mechanismus kritisiert, der auch Anlass für diesen Streit ist: „In Berlin wurde ich jedoch unfreiwillige Zeugin einer Schlammschlacht, bei welcher der Antifeminismusvorwurf nach meinem Eindruck nur als Totschlagargument herhalten muss. (…) Und jede inhaltliche Kritik wurde als Antifeminismus aufgefasst. Auch Frauenzeitschriften wollten ähnliche oder gleiche Texte nicht haben. Sind die alle antifeministisch?“

Es zählt zu den Mechanismen insbesondere der Redakteurin, eine geschlossene Einheitsfront der Solidarität mit ihr zu behaupten, die so nicht vorhanden ist, nicht einmal in der FrauenLesbenRedaktion selbst. Reagiert wird auf interne Kritik mit Nichterwähnung und dem Verratsvorwurf an die betreffende Frau, die ausschert. Inhaltlich geht es bei diesen Diskussionen darum, dass es „den Feminismus“ nicht gibt, sondern viele Strömungen des Feminismus, und viele Streitpunkte auch die Streitpunkte verschiedener feministischer Richtungen oder älterer und neuerer Bewegungstendenzen sind. Im Redaktionsalltag und auf den HerausgeberInnentreffen wurde der Redakteurin mehrfach die Frage gestellt, wer in der FrauenLesbenRedaktion mitmacht, wo und wie oft sich getroffen wird und ob die „Redakteurinnen“ nicht auch mal zum HerausgeberInnentreffen kommen könnten, damit man/frau sich kennenlernen kann. Nicht ein einziges Mal hat der HerausgeberInnenkreis darauf eine klare Antwort erhalten. Immer wieder hieß es ausweichend, es „entwickle sich da viel, alles müsse erst vernetzt werden“, usw.. Lediglich bei einem Treffen Ende 1999 kamen einige FrauenLesben – die sich dort als Gruppe allerdings zum ersten Mal sahen – und die danach auch wieder wegblieben. Bis heute ist dem HerausgeberInnenkreis nicht klar, wer die FrauenLesbenRedaktion eigentlich ist. Es gab außer der Redakteurin nur eine Frau aus der FrauenLesbenRedaktion, die bei mehr als einem Treffen des HerausgeberInnenkreises, nämlich zweien, dabei war. Wer bzw. was ist die FrauenLesbenRedaktion? Wie werden Artikel diskutiert? Wer wird dazugezählt? Wer trifft Entscheidungen über die Artikel? Das Papier, auf das wir hier antworten, ist unterzeichnet mit „Die feministische Redaktion“: etwas ganz Neues, weder die Redakteurin, noch die FrauenLesbenRedaktion? Jedenfalls war von einer „feministischen Redaktion“ bisher in den gesamten Diskussionen nie die Rede. Über diese Strukturen ist nicht nur keine Auskunft erhältlich, sondern die Anzahl der Mitglieder der FrauenLesbenRedaktion, welche dann sogar als Redakteurinnen bezeichnet werden, wird jedes Mal, wenn es den eigenen Behauptungen nützt, in die Höhe getrieben. Andererseits, wenn es um den Patriarchats/Sexismusvorwurf geht, wird behauptet, es würden deshalb so viele abspringen, dass die Münchner Redakteurin die Arbeit der FrauenLesbenRedaktion alleine bewältigen müsste. Bleibt jedoch die Frage, welche Zeitung Redakteurinnen hat, die sich in der ganzen Zeit ihrer Zusammenarbeit bisher nie mit den anderen RedakteurInnen und HerausgeberInnen getroffen haben, geschweige denn eine Form von Kommunikation aufgebaut haben, die über die Aufnahme in eine Mailing-List hinausging? Nur in der GWR scheint so etwas möglich, und das zählt nicht zu ihren Qualitäten! Eine Qualität ist jedoch der hohe Grad an Autonomie, der von der GWR, mit viel Grundvertrauen und Bonus aufgrund der gesellschaftlichen Unterdrückungssituation von FrauenLesben, dieser Münchner Redakteurin gegeben wurde. Aber trotz aller Autonomie: irgendwo muss es eine gemeinsame Diskussion, ein Zusammenkommen, einen Austausch und einen gemeinsam getragenen Entscheidungsprozeß geben, sonst funktioniert so ein Projekt nicht. Jedes gemischte Projekt besteht aus gemeinsamen und autonomen Bereichen und nicht ausschließlich aus Autonomie.

Forderungen nicht gewürdigt?

