I. Der Stand der Bewegung
Herzlich willkommen zu unserem ersten Umstrukturierungs-Info nach dem 30.9.2000. Wie viele GWR-LeserInnen schon wissen werden, hatten wir uns mit einer Spenden-Akquirierungs-Kampagne zum Ziel gesetzt, bis zu diesem Tag 30.000,- DM zusammenzubekommen.
Mit diesem Info wollen wir über den aktuellen Stand informieren und darüber, wie´s nun weitergeht. Wir haben das – hochgesteckte – ausgegebene Ziel nicht erreicht. An Spenden sind bis zu diesem Termin „nur“ 8800,- DM eingegangen, außerdem Kredite über 4500,- DM sowie vielfältige sonstige Unterstützung, die insgesamt aber nicht ausreicht, um den erforderlichen Beitrag zur Rettung des Vertriebes aufzubringen.
Die Zahl der Menschen, die bisher Geld für unsere Umstrukturierung bzw. die Buchvertriebsrettung und den damit möglichen Neubeginn gespendet haben, ist zu gering. Sie bewegt sich aber im Rahmen dessen, was wohl realistisch zu erwarten war. Bedauerlicher ist, dass diverse angedachte/ angekündigte Soli-Konzerte bislang nicht stattgefunden haben. Hier hätte mehr passieren können/ müssen. Auch die linken Medien haben sich insgesamt reserviert verhalten: von über 40 Zeitschriften, die zum Teil mehrmals kontaktiert wurden und die teilweise bereits Artikel zu unserer Situation zugesagt hatten, hat nur ein Bruchteil Infos veröffentlicht . Hervorzuheben sind die Graswurzelrevolution und die Contraste, die gleich mehrfach auf unsere Situation hingewiesen haben. Bedanken wollen wir uns auch bei der Direkten Aktion, der „future is unwritten“ (Jena), dem „Spunk“ (Erfurt), dem „Apoplex“ (Münster), der „Bambule“ (Bremen) und dem espero. Dies ist die Liste der Zeitschriften, die bis zum Verfassen dieses Infos unterstützend tätig wurden, durch Anzeigenabdruck oder eigene Artikel. Außerdem fanden bisher zwei Radio-Interviews statt. Die Resonanz war/ ist streckenweise also enttäuschend. Um so mehr sagen wir allen Menschen, die uns unterstützt haben, den herzlichsten & allerfeinsten Dank!
Warum wir uns trotz dieses Feedbacks entschlossen haben, weiterzumachen, hängt mit Entwicklungen zusammen, die wir im folgenden skizzieren.
II. Das Antiquariat und Buchcafé „Andere Seiten“
Klar war früh, dass wir auch nach dem Ablauf des Mietvertrages an unserem bisherigen Standort Uetze (bei Hannover) für den Anares Buchvertrieb Räumlichkeiten anmieten würden, schon um aus dem allmählichen Abverkauf des beträchtlichen Lagerbestandes zumindest einen Teil unserer Schulden begleichen zu können. Als Idee gab es zudem den Gedanken, einen öffentlichen Raum als direkt erreichbaren Anares-Stützpunkt aufzubauen. Kurzfristig haben wir jetzt Räumlichkeiten über zwei Ebenen gefunden, die diese Überlegungen forciert haben. Im Keller wird der Buchvertrieb seinen Platz finden. Darüber werden wir einen Buchladen samt einem kleinen Veranstaltungs-Café einrichten. Während der Laden zum Freitag, den 1.12. um 12.00 Uhr eröffnen wird, werden wir versuchen, ab dem nächsten Jahr regelmäßige Lesungen, Ausstellungen etc. durchzuführen. Auf diesem Wege wollen wir Literatur erlebbar machen und den Austausch sowie Diskussionen darüber fördern. Der Name des Projektes ist Programm: es geht uns um die Bücher, die im normalen Buchhandelsmarkt unterrepräsentiert sind, um auch inhaltlich andere Seiten als diejenigen, die im Medien-Mainstream üblicherweise ihre Öffentlichkeit finden. Der ziemlich umfassende Buchbestand (besonders im antiquarischen Bereich) von Anares Nord wird die Erstausstattung sein. Dabei macht jedoch bereits der Name deutlich, dass das Sortiment über das bisherige Anares-Spektrum hinausgeht. Neben neuen, antiquarischen und verlagsneuen, aber ermäßigten (Modernes Antiquariat) Titeln zu den Themen Sozialwissenschaften, Anti-Pädagogik, Philosophie, kritische Theorie, Geschichte und Politik, Sozialismus/ Anarchismus, Medien- und Kulturkritik, ausgewählter Belletristik und Literaturwissenschaften wird dort u.a. eine Abteilung Kinder- und Jugendbücher aufgebaut werden. Das spezielle an den „Anderen Seiten“ soll neben einem unverwechselbaren Flair auch im Regalaufbau liegen: wir haben vor, antiquarische wie neue Bücher nach Rubriken sortiert im selben Regal zu präsentieren, diese Bereiche also räumlich nicht zu trennen, was zumindest für den deutschen Buchmarkt ungewöhnlich ist. Damit möchten wir Menschen bei ihrer themenspezifischen Suche mehr Übersichtlichkeit bieten.
