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Gimme sound!

Ein Schnelldurchlauf

| knobi

Jon Savage; England's Dreaming - Anarchie, Sex Pistols, Punk Rock, Edition Tiamat Berlin 2001 / 544 S. / geb. / 58 DM

Christian Graf; Punk-Lexikon, Lexikon-Imprint Verlag Berlin 2001 / 441 S. / 29.80 DM

Woody Guthrie; Dies Land ist mein Land. Autobiographie, Edition Nautilus, Hamburg 2001 / 446 S. / geb. / 49,80 DM

Günter Amendt; Back to the sixties - Bob Dylan zum Sechszigsten, Konkret Literatur Verlag Hamburg 2001 / 160 S. / 28 DM

Klaus Farin; Die Gothics - Interviews, Fotografien und Kirsten Wallraff; Weiss wie Schnee, Rot wie Blut und Schwarz wie Ebenholz. Verlag Thomas Tilsner Berlin - Bad Tölz 2001 / 216 S. / 28 DM

Peter Matzke/Tobias Seeliger; Gothic! Die Szene in Deutschland aus Sicht ihrer Macher. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag Berlin 2000 / 272 S. / 39,80 DM

Grufties gegen Rechts (Hg.): Die Geister, die ich rief... Selbstverlag Bremen 2000 / 82 S. / 5 D

Eigentlich war das ja nicht so meine Rubrik aber in den letzten Monaten häuften sich die Musikbücher bei mir, und da ist eine Menge interessanter Literatur dabei – selbst wenn mensch nicht unbedingt die selben Hörgewohnheiten hat.

Punk: Ein absolut spannendes und wirklich umfassendes Buch ist: Jon Savage; England’s Dreaming – Anarchie, Sex Pistols, Punk Rock (Edition Tiamat Berlin 2001). Wenngleich das ganze wenig mit Anarchie zu tun hat und die Punkbewegung vielleicht zu sehr auf die Sex Pistols bezogen wird (sie waren nicht die Besten, aber der Coup war gelungen), bietet das Buch doch einen grandiosen Einblick in die englische Subkultur der 70er Jahre, und dokumentiert somit die wohl erst einmal letzte Jugendrevolte.

Wer mal in einem Ferseh-Quiz mitmachen möchte und sich als Sachgebiet Punk aussucht braucht dieses Buch unbedingt: Christian Graf; Punk-Lexikon (Lexikon-Imprint Verlag Berlin 2001). Trotz der rund 800 Stichworte gibt der Autor selbst zu, keinen Anspruch auf Vollständigkeit abliefern zu können – warum auch. Das Lektorat könnte sich vielleicht etwas mehr Mühe geben, wenn aus Sham ’69 Sham ’96 wird oder aus Mojo Dixon Mojo Nixon. Außerdem wird Johnny Moped zwar als Kumpel von Captain Sensible aufgeführt, aber seine geniale Platte „Cycledelic“ leider mit keiner Zeile erwähnt. Ansonsten natürlich eine schöne Fleißarbeit.

Folk: Wieder lieferbar – vor allem in einer schönen Ausgabe – ist: Woody Guthrie; Dies Land ist mein Land. Autobiographie (Edition Nautilus, Hamburg 2001). Das Vorwort von Billy Bragg hätte mensch sich sparen können, und warum umherziehende Landarbeiter unbedingt „falsches Deutsch“ sprechen müssen um authentisch zu wirken weiß vermutlich nur der Übersetzer. Nichts desto trotz ist Woody Guthrie eine schillernde und vor allem prägende Figur – nicht nur für eine politische Folkmusic – sondern Wegbereiter für ganze Generationen von MusikerInnen. Außerdem bietet dieses Buch natürlich einen Einblick in die US-amerikanische Gesellschaft jenseits der Hollywoodmanipulationen.

Nicht (mehr) richtig passend hierzu ist Bob Dylan, der in diesem Jahr 60 Jahre alt wurde. Im Dunstkreis dieses Renteneintrittes blieb es natürlich nicht aus, daß Günter Amendt; Back to the sixties – Bob Dylan zum Sechszigsten (Konkret Literatur Verlag Hamburg 2001 / 160 S. / 28 DM) rausbringen mußte: zu dem Preis pure Abzockerei! Zumeist Plattenbesprechungen von Dylan-Platten seit 1978 (wo ich aufgehört habe Dylan zu hören).

Gothic: Auf die Farbe Schwarz können sie sich wohl einigen, ansonsten ist diese Jugendbewegung sehr vielfältig und wird mit Schlagworten wie Black Metal, Satanismus, Grufties, Schwarzromantiker, Dark Wave, Industrial und was-weiss-ich-nicht-alles belegt. Sie geben sich gern unpolitisch und wurden so ein gefundenes Fressen für Rechte, die den Kulturkampf proben, ohne daß den Gothics wohl bewußt ist, daß sie die ersten wären, die verschwinden würden, wenn diese Nationaltümelei irgendwie Oberhand bekommen würden.

Publizistisch ist Gothic momentan sehr gefragt. Ein authentisches Buch ist das Doppel-Buch: Klaus Farin; Die Gothics – Interviews, Fotografien und Kirsten Wallraff; Weiss wie Schnee, Rot wie Blut und Schwarz wie Ebenholz. Verlag Thomas Tilsner Berlin – Bad Tölz 2001. Kirsten Wallraff bietet Einblicke und Analysen einer Insiderin, da die Autorin sich seit 15 Jahren in dieser Szene bewegt. Klaus Farin interviewte Grufties aus Ost- und Westdeutschland.

Peter Matzke/Tobias Seeliger; Gothic! Die Szene in Deutschland aus Sicht ihrer Macher. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag Berlin 2000. Die Vielfalt dieser Szene kommt hier zu Wort, und die Herausgeber scheuen sich auch nicht den Rechten Vertretern Platz einzuräumen – das Demokratieverständnis in den neuen Bundesländern ist mitunter sehr umsatzträchtig. (Wahrscheinlich bin ich zu alt dafür, um tolerant zu sein). Genau aber diese Problematik, die der Rechten Unterwanderung, nimmt sich die Broschüre Die Geister, die ich rief… Selbstverlag Bremen 2000 an. Verantwortlich dafür ist die Gruppe Grufties gegen Rechts, den sich u.a. Gruppen wie die Einstürzenden Neubauten, Deine Lakaien, Goethes Erben, Das Ich u. a. angeschlossen haben.

Musik ist sicherlich keine Frage der Ideologie, aber Ideologien suchen sich ihren Soundtrack, und da sollte mensch schon mal gucken neben wen man/frau im Konzert da steht.