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Zeugma versenkt

| Hans Branscheidt (medico international) 31.7.2001, per E-Mail (redaktionell gekürzt)

Völlig unbeachtet vom Rest der Welt ist nun die antike Stadt Zeugma (Türkei) – mit ihr eine Menge Dörfer zwangsumgesiedelter Bewohner – in den Fluten eines Staudammes versunken. Weder die immense archäologische Bedeutung der Funde noch der unglaublich gute Erhaltungszustand konnten die türkische Regierung davon abhalten, wenigstens auch nur eine längere Bauverzögerung zu genehmigen, um die Rettung der wichtigsten Funde abzuschließen. Kaum irgendwo anders – von Pompeji und Herculaneum abgesehen – wurden so vollständige und unzerstörte Mosaike gefunden. Und der Erhaltungszustand des Stadtkomplexes ist erstaunlich. Hier hätte die Türkei die Chance gehabt, eine Pompeji fast ebenbürtige archäologische Attraktion einzurichten. Aber die Doktrin der Regierung war eine andere: Staudämme zur Stromerzeugung und eine großangelegte Flurbereinigung, der so oft beschworene „Fortschritt“, waren wichtiger als ein unwiederbringliches kulturelles Erbe. Das Fatale dabei ist, daß die über 2000 Jahren erhaltenen Ruinen und unversehrten Mosaike nicht etwa unter dem Stausee erhalten werden, sondern durch die Aufweichung des Bodens und den Druck der Wassermassen allmählich zerdrückt und dadurch unwiederbringlich zerstört werden.

Daß dabei Dörfer, hauptsächlich von Kurden bewohnt, versinken, ist der Regierung wohl sogar ganz recht. Und das Erstaunliche dabei ist, daß sich dies alles heute ganz in unserer Nähe abspielt, und der deutschen Presse das Ereignis – mit einer Ausnahme (*), soweit ich sehe – kaum eine Notiz wert war.

Deshalb muss ich auch auf eine italienische Seite verweisen: http://quotidiano.monrif.net/art/ 2000/06/22/1039799 bzw. eine (nicht aktuelle) amerikanische: http://www.arts.uwa.edu.au/ Classics/archeology/Z2.html

(*) siehe GEO 6/2001 (ausführliche Dokumentation)

Anmerkungen

Für Zeugma ist wohl nicht mehr viel zu machen. Im Oktober wird der
letzte Teil der Stadt versunken sein. Aber sicher ist, daß es nicht
das letzte kulturelle Erbe sein wird, das einem vermeintlichen Fortschritt
geopfert werden soll.