Wir hoffen auf zahlreiche Menschen, die auch aus anderen Regionen, z.B. in Verbindung mit einem Bremen-Besuch, bei uns vorbeischauen, zum stöbern oder auch zum Kaffeetrinken.
Wir freuen uns über Bücherspenden von Verlagen oder Einzelpersonen zu den angegebenen Themen für die Erweiterung unseres antiquarischen Angebotes!
III. Der Anares e.V.
Ermuntert von Menschen, die uns für den Fall eines Vereins regelmäßige Beiträge in Aussicht gestellt haben und diese zum Teil auch schon per Dauerauftrag überweisen, gehen wir derzeit vor allem die Einrichtung eines Vereins zur Förderung der Lesekultur an. Über diesen möchten wir u.a. die geplanten Veranstaltungen durchführen. Auch das Café wird Teil der Vereinstätigkeit sein. Insbesondere hoffen wir, über den Verein an Menschen heranzukommen, die uns regelmäßig unterstützen und uns damit auch einen planbaren monatlichen Etat ermöglichen. Ein Rechenexempel verdeutlicht die Vorteile des Vereins: schon 30 Fördermitglieder, die uns mit monatlich 50,- DM unterstützen (der reguläre Monatsbeitrag wird bei 10,- DM liegen) ermöglichen uns perspektivisch eine entspanntere Arbeit, da damit u.a. die Mietkosten abgedeckt werden könnten. Auch bezüglich Sachmittelspenden bietet ein Verein mehr Möglichkeiten, z.B. für Firmen und Institutionen, die uns mit Einrichtungsgegenständen für den Laden oder mit ermäßigten Druckkostenrechnungen unterstützen wollen. Menschen, die hierzu bereits Ideen haben, können sich mit uns in Verbindung setzen. Eine erste Reaktion zur Satzung vom zuständigen Amt war positiv, die leicht veränderte Satzung liegt jetzt jedoch noch bei der Bearbeiterin auf dem Schreibtisch…
IV. Der Anares Buchvertrieb
Es geht weiter mit Anares! Allerdings wird der bisherige Vertrieb nur ein Teil unserer künftigen Aktivitäten sein. In welchem Maße wir auch in Zukunft Buchkataloge herausgeben und verschicken oder gar mal wieder eigene Publikationen herausgeben können, hängt neben unseren zeitlichen Möglichkeiten vor allem davon ab, wie sich die finanzielle Situation entwickelt. Um unsere Situation in Griff zu bekommen, haben wir uns entschlossen, einen Kredit bei der GLS-Bank zu beantragen. Damit wollen wir den nach unserer Spenden-Akquise fehlenden Betrag für Vertrieb und Laden aufbringen. Abgesichert wird der Kredit mit Einzelbürgschaften, da wir keine banküblichen Sicherheiten bieten können bzw. unser Konzept auch nicht den erforderlichen voraussichtlichen Ertrag für ein Existenzgründungsdarlehen oder ähnliche Finanzierungshilfen bietet. Die GLS-Bank ist da flexibler. Dass es sich dabei um ein anthroposophisches Projekt handelt, müssen wir schlucken (haben deshalb auch lange gezögert, diesen Schritt zu gehen); doch wissen wir von anderen libertären Projekten, dass die GLS-Bank relativ kooperativ ist und auch keine inhaltlichen Forderungen an eine Darlehensvergabe koppelt. BürgInnen für den GLS-Kredit (in Höhen von 1000,- DM aufwärts, was nur dann in anteiliger Höhe fällig würde, wenn der Kredit sich nicht als komplett rückzahlungsfähig erweist) können sich gerne bei uns melden.
Neben den bisherigen gedruckten Katalogen wird Anares auch im Internet verstärkt präsent sein. Wir sind allerdings noch einige Zeit mit dem aufwendigen Datenbank-Aufbau beschäftigt, was wiederum Voraussetzung für eine Bestell- und Suchfunktion ist. Hilfe bei der Datenbank-Einrichtung ist gern gesehen!
