Wie wir der Presse entnommen haben, haben AKW-GegnerInnen in der Nacht zum 18. Februar auf der Bahnstrecke Lüneburg – Dannenberg zwei etwa 2,50 Meter lange Gleisstücke herausgetrennt und als „X“ über das Gleisbett gelegt. Das „X“ ist ein oft verwendetes und inzwischen bekanntes Symbol für den Widerstand gegen Castor-Transporte und meint: „wir stellen uns quer, hier kommen sie nicht durch!“
Diese Aktion läßt sich einreihen in eine Mobilisierung, die sich gegen den für Ende März/Anfang April angekündigten Transport von 6 CASTOR-Behältern wendet und zum Ausdruck bringt, daß wir den Konsens-Vertrag zur künftigen Nutzung der Atomenergie zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen vom 6. Juni 2000 nicht als Einstieg in den Ausstieg aus der Atomenergie verstehen, sondern als Versuch, die Atomenergie fit zu machen für den liberalisierten Markt, als Bestrebung, die politischen, rechtlichen und ökonomischen Voraussetzungen für den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke und des gesamten Atomkomplexes zu schaffen.
Die Aktion weist auf eine wichtige Erfahrung der Anti-AKW-Bewegung hin: jahrzehntelange Bemühungen wissenschaftlicher, juristischer und politischer Art allein konnten bisher die Atomenergieproduktion nicht stoppen, und nur da, wo auch praktisch eingegriffen wurde, konnte politischer Druck erzeugt werden.
Daß sich die Aktion nicht gegen den Lok-Führer oder die Reisenden gerichtet hat oder sie gefährden sollte, belegen vielfältige Berichte im Fernsehen oder in verschiedenen Zeitungen: das „X“ war durch ein über das Gleis gespanntes Trassierband zu beiden Seiten etwa 500 Meter entfernt gesichert. Außerdem wurde durch einen Anruf mehrere Stunden vor dem ersten Zug auf die Aktion hingewiesen. Der Lok-Führer war also vorgewarnt, und zu keiner Zeit hat eine Gefahr für Personen bestanden.
Die Entrüstung der Protagonisten der Atomindustrie ist jetzt groß, und sie versuchen, diese Aktion zu nutzen, um sich den sogenannten friedlichen AKW- GegnerInnen anzubiedern, diese in ihre Politik zu integrieren, den systemoppositionellen linken Flügel zu kriminalisieren und abzuspalten.
So spricht Rezzo Schlauch, der Fraktionschef der Grünen-Bundestagsfraktion, von einem „hinterhältigen und kriminellen Anschlag, bei dem Menschen an Leib und Leben gefährdet worden sind“. Dies sei zutiefst zu verurteilen, sagte er der Berliner Tageszeitung BZ.
Rebecca Harms, die Grünen-Fraktionschefin im niedersächsischen Landtag, hält „solche Sachen für dumm. Ich glaube, daß das überhaupt nicht nützlich ist für das Anliegen der Anti-Atomkraft-Bewegung am Standort Gorleben.“ (taz) Und „ich warne alle davor, die so etwas betreiben wollen.“ (die Welt)
Aber von Rezzo Schlauch, Rebecca Harms oder Verbündeten lassen wir uns nicht sagen, wie wir uns zu verhalten haben. Ihre Appelle zu Gewaltfreiheit haben sich schon lange als Zynismus entlarvt: weil sie sie ausschließlich inszenieren, um leichter durchzukommen. Wir nehmen uns das Recht, unser Handeln selbst zu bestimmen. Davor haben sie Angst. Angst, daß sie den Rest ihrer politischen Glaubwürdigkeit verlieren und immer mehr Menschen sich ihnen gegenüber nicht mehr politisch loyal verhalten und eigene Vorstellungen von Legitimität und Widerstand entwickeln.
Gemeinsam und über die unterschiedlichen Vorstellungen von Politik und Aktionsformen hinaus wollen wir in diesem Sinne dafür sorgen, daß die CASTOR-Transporte nicht durchkommen.
Für die sofortige Stillegung aller Atomanlagen – weltweit!
Anmerkungen
Dieser Text wurde dem bundesweiten Delegiertentreffen gegen die Castortransporte in Lüneburg vorgestellt und diskutiert; eine große Mehrheit stimmte inhaltlich zu.