Es heißt, „seit über einem halben Jahr“ seien Forderungen der FrauenLesbenRedaktion und eines Ex-Redakteurs „nicht gewürdigt, sondern ignoriert, … abgewehrt“ worden. In der ganzen Zeit seit Einstellung der Redakteurin und ihrer Einrichtung einer FrauenLesbenRedaktion sind alle Forderungen der Redakteurin und auch eine Forderung eines Ex- Redakteurs erfüllt worden – bis auf eine: Die Forderung, nicht mehr am HerausgeberInnenkreis teilzunehmen. Dies ist überhaupt die erste Forderung, die abgelehnt wird. Der Forderung der Redakteurin nach Placierung eines Schlampagnenartikels auf Seite eins der GWR im November 1999 wurde entsprochen. Der Forderung nach getrennten Männer- und Frauengruppen auf dem Berliner HerausgeberInnentreffen wurde entsprochen. Der Forderung von Redakteurin und Ex-Redakteur nach Moderation auf den nachfolgenden Treffen wurde entsprochen. Der Forderung nach besserer Strukturierung der Redaktionszusammenarbeit wurde mit dem Beschluß, dass das Endlayout monatlich im Wechsel von den jeweiligen Koordinierungsredaktionen übernommen wird, entsprochen. Über konzeptionelle Fragen und weitere Forderungen der FrauenLesbenRedaktion sollte im Februar 2000 auf einem Treffen diskutiert werden, das ursprünglich als offenes LeserInnentreffen geplant war und zu dem bereits in GWR-Nr. 245 (Editorial) eingeladen wurde. Dass dies bereits beschlossen war, beweist die Offenheit des HerausgeberInnenkreises. Das Treffen wurde von der Redakteurin abgesagt, weil eine Moderation nicht rechtzeitig gefunden werden konnte. Manche LeserInnen oder Mitglieder gewaltfreier Aktionsgruppen, die sich zum öffentlichen Treffen bereits angemeldet hatten, wurden von der Absage nicht einmal informiert. Es entspricht der Verdrehung von Wirklichkeit, dem HerausgeberInnenkreis hier Ignoranz gegenüber den Forderungen der Redakteurin und der FrauenLesbenRedaktion vorzuwerfen. Immer konnte sich die Redakteurin mit ihren Forderungen durchsetzen. Dass es dabei im einzelnen Einwände gegeben hat, die aber an der Durchsetzung der Forderung nichts änderten, sollte doch wohl kein wirklicher Einwand sein: soll etwa jede Diskussion verboten werden? Was zunächst absurd erscheint, wird beim Vorgehen der Redakteurin von mal zu mal deutlicher. Am Beispiel der Forderung im gegenwärtigen „Streik“, nicht mehr am HerausgeberInnentreffen teilnehmen zu müssen, weil dies männerdominiert sei, zeigt sich die autoritäre Vorgehensweise der Redakteurin. Diese Forderung wird nicht als Vorschlag zur Diskussion eingebracht – es hätten sich vielleicht Lösungswege finden lassen, ein kleineres Zwischengremium oder ähnliches, in welchem die Bedürfnisse nach Kommunikationsaufrechterhaltung einerseits und Nichtaushalten der Männerdominanz andererseits erfüllt hätten werden können – nein, die Forderung wird sofort ultimativ erhoben, bevor darüber nachgedacht und diskutiert werden kann, wie sich die Problematik lösen lässt. Dieses Vorgehen ist einem anarchistischen Projekt unangemessen.

„Der Herausgeberkreis“ – das konsequente Negieren von nichtlesbischen Feministinnen

Kurz darauf heißt es, der Kern des „Herausgeberkreises“ bestehe „de facto nur noch“ aus Männern. Unklar bleibt, was denn der „Kern“ ist. Wenn sich die Männer des HerausgeberInnenkreises als ihr Kern definierten, dann ja. Aber das tun sie nicht. Es hat in der Geschichte des HerausgeberInnenkreises eine bereits vielfach problematisierte Männerdominanz gegeben, dieser HerausgeberInnenkreis bestand aber nie ausschließlich aus Männern. Negiert werden von der Redakteurin Anarchafeministinnen, die dem HerausgeberInnenkreis angehören. Es ist ein Phänomen, dass von der Münchner Redakteurin Menschen, die nicht der eigenen Meinung entsprechen, einfach als nicht existent angesehen werden. Dabei ist dort ideologisch egal, ob die von der eigenen Meinung abweichenden Frauen im HerausgeberInnenkreis sind oder nicht. Wenn sie überhaupt als existent anerkannt werden, dann sind sie „Alibifrauen“, wenn nicht Verräterinnen an der FrauenLesbenSolidarität. Auch das ist autoritär. Diese Sichtweise entspricht der gemachten Erfahrung, dass anarchafeministische Hetera-Autorinnen, die bisher für die GWR geschrieben haben, nach dem Übergang zur Münchner Redaktion von der dortigen Redakteurin in den eineinhalb Jahren ihrer Redakteurinnentätigkeit nicht mehr für weitere Artikel angefragt worden sind. Es ist nichts dagegen einzuwenden, neue lesbische Autorinnen für die GWR zu suchen und zu finden. Wenn jedoch nichtlesbische Feministinnen ausgegrenzt werden, ob durch Nichtberücksichtigung als Autorinnen oder durch Negierung einer Teilnahme am HerausgeberInnenkreis, dann ist das ein inhaltlicher Eingriff, der so nicht in die Diskussion eingebracht wurde – und der vom HerausgeberInnenkreis nicht gewollt ist.