V. Blick nach vorn
Das Verlegen von Büchern bezeichnete der Verleger Klaus Wagenbach einmal als „die schönste Art, Geld zu verlieren“. Wenn wir es auch aufgrund der finanziellen Dramatik nicht ganz so gelassen sehen können, so ist doch eindeutig, dass das Verlegen wie auch der Vertrieb von emanzipatorischen Medien in dieser gegenwärtigen Gesellschaft nichts sein kann, was profitorientiert läuft. Das heißt, dass es ein politischer Fehler ist, wenn in einem politischen Projekt ökonomische Faktoren nicht ausreichend realisiert und beachtet werden (was nicht als Plädoyer für eine Kommerzialisierung mißzuverstehen ist!). Für die Vergangenheit zahlen wir da Lehrgeld, zumal uns auch einige „anarchistische“ Projekte mit Summen von teils mehreren Tausend DM abgezogen haben. Aber damit ist klar, dass ein Projekt wie unseres nur so gut sein kann, wie das Umfeld. Denn wir werden auch weiterhin auf finanzielle wie organisatorische Unterstützung angewiesen sein. Bleibt diese aus, so bedeutet dies ein mangelndes Interesse, d,h, auch eine mangelnde politische Wichtigkeit unseres Anliegens, was dann darauf hinausläuft, dass wir unser Projekt dann einstellen müssten. Wobei wir versprechen, dass wir das dann lautstark tun würden, nicht sang- und klanglos wie viele andere linke/ libertäre Medienprojekte der letzten Jahre. Jedoch denken wir, dass unsere Chancen & Möglichkeiten mit Laden & Verein deutlich verbessert sind, vorausgesetzt, dass diese Struktur entsprechend angenommen wird.
Dabei wollen wir nicht verschweigen, dass der Rahmen, in dem wir uns bewegen, unseren Plänen & Hoffnungen nicht eben entgegenkommt. Denn der Niedergang selbstorganisierter Medien ist umfassend. Betroffen sind davon nicht nur Zeitungen & Zeitschriften, Buchverlage & Buchläden, sondern z.B. auch sich vielfach zunehmend anbiedernde, ehemals politische Radioprojekte; auch die Vergessenheit selbstbestimmter Bildungsarbeit, freier Volkshochschulen und Bildungsnetze ist ein Beleg für einen beinahe vollendeten Niedergang aufklärerischer Arbeit. Im Buchmarkt klagen inzwischen selbst große Verlage wie DTV über einen ökonomischen Transformationsprozess, der qualitative und inhaltliche Kriterien in den Hintergrund treten lässt – die Entwicklung ist nicht neu, verschärft sich aber zusehends. Mit unserem Buchcafé wollen wir einen Ansatz bieten, sich wieder in gesellschaftliche Prozesse einzumischen, emanzipatorische (Anti-)Politik gerade in diesen anti-aufklärerischen, restaurativen Zeiten wieder wahrnehmbar zu machen und Anstöße zur Vernetzung in unserem (medialen) Bereich bieten. Das ist ein schwieriges Unterfangen; wenn wir nur auf die Verkäuflichkeit unserer Titel schielen, haben wir schon verloren. Die Zukunft hängt deshalb von Euch ab – nutzt die Möglichkeiten!
Am 9. Dezember, findet in unseren Räumen ab Fünf vor Zwölf (11.55) ein SpenderInnen-Brunch statt, als Informations-Austausch für alle Menschen, die uns bisher unterstützt haben oder dies künftig tun wollen. Alle offenen Fragen können dann in Ruhe geklärt werden und Menschen, die uns bis dahin unterstützt haben, können dann sehen, was durch diese Unterstützung ermöglicht wurde. Wir hoffen auf zahlreiches Erscheinen, wobei eine vorherige Anmeldung sinnvoll ist, damit wir wissen, wieviele Menschen kommen.
Kontakt
Um Stress mit nachgesandten Sendungen, verlängerten Postlaufzeiten u.ä. zu vermeiden verwendet bitte ab sofort ausschließlich unsere neue Adresse:
Anares Buchvertrieb
Brunnenstr. 15/16
28203 Bremen (Laden)
Postfach 107510
28075 Bremen (Postadresse)
fon: [0179] 434 44 11
anares-nord@gmx.de
www.anares.org/nord/
Spenden
Sabine Helmbrecht
Konto Nr. 167 96 38
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