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Kandahar

Ein iranischer Film über die Frauenunterdrückung im Reich der Taliban

| Fang

Mohsen Makhmalbaf: Kandahar. Iran 2001. Mit Niloufar Pazira, Hassan Tantai

Ein beeindruckender und aktueller Film aus der iranischen Filmszene, die unter den Bedingungen des Exils und mit meist geringen Budgetmitteln hervorragende Werke hervorbringt. Regisseur Mohsen Makhmalbaf wollte wohl eine ignorante Welt zur Wahrnehmung der Frauenunterdrückung durch die Taliban aufrütteln, als er diesen Film drehte. Nun wird er ebenso sicher zur Legitimationspropaganda für den Krieg des Westens instrumentalisiert werden. Wenn der Film, der in Frankreich und England bereits gelaufen ist, dadurch auch den Weg in die deutschen Kinos findet, ist das nicht schlimm – denn Mohsens inhaltliche Aussage läßt sich nicht verbiegen, ist zeitlos gültig: mit dem Zwang zur Burka, der totalen Verschleierung, aus der heraus eine Frau die Welt wie aus einem permanenten Gefängnis betrachten muß, wenn sie den Fuß aus dem Haus setzen will, ist jede Grenze eines schützenden Sinns der islamischen Verschleierung überschritten. Das Leben der so permanent in ihrem Alltagsverhalten umständlich drangsalierten Frauen wird zur Qual. Es gibt eine