Streik und Kapitalismus

Weiter heißt es, auf den „Streik“ sei „erstarrt“ reagiert, er sei „mit dem Abbruch der Kommunikation bestraft“ worden, die den „Regeln eines kapitalistischen Arbeitgebers entsprechen“ (Arbeitsmoral: arbeiten bis nix mehr geht, …, Streik bedeutet ‚Vertrauensverlust‘, Rauswurf als Antwort auf den Streik, der andere Redakteur wird zum Streikbruch aufgefordert, materielle Abfindung bei Stillschweigen). „Abbruch der Kommunikation“ war jedoch ein Ziel des „Streiks“ selbst, das bei Erfüllung der Forderung der Redakteurin, nicht mehr am HerausgeberInnenkreis teilnehmen zu müssen, endgültig erreicht worden wäre. Schon öfter ist im Alltag der drei Redaktionen (Münster, Heidelberg, München) die Kommunikation von München aus in der gesamten Zeit seit Einstellung der Redakteurin abgebrochen worden, zeitweise monatelang. Wie soll man/frau so eine Zeitung machen? Eine Zeitung ist auf einen hohen Grad an Kommunikation angewiesen. Dieser kann auch nicht aus separatistischen Gründen abgebrochen werden ohne massive Auswirkungen auf das gesamte Projekt. Die Münchner Redakteurin hatte durch die örtliche Trennung der Redaktionen, den hohen Grad an Autonomie in München und die Verfügung über die Münchner Form der Redaktion einen derart großen Spielraum an Autonomie, dass ein Minimum an Kommunikation eingefordert werden kann. Ein gemischtes Projekt, und ganz besonders eine Zeitung, kann nicht funktionieren, wenn sich eine Seite permanent separatistisch verhält. Der Vorwurf des Kommunikationsabbruchs fällt auf die Redakteurin selbst zurück. Die Trennung von der Redakteurin ist auch eine Reaktion auf immer wieder vorkommende Kommunikationsabbrüche dieser Art.

Zur angeblichen Parallele dieses „Streiks“ mit einem Streik in einem kapitalistischen Betrieb: in der Graswurzelrevolution „streikt“ eine von drei Personen, die in diesem Projekt überhaupt Geld für ihre Arbeit bekommen. Geschädigt wird nicht ein/e kapitalistische/r ArbeitgeberIn, ein/e Reiche/r oder ein Konzern. Geschädigt werden Menschen, die zum Teil über viele Jahre ihr ganzes politisches Engagement, ihre freie Zeit und ihre Leidenschaft dieser Zeitung und den gewaltfreien Aktionsgruppen, an denen sie beteiligt waren, gegeben haben! Und diese Menschen haben keinen Pfennig für ihre Arbeit bekommen, sie haben alle freiwillig gearbeitet und oft sogar eigenes Geld in das Projekt gesteckt. Aufgrund der Tatsache, wer hier streikt und wer hier geschädigt wird, wird deutlich, wie polemisch und falsch der Vergleich mit eine/m/r kapitalistischen ArbeitgeberIn ist. Von der Redakteurin hat niemand verlangt, zu arbeiten „bis nix mehr geht“. Statt dessen wurden zum ersten Mal seit langem wieder drei Redaktionsbüros eingerichtet, davon zwei Endlayoutredaktionen, um die Menge anfallender Arbeit an der Zeitung sinnvoll zu verteilen. Die klar formulierte Aufgabe der Münchner Redakteurin war es, Redaktionsarbeit und das Endlayout der Zeitung zu machen. Die Prioritätensetzung für die Stellenbeschreibung und die Arbeitsaufgabe, auf die sich die Münchner Redakteurin beworben hat, war immer klar: erst kommt die Erstellung der Zeitung, dann andere Projekte, hier der Aufbau einer FrauenLesbenRedaktion. Der HerausgeberInnenkreis hat immer wieder versucht, auf Probleme in der Arbeitssituation der Redakteurin zu reagieren, z. B. mit dem Beschluss des HerausgeberInnentreffens im Dezember 1999 in Berlin, die Verantwortung fürs Endlayout monatlich rotieren zu lassen, damit der Arbeitsanfall für die Zeitungsproduktion besser verteilt werden kann und mehr zusammenhängende Zeit für Projekte der Redaktionen bleibt. Andere Redaktionen oder die Finanzstelle haben Aufgaben übernommen, die normalerweise den Koordinationsredaktionen zufielen (Versenden von Probeexemplaren, Sondernummern, Korrekturlesen usw.). Wenn der Münchner Redakteurin der Aufbau der FrauenLesbenRedaktion wichtiger ist und mehr Arbeit beansprucht als die eh schon verringerte Redaktions- und Layoutarbeit, so soll sie dies zur politischen Diskussion im HerausgeberInnenkreis stellen und nicht den zusätzlichen Zeit- und Arbeitsaufwand dem HerausgeberInnenkreis vorwerfen. Es stellt sich auch die Frage, warum die FrauenLesben der FrauenLesbenRedaktion nicht einige Aufgaben übernehmen konnten/wollten um für eine Entlastung der Redakteurin zu sorgen? Es scheint, dass die FrauenLesbenRedaktion eher virtuell existiert. Denn in den anderen Redaktionsorten gibt es auch Redaktionsgruppen oder Aktionsgruppen, die die beiden Redakteure zusätzlich zu ihrer Aufgabenstellung aufgebaut haben. Diese begleiten jedoch die Zeitung und helfen auch mal bei anfallender Arbeit. Der Vertrauensverlust hat mit dem „Streik“ selbst nichts zu tun und resultiert aus den über Monate hinweg gemachten Erfahrungen mit der Redakteurin. Es gehörte zu den Qualitäten der Redaktionsarbeit der GWR, dass die RedakteurInnen nicht kontrolliert werden.

