Heleno Sana: Die libertäre Revolution. Die Anarchisten im spanischen Bürgerkrieg, Edition Nautilus, Hamburg, September 2001, ISBN 3-89401-378-8, 320 S., 39,80 DM
Es sieht schön aus. Und auf das Buch „Die libertäre Revolution. Die Anarchisten im spanischen Bürgerkrieg“ des 1930 in Barcelona geborenen Heleno Saña wurde in libertären Zusammenhängen mit großer Spannung gewartet – ähnlich wie vor Jahren auf den ebenfalls bei Edition Nautilus erschienenen „Durruti“-Wälzer von Abel Paz. Erhofft wurde ein bewegendes Opus Magnum mit vielen neu recherchierten Informationen zur Spanischen Revolution, zu den Kämpfen um soziale Gerechtigkeit und Freiheit. Doch diese Erwartungen werden leider nur bedingt erfüllt.
Wie der Untertitel vermuten lässt, geht es Saña um „Die Anarchisten im spanischen Bürgerkrieg“. Die Anarchistinnen, die 1936 in Spanien nicht nur durch die libertäre Frauenorganisation Mujeres Libres eine bedeutende Rolle in der Sozialen Revolution spielten, kommen nur am Rande vor. Der Autor verströmt den Geruch eines selbstgerechten Machos und – da läuft es einem kalt den Rücken runter – eines „libertären“ Nationalisten:
„Bis hinein ins 15. Jahrhundert ist die Geschichte Spaniens im wesentlichen die Geschichte eines Volkes, das nichts anderes tut, als sich gegen die fremden Stämme zur Wehr zu setzen, die nach- oder nebeneinander in sein Territorium von überall her eindringen: Kelten, Phönizier, Karthager, Griechen, Römer, Germanen, Araber. Die bewaffnete Auseinandersetzung mit fremden Invasoren und Okkupanten prägte das Wesen des iberischen Menschen. Aus diesen defensiven Kriegen, die fast zwei Jahrtausende dauerten, entwickelte der Spanier seine Widerstandskraft, sein kämpferisches Temperament, seine Liebe zur Freiheit, seinen Individualismus, seinen Stolz, seinen Sinn für Gerechtigkeit, sein Ehrgefühl und – darf ich es sagen? – seine ‚Hidalguía‘ oder Edelmut, Eigenschaften, die Cervantes in seinem Helden Don Quichotte zusammenfassen wird. Während Cäsar Gallien in nur acht Jahren eroberte, brauchten die sieggewohnten Römer zwei Jahrhunderte, um die Hispanier zu unterwerfen. Der von Titus Livius geprägte Begriff vom ‚furor hispanicus‘ stammt aus dieser Zeit. Zweitausend Jahre später erfuhr Napoleon Bonaparte, wie schwierig es ist, den Widerstands- und Kampfgeist der Spanier zu brechen. Zurecht hat Angel Ganivet den Widerstandsgeist als die hervorstechendste Charaktereigenschaft der Spanier bezeichnet. Ähnlich charakterisierte der englische Historiker Christopher Dawson Spanien und England als ‚the two most independent Western Countries‘.“ (S. 35)
Eine solche undialektische Sichtweise bzw. Verklärung von Geschichte, die „Völkern“ bestimmte Eigenschaften zuschreibt, hinterlässt einen unangenehmen Beigeschmack, ebenso wie die Generalisierung „Das libertäre Bewusstsein des Iberers ist uralt und zeigt sich schon in Ansätzen in den Ursprüngen der spanischen Geschichte.“ (S. 34) Hier wird „der Spanier“ als eine Art „Superman-Anarchist“ herbeiphantasiert. Das hat mit realer Geschichte nur noch wenig zu tun.
Vielleicht waren die Erwartungen, die in das Buch gesteckt wurden, zu groß. Zwar gelingt es Saña aus libertärer Sicht die Geschichte der Spanischen Revolution gut lesbar zu skizzieren. In weiten Teilen kompetent beschreibt er die Geschehnisse, Organisationen, Hintergründe und Zusammenhänge des spanischen Bürgerkriegs. Wer sich noch nie mit diesem Thema beschäftigt hat und die erwähnten Ärgernisse ignoriert, wird dieses Werk vielleicht als Offenbarung empfinden. Wer aber die „Klassiker“ zur Spanischen Revolution von Enzensberger, Orwell, Augustin Souchy, Clara Thalman und Co. kennt, muss das Buch langweilig finden. Denn es ist vor allem eine Zusammenfassung bekannter Bücher. Die zahlreichen Zitate stammen überwiegend aus gut zugänglichen Quellen.