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Pow! Zowie! Kerrang!

Stewart Homes "blow job" ist nicht absurd genug, um wirklich gut zu sein

| Jan Dörner

Stewart Home: blow job. Edition Nautilus, Hamburg 2001, ISBN 3-89401-365-6, 222 Seiten, ca. 29,80 DM

Swift Nick Carter, ein stadtbekannter Londoner Anarchist und ehemals führender Kopf der Organisation Class Justice, wird verdächtigt, bei einer Kundgebung von Neonazis ein faschistisches Ehrenmal gesprengt zu haben. Doch der unschuldige Carter hatte sich in die Neonaziszene eingeschlichen und wußte deshalb um den von Nazis provozierten Anschlag, der den Haß in den rechten Reihen und den Medien gegen die Linken schüren sollte, und versuchte vergeblich, ihn zu verhindern. Nun hat die Polizei einen Staatsfeind, die bis dahin schwächelnde anarchistische Szene einen Helden und Trumpf im Kampf um Mitglieder gegen die trotzkistische Konkurrenz und der untergetauchte Nick Carter ein Problem.

Es beginnt ein wilder Kampf aller gegen alle: Wenn sie nicht nach Nick Carter jagen, bekriegen sich die obskursten Neonazigruppen untereinander, um als Vertreterin des einzigen nationalsozialistischen Weges zu gelten. Die Anarchisten liegen neben den Trotzkisten noch mit allen anderen existierenden Gruppen jeglicher Couleur im bewaffneten Clinch, der Anführer der Trotzkisten unterstützt die Suche der Polizei nach dem vermeintlichen Attentäter, bis er sich vom Kommunismus abwendet und eine Nazipartei gründet. Und dann sind da noch die Feministinnen der Church of Valerie Solanas, die getreu nach Solanas SCUM (Society Of Cutting Up Men)-Manifest alle Männer töten wollen, und die geheimnisvolle Industrial League scheint überall ihre bourgeoisen Finger im Spiel zu haben. Da mit allen Mitteln gekämpft wird – und hier bekommt der Buchtitel seinen Sinn, der sich nicht auf das in die Luft Jagen des faschistischen Ehrenmals bezieht – sind drei Jüngerinnen der Nazi-Sekte White Seed of Christ unterwegs, um Carters Samen für die weiße Rasse zu erhalten, denn obwohl sein Bewußtsein von liberaler Erziehung verzerrt wurde, ist nach der These des Anführers seine kostbare DNS die eines reinrassigen Ariers und deswegen erhaltenswert. Um den untergetauchten Carter zu finden, fellationieren die Jüngerinnen alle Londoner Anarchisten, damit diese ihnen den Weg zu Carter weisen. Soweit die Story.

Trotz seiner weitreichenden Kenntnisse von linker und rechter Theorie zeichnet Stewart Home keine Beschreibung der Fauna Anarchista Englands, sondern kreiert eine kuriose Story im Stile der Pulp Fiction Romane. Und dazu bedient er sich natürlich absichtlich aller gängigen Klischees: Anarchisten sind verwegene, gewaltbereite Frauenhelden, Nazis sind völlig durchgeknallte Größenwahnsinnige mit homosexuellen Neigungen und der ermittelnde Polizist hält sich für Englands besten Erpresser von Schuldgeständnissen. Und wie für das Genre üblich, ist alles mit kräftigen Prisen von Gewalt und Sex gewürzt. Und hier liegt – sozusagen – der Hase im Pfeffer, bzw. die Schwäche von Homes Erzählung. Denn sowohl die Beschreibungen von Ejakulationen als auch von Schlägereien verwundern eher, als daß sie die Handlung aufpeppen, spannender machen oder uns schocken oder fesseln. Dafür je ein Beispiel: „Er riß an Dave Browns Haaren und brachte ihn dazu, seine acht Zentimeter ganz in den Mund zu nehmen. Martin Smith fühlte Liebessaft in seinen Lenden kochen. Genetische Codes jagten über die muskuläre Struktur seines Körpers. Einmal mehr erhob sich die mächtige DNS aus den prähistorischen Sümpfen und übernahm die Kontrolle über ihre Nachgeborenen – die heutigen Menschen!“ und: „Die Massen hatten die Initiative übernommen, und um nicht den Kontakt mit dem Fußvolk zu verlieren, mußten die Anführer der Demonstration selbstverständlich ihre Polizeieskorte angreifen. POW! Nihilistische Fäuste und Stiefel trafen die Körper der Bullen. ZOWIE! Mehrere der Dreckskerle stolperten rückwärts und spien dabei Blut und das übliche Stück abgebrochenen Zahns aus. KERRANG! Die Polizisten wurden bewußtlos geschlagen.“ Homes Stilmittel, diese für das Buch essentiellen Vorgänge immer nahezu identisch zu beschreiben, ist eher langweilig als ein Running Gag. So springt die Handlung von Schauplatz zu Schauplatz und von Person zu Person – von denen die meisten im Laufe der Story sterben – , aber nach dem Zuschlagen des schnellgelesen Buches bleibt mensch unbefriedigt zurück. Die Situationskomik ist nicht grotesk und spritzig genug, und die Handlung ist zwar kurios, aber leider nicht ausreichend absurd und mitreißend, als daß „blow job“ ein wirklich fesselnder und guter Roman im Trash-Genre sein könnte. Pow, Zowie, Kerrang…