Weder wird eine feste Arbeitszeit verlangt, noch diese überprüft, es gibt auch keine anderen nachprüfbaren Kontrollen (Arbeitsstundennachweise oder ähnliches). Bei einigen Ex-Redakteuren hat das nach einer anstrengenden ersten Zeit dazu geführt, dass die Arbeit am Endlayout aufgrund von Erfahrung verkürzt werden konnte auf vielleicht drei Wochen pro Monat. So waren eine oder zwei Wochen frei für individuelle Interessen bzw. eigene Projekte. Und jetzt machen zwei, im Notfall sogar drei Redaktionen die anfallende Arbeit. Wenn es aber keine Kontrollen gibt, wenn bei uns alles über Vertrauen läuft, dann muss es Kriterien für dieses Vertrauen geben: erstens das Produkt Zeitung selbst als sichtbarer Ausdruck der Arbeit. Wenn in der Zeitung nun ersichtlich wenig Mühe auf Layout verwandt wird und wenn dann noch deutlich wird, dass sich eine Redaktion an der Produktion von drei Nummern nicht beteiligt hat, dann wird der Vorwurf, es würde ein „arbeiten bis nix mehr geht“ verlangt, absurd. Als weiteres Kriterium für Vertrauen kann nur die Kommunikation im Redaktions- und HerausgeberInnenalltag gelten. Wenn diese Kommunikation schwindet und sich feststellen lässt, dass wiederholt versucht wurde, einzelne Personen des HerausgeberInnenkreises gegeneinander auszuspielen, dann ist das Vertrauen weg und lässt sich auch nicht einfach wiederherstellen, vor allem nicht nach solchen verzerrten Wirklichkeitsdarstellungen wie den vorliegenden. Exemplarisch für diese Vorgehensweise ist die angebliche Aufforderung zum Streikbruch des anderen Redakteurs und die angebliche Schmierung dieses Redakteurs „bei Stillschweigen“ durch den HerausgeberInnenkreis. Es hat weder eine solche „Aufforderung“ noch ein „Schmieren“ gegeben. Dabei ist uns schmerzhaft bewusst, dass der betreffende Redakteur bzw. die betreffende Redaktion nun vorläufig auch noch die Aufgaben der Münchner Redaktion übernehmen musste, damit die Zeitung erscheinen kann. Dass die anfallende Arbeit besser bezahlt werden müsste – wenn wir denn könnten – ist eine ganz andere Frage. Hier können wir nur Danke sagen.

