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Widerstand

Zigtausend AtomgegnerInnen demonstrierten gegen den Castor

| Claudius Voigt (GWR-MS), 25.03.2001

Der Castor ist da. Auch wenn er bei Redaktionsschluss dieser GWR noch nicht mal losgefahren ist, lässt sich diese Vermutung wohl auch unter strenger Berücksichtigung der journalistischen Sorgfaltspflicht und ohne seherische Fähigkeiten als Tatsache feststellen.

Schließlich hatten weder Polizei noch Widerstand je einen ernsthaften Zweifel daran, dass er durchkommen würde. Die einzig interessanten Fragen: Wie groß war der Widerstand, wie hart die Auseinandersetzung, wie teuer der Polizeieinsatz um diesen ersten KonsensCastor. Und: Wird es politisch, finanziell und technisch möglich sein, gegen wie viele Leute auch immer künftig zwei Transporte im Jahr ins Wendland zu karren?

Mit Blick auf die Auftaktkundgebung am 24. März in Lüneburg kann mensch zumindest verhalten optimistisch in die Zukunft schauen. Ob es nun über 17.000 Teilnehmerinnen waren, wie widerstandsoffizielle Publikationen verkünden, oder ein paar Leute weniger, ist dabei eher nebensächlich. Entscheidend ist, dass es viele waren. Denn das war nicht unbedingt zu erwarten: Das Wetter war äußerst bescheiden und die amtliche „Informationspolitik“ des Umweltministers – Gevatter Jürgens genialkohöllische Erfindung der guten und schlechten Castoren – hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. Selbst aus weiten Teilen der alternativen und bürgerlich-ökologischen Szenen erklang ein zerknittertes: „Schlimm, diese Castoren. Aber man muss seinen Müll doch schließlich auch zurücknehmen….“

Ein Glücksfall war insofern, dass die Polizei die Mobilisierung und Öffentlichkeitsarbeit für die Auftaktdemo (wie für den Widerstand überhaupt) in weiten Teilen der Region übernommen hatte – und so die überlastete Infrastruktur der verschiedenen Widerstandsgruppen entlastete: „Protest ja, Gewalt nein“, plakatierte sie fast flächendeckend. Und auch sonst waren sie sehr freundlich, die zahlreichen Beamtinnen und Beamten: Während der Stunkparade am Sonntag etwa „verteilten Einsatzkräfte der Polizei heißen Tee an die frierenden Teilnehmer. Der Großteil der Demonstrationsteilnehmer nahm den Tee dankbar an und war begeistert von dieser Geste“, freut sich die Pressestelle Polizei und BGS Lüneburg in einer Presseinformation.

Auf Begeisterung stießen auch die zwölf mobilen KonfliktmanagerInnen der Polizei – insbesondere bei den zahlreichen Fernsehteams, die viel Spaß daran hatten, gestellte Gespräche zwischen eben diesen KonfliktmanagerInnen und möglichst gefährlich und zottelig aussehenden Demo-TeilnehmerInnen zu filmen.

Natürlich sahen nicht alle gefährlich und zottelig aus. Im Gegenteil: Ein breites Spektrum von ChristInnen und KommunistInnen, Libertären, Gewaltfreien und Militanten, Autonomen und LandwirtInnen, Betonköpfen und Sanftmütigen war im Lüneburger Clamartpark anzutreffen – zweifellos eine herausragende Stärke des Wendländischen Widerstandes ist die Bündnisfähigkeit.

Das breite Spektrum spiegelte sich denn auch in den Redebeiträgen wider, die Ausdruck einer bunten, uneinheitlichen und konfliktfähigen Bewegung waren. Das ist eine Möglichkeit, das zu formulieren. Eine andere, vielleicht die treffendere, ist: Da war ganz gehörig der Spaltpilz zugange. Insbesondere die direkten und indirekten Angriffe eines autonomen Redners aus Berlin auf die Strategie der Gewaltfreiheit von x-tausendmal-quer war alles andere als hilfreich. Eine Debatte über Sinn und Unsinn verschiedener Formen des Widerstands und über das Thema Gewalt ist zweifellos sinnvoll und notwendig. Aber womöglich ist eine öffentliche Kundgebung während einer Auftaktdemonstration zwei Tage vor einem Castor-Transport ein denkbar ungeeigneter Rahmen, solche Fragen autonomer Befindlichkeit zu klären.

Bis auf weiteres wird denn wohl Jochen Stays (x-tausendmal-quer-Sprecher und Ex-GWR-Redakteur) Feststellung Gültigkeit behalten: „Die Leute haben sich auf diesen Transport intensiv vorbereitet und jedeR Einzelne weiß sehr genau für sich, wie weit er oder sie gehen will.“

Nach diesem Transport indes wird die Strategiedebatte wohl in der Tat aufbrechen.