Zum „Schmähbrief“ und zur „informellen Hierarchie“

Im folgenden wird ein Brief eines Herausgebers zur Kritik am Verhalten der Redakteurin als „Schmähbrief“ bezeichnet und am Ende eine Entschuldigung verlangt. Dieser Darstellung muss widersprochen werden: in dem genannten Brief wurden verschiedene Probleme in der Kommunikation und mit dem Verhalten der Redakteurin dargestellt. Es ging dabei nie – wie vorgeworfen – gegen die Notwendigkeit feministisch-lesbischer Inhalte in der Zeitung, sondern ausschließlich um eine Kritik am individuellen Verhalten und den entstandenen persönlichen Vertrauensverlust. Dass es bei solcher Kritik zu Formulierungen kommen kann, die von der Betroffenen als Beleidigung aufgefasst werden, ist bedauerlich und nicht Absicht des Schreibenden gewesen. Angesichts der Tatsache, dass die Betroffene die Wirklichkeit ganz anders einschätzt, wäre das kaum zu vermeiden gewesen. Als beleidigend werden nicht einzelne Formulierungen, sondern die inhaltliche Gesamttendenz des Kritikpapiers empfunden. Diese wurde jedoch vom HerausgeberInnenKreis weitestgehend auf seinem letzten Treffen geteilt. Jede Form der Kritik, jede Abweichung von der eigenen Meinung und Darstellung wird von der Redakteurin nicht diskutiert und überdacht, sondern sofort mit dem Sexismusvorwurf gekontert. Auf dieser Basis kann es keine fruchtbare Diskussion, kein Weiterentwickeln von Positionen geben. Diese Reaktionsweise auf Kritik ist sektiererisch und lässt befürchten, dass gerade dies die Zeitung unoffen für alle möglichen sozialen Bewegungen und neuen Einflüsse macht. Hinzu kamen weitere konkrete Kritikpunkte, wie der Nachdruck von Texten, die längst anderswo erschienen sind, z.B. aus der „Unsere Zeit“ (Zeitung der DKP), der Abdruck des zuvor vom vorherigen Koordinationsredakteur zu Recht als „obskur“ abgelehnten „jetzt beenden wir Aids“-Artikels in GWR 244, mangelnde Sorgfalt beim Korrekturlesen,… Bei der inhaltlichen Kritik ging es nie darum, ob feministische Artikel in der GWR erscheinen, sondern um einzelne konkrete Aussagen, die nicht oder nicht immer geteilt wurden. Sehr oft, wie auch beim weiter unten erhobenen Homophobie-Vorwurf, war die Kritik nicht dramatisch oder grundsätzlich, sondern detailliert und als Anregung für zukünftige Artikel gedacht.

Ein weiterer Vorwurf ist, im HerausgeberInnenkreis gäbe es eine „informelle Hierarchie“, in der wenige Männer das Sagen haben sollen und alle anderen es nur billigen. Der Begriff der „Billigung“ spricht allen, die die Entscheidung zur Trennung mitgetragen haben, das eigene Denkvermögen ab und übersieht, dass es sich um einen moderierten Konsensprozess gehandelt hat. Über die Problematik der „informellen Hierarchie“ im HerausgeberInnenkreis lohnt immer ein Nachdenken und es wäre falsch, nicht Ungleichheiten und Machtungleichgewichte zu erkennen, die sich schon aus Erfahrung und verschieden langer Beteiligung ergeben. Der HerausgeberInnenkreis ist durch seine Offenheit heterogen: es gibt die „alten“, langjährig beteiligten Menschen, die kontinuierlich und intensiv arbeiten wollen und immer wieder neue, von den Ideen der GWR begeisterte Menschen, die einsteigen, aber vielleicht nicht sofort so viel tun wollen oder können. Es ist ein Problem, einerseits offen für Neue sein zu wollen, andererseits Verantwortlichkeiten verbindlich wahrnehmen zu wollen. Immer wieder hat es Versuche gegeben, festzulegen, wer „dazu“ gehört ohne dabei zu hohe Hürden für Beteiligung und Neueinstieg aufzubauen. Wenn es einzelne Personen im Kreis gibt, die aufgrund ihrer langjährigen Mitarbeit in einzelnen Punkten dominieren, dann gibt es aber zumindest ein Bewusstsein für die Problematik der „informellen Hierarchien“, die immer wieder selbstkritisch betrachtet und in Ansätzen auch bekämpft werden. Dies zeigt sich in Einzelfällen auch in den Versuchen der betreffenden Personen selber, aus bestimmenden Positionen und zentralen Orten auszusteigen, ihre Arbeit zu reduzieren oder während der Produktionsphase der Zeitung lange in Urlaub zu fahren. Das alles sind Versuche, Verantwortung abzugeben, informelle Hierarchien abzubauen, ohne gleich die Mitverantwortung für das Gesamtprojekt aufzugeben oder in kritischen Phasen einfach nur andere machen zu lassen. Solche Versuche fanden und finden immer wieder statt. Diese prinzipiellen Probleme werden jedoch bis zu einer alle zufriedenstellenden Lösung noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Ex-Redakteurin sollte sich Gedanken darüber machen, dass eine Redaktionsstelle im Gefüge der Zeitung ebenfalls eine Machtposition ist, eine Position, in der Informationen zusammenlaufen, die eine/n RedakteurIn von vorneherein gegenüber allen sonst am Projekt Beteiligten privilegiert. Redaktionen sind immer potentielle Machtpositionen – und das Gesamtprojekt wird keineswegs vom HerausgeberInnenkreis allein gelenkt. Die vergleichsweise seltenen Treffen alle 2-3 Monate garantieren, dass die Redaktionen in vielen Bereichen die Entscheidung darüber treffen, was in die Zeitung kommt und was nicht. Der HerausgeberInnenkreis kann aufgrund der Struktur nur beratend tätig sein, und überwiegend nur frühere Ausgaben im Hinblick darauf diskutieren, was in den nächsten Ausgaben besser gemacht werden könnte. Die wenigsten Artikel kann der HerausgeberInnenkreis vor Abdruck diskutieren, deshalb bedarf es einer Sensibilität der Redaktionen, mit ihrem Machtpotential basisdemokratisch umzugehen und Diskussionsanregungen aus dem HerausgeberInnenkreis aufzunehmen. Gerade die im Nachhinein erfolgende Diskussion der letzten Ausgaben, das Zusammentragen von Reaktionen bei Wiederverkauf und zu anderen Gelegenheiten sind meist sehr zielgerichtet und ernsthaft und zudem der einzige Ort im Strukturgefüge der Zeitung, wo über die Zeitung von allen Beteiligten diskutiert werden kann – also mit das Wichtigste, was der HerausgeberInnenkreis zur Hilfe der Redaktionen leisten kann. Es wird erwartet, dass RedakteurInnen die Kritik dieser Diskussionen über einzelne Artikel, an denen sich nicht selten Grundsatzdiskussionen über Konzepte entspannen, produktiv aufnehmen, nicht im Detail und in jedem Einzelfall, aber doch der Tendenz nach. Auf diese Weise bildet der HerausgeberInnenkreis ein Gegengewicht zur Macht der Redaktionen, die sich in der alltäglichen Redaktionsarbeit entwickelt. Eine Macht, die die Münchner Redakteurin oft geneigt war auszuspielen. Ein Beispiel dafür ist ein Editorial in der November-Ausgabe letzten Jahres, in dem trotz Abratens anderer Redakteure eine falsche Aussage über die Geschichte der Zeitung gemacht wurde, nämlich dass es in der Zeitungsgeschichte eine Art kollektiven Auszug von „Lesben-Frauen“ aus den Graswurzelredaktionen „aus feministischen Gründen“ gegeben habe. Ein solcher kollektiver Auszug hat nicht stattgefunden und es hatte mit einer Ausnahme in den 80er Jahren auch keine Lesben in den Redaktionen gegeben. Auch nach mehrfacher Aufforderung inner- und außerhalb des HerausgeberInnenkreises hat die Redakteurin diese Falschaussage nicht berichtigt.

Wie gering die Diskussionen und Anregungen des HerausgeberInnenKreises von der Redakteurin geschätzt wurden, erschließt sich aus der Formulierung, bei diesen HerausgeberInnentreffen werde „etwas über die letzten Nummern geplaudert“. Der HerausgeberInnenkreis kann nur Vorschläge und Konzepte für den Redaktionsalltag erarbeiten, die Macht der Umsetzung obliegt den Redaktionen. Die einzige Ebene, auf der der HerausgeberInnenkreis in das Machtgefüge der Redaktionen eingreifen kann, ist die Einstellung oder die Abwahl der Angestellten, wenn sich der Eindruck bestätigt, dass die Redaktionsmacht missbraucht wird. Und das geschieht hier in der Geschichte der GWR zum ersten Mal.

Eine Klage der Redakteurin ist, dass die Defizite des HerausgeberInnenkreises nicht angegangen würden und dass es keinen Kreis gäbe, der sich mit inhaltlichen Kriterien für Veröffentlichungen beschäftigen würde. Es ist abzusehen, dass ein solcher Kreis von der Redakteurin als Kontrolle kritisiert würde, wenn er nicht im Detail ihrer Vorstellung (die noch dazu unklar sind) entspräche. Zum anderen hat der HerausgeberInnenkreis mehrfach inhaltliche Kriterien für Veröffentlichungen benannt, nämlich eine qualitative Gleichbehandlung gewaltfreier, anarchistischer und feministischer Konzepte und Artikel. Die Kritik richtet sich im wesentlichen auch nicht gegen die feministischen Artikel, sondern gegen die konzeptionelle Nichtberücksichtigung und Vernachlässigung gewaltfreier und anarchistischer Inhalte in der alltäglichen Redaktionsarbeit der Redakteurin. Der HerausgeberInnenkreis hat im Gegensatz zur Behauptung der Redakteurin viel Verantwortung übernommen, als er die Bedürfnisse der RedakteurInnen immer wieder diskutiert und nach Lösungsmöglichkeiten gesucht hat. Hier Verantwortungslosigkeit zu unterstellen, ist unrichtig. Die Fraktionen in diesem Konflikt werden als der Block der „alten Gruppe“ und im Gegensatz dazu die Münchner Redaktion mit der „einzigen Frau“ des HerausgeberInnenkreises, zweier Männer und der „ganzen FrauenLesbenRedaktion“ dargestellt. Nicht umsonst nennt die Redakteurin bei der Darstellung der Strömung das Ganze nicht HerausgeberInnenkreis, sondern „Aktive“ – was immer das hier bedeuten mag. Wieder wird unterschlagen, dass es mindestens drei Feministinnen gibt, die derzeit im HerausgeberInnenkreis aktiv sind. Die im Papier genannte „einzige Frau“ (die eben nicht die einzige Frau ist) hat sich mehrfach explizit neutral erklärt und unterstützt den „Streik“ nicht. Die FrauenLesbenRedaktion unterstützt den „Streik“ ebenfalls nicht „ganz“, dazu wurde oben bereits eine abweichende Meinung aus der FrauenLesbenRedaktion zitiert. Schließlich wird die Zahl von 15 Personen (und noch mehr) ins Feld geführt, die niemand nachprüfen kann, weil diese Personen im Diskussionsprozeß der GWR noch nie gesehen wurden. Mag sein, dass es diese Gruppe gibt, in irgendeiner Weise Verantwortung für die GWR haben sie sichtbar bisher noch nicht übernommen. Wenn schon diese Personen angeführt werden, dann müssten mindestens ebenso auf der anderen Seite sechs jüngere Männer und Frauen aus Berlin angeführt werden, die eigentlich eine Berliner Redaktion aufbauen wollten und durch das Auftreten von einigen FrauenLesben in Berlin und die enge Ausrichtung der GWR davon wieder abgebracht wurden. Und die die Redaktionen unterstützenden Gruppen in Münster und Heidelberg fehlen ebenfalls.

Fast bei Null angefangen?

„Vor einem Jahr hat eine seit 10 Jahren männlich geprägte GWR eine feministische Redakteurin angeworben. Sie leistete zusätzlich zu der Bearbeitung der Gesamtzeitung konsequent feministische Aufbauarbeit in der GWR. (…) Die Redakteurin fing fast bei Null an.“ Die Redakteurin hat sich selbst aufgrund der schwulen/antirassistischen/antisexistischen/feministischen Artikel in der GWR auf die Stelle beworben. Mehrere Männer im HerausgeberInnenkreis haben eine z.T. jahrelange Erfahrung in Männergruppen oder Gruppen wie „Männer gegen Männergewalt“. Die Frauen, die in den letzten Jahren in den Redaktionen mitgearbeitet haben, blieben blieben mal länger, mal kürzer Redakteurin. Keine von ihnen war (unseren Wissens) Lesbe, aber alle verstanden sich als Feministinnen. Wenn sie gingen, dann nicht im Streit, obwohl sie im Einzelfall durchaus antisexistische Kritik an einzelnen Personen oder Strukturen der Zeitung hatten. Immer wieder hat der HerausgeberInnenkreis anhand dieser Kritik die Auseinandersetzungen geführt: es wurden in diesen zehn, zwölf Jahren aus den Diskussionen u.a. folgende Schlüsse gezogen und umzusetzen versucht: die angestrebte Quotierung der Redaktionsstellen; die Forderung an alle Männer, sich bei allen Themen mit ihrer feministischen/antisexistischen Dimension zu beschäftigen; ein Extra- Seminar in Kurve Wustrow zur Erweiterung des HerausgeberInnenkreises; eine einjährige Diskussion um Sexismus im HerausgeberInnenkreis anhand konkreter Fälle; die Unterstützung eines schwulen Redakteurs, seine Positionen in der Zeitung darzustellen und zu verbreiten. Und das alles soll nichts sein? Das alles soll sich nicht in der Zeitung, und nicht im Verhalten der Mitglieder des HerausgeberInnenkreises widerspiegeln? Dass es sich in der Zeitung immer widergespiegelt hat, zeigt ein Blick in irgendeine Ausgabe der letzten 10 Jahre. Im HerausgeberInnenkreis hat es immer eine Kultur des Ausredenlassens, des gegenseitigen Zuhörens und Bemühens um Verständnis gegeben. Dies gelingt nicht immer perfekt und hier kann vieles kritisiert und verbessert werden, aber selbst die im Konflikt zugezogenen ModeratorInnen erwähnten den emanzipatorischen Stil der Diskussion. Auch jetzt wird sich im HerausgeberInnenkreis wieder mit Männerdominanz und Sexismus beschäftigt. Diese Auseinandersetzung muss immer wieder neu geführt werden. Dasselbe lässt sich jedoch auch über Rassismus, Antisemitismus und weitere Herrschaftsformen sagen. Vergleichend kann gesagt werden, dass die Auseinandersetzung mit Sexismus im HerausgeberInnenkreis in den letzten 10 Jahren einen sehr hohen Stellenwert hatte. Die Behauptung der Redakteurin, dass sie „bei Null“ anfangen musste, ist eine Anmaßung. Und die „Fettnäpfchen“, in die „die Männer“ angeblich getreten sind, haben sich oft als peinlich für die Redakteurin selbst herausgestellt. Ein Beispiel von vielen ist die Behauptung der Redakteurin (der FrauenLesbenRedaktion?) in einem Lagepapier, dass Feminismus für die GWR nicht die Bedeutung gehabt habe, die er hätte haben müssen, abgeleitet anhand der Tatsache, dass sich die Zeitung in den 80er Jahren lediglich „antisexistisch“ und nicht „feministisch“ genannt habe. Nun war es aber Quintessenz der Diskussionen in den 80er Jahren, dass sich ein gemischtes Projekt nicht „feministisch“ nennen durfte, weil die beteiligten Männer dadurch eine Anmaßung begangen hätten. Mag sein, dass diese Unterscheidung heute nicht mehr als so wichtig eingestuft wird, damals war sie wichtig. Das nicht zu wissen, und den Anspruch, der damals explizit in der Zeitung formuliert wurde, sich antisexistischen Zielen zu verpflichten, umzudrehen in einen Vorwurf des Sexismus, straft die Behauptung der Redakteurin fast „bei Null“ anfangen zu müssen, Lügen. Zudem wird damit den Männern im HerausgeberInnenKreis, die immer wieder Auseinandersetzungen mit eigenem Sexismus und Sexismus allgemein geführt haben ein wichtiger Teil der bisherigen Arbeit und des bisherigen Lebens abgesprochen, noch dazu ohne jede Kenntnis der Entwicklung in der GWR. Ein Projekt des Sexismus anzuklagen, weil es sich explizit antisexistisch nennt, und – wie geschehen – schon Minuten später den Allgemeinplatz zu verlieren, „mann“ habe in dreißig Jahren Frauenbewegung wohl nichts gelernt, ist Polemik. Und obwohl auf einem Treffen des HerausgeberInnenkreises der Sachverhalt um die Begriffe „feministisch/antisexistisch“ erläutert wurde bevor jenes Lagepapier entstand, wurden wider besseren Wissens mit diesem wiederkehrenden Vorwurf andere uninformierte Leute noch weiter desinformiert. Wir sind jetzt erst bei der Hälfte der Kritik des Papiers „Welche ihre Füße unter unseren Tisch stellt…“ angelangt und enden hier. Es gehört zu den trübseligen Erkenntnissen solcher Auseinandersetzungen, dass manchmal ein Buch geschrieben werden könnte, um alles richtig zu stellen, was ein einziges Papier an Falschdarstellungen anhäuft. Manche Vorwürfe sind so unglaublich, dass sie sich von selbst erledigen, etwa der Vorwurf, in dem Kritikpapier eines Herausgebers werde „FrauenLesben generell das Interesse und die Verantwortlichkeit für die GWR abgesprochen“, gefolgt vom Biologismus-Vorwurf. Denn wieso hätte ein Herausgeber im November 1998 der Einstellung einer FrauenLesbe zustimmen sollen, wenn er solche Ansichten hegte? Was hier anhand einiger Beispiele aufgezeigt werden sollte ist die sich in diesen Details ausdrückende, chronisch scheinende entgegengesetzte Wirklichkeitswahrnehmung der Redakteurin. Auf dieser Basis kann kein Vertrauen in eine zukünftige Redaktionszusammenarbeit wachsen und die erfolgte Trennung war die einzige verbliebene Möglichkeit, einen Schlußstrich zu setzen.

In dem Trennungsbeschluß wurde explizit festgehalten, dass die Diskussion um Männerdominanz und Sexismus auf den nächsten Treffen weiter geführt wird. Allerdings wird im gesamten HerausgeberInnenKreis festgelegt, in welcher Form diese Diskussion geführt wird, ob und wann sie als vorläufig ausreichend empfunden wird und mit welchen Ergebnissen sie endet. Als Feministin kann die frühere Redakteurin eine solche Diskussion legitimer weise fordern. Aber sie ist nicht die letzte Entscheidungsinstanz für die abschließende Bewertung dieser Diskussion, ebenso wenig wie die FrauenLesbenRedaktion allein – zumal die bisher genannte Kriterien dafür sich zwischen „adäquat lebbarer Lösung“ und einem die „FrauenLesbenRedaktion ideell, moralisch und in allen anderen Bereichen so zu stärken, dass sie sich wohl fühlt“ bewegen. Der Anspruch bzw. das Selbstverständnis der Ex-Redakteurin sich zur letzten Entscheidungsinstanz zu machen ist – basisdemokratische Prinzipien vorausgesetzt – empörender Machtmissbrauch. Und weil diese Forderungen in ultimativer Form vorgebracht wurden, blieb nichts anderes übrig, als sich von der Redakteurin zu trennen. Die begonnene öffentliche Diffamierungskampagne gegen die GWR stellt die Strukturen und die internen Abläufe der Zeitung in falschem Licht dar und schadet ihr damit. Die Energie, die es die HerausgeberInnen kostet, diese durch die öffentliche Kampagne vorgezeichnete Form der Auseinandersetzung zu führen, wäre besser in konstruktive Diskussionen und Projekte geflossen. Und deshalb macht uns diese Auseinandersetzung zugleich wütend und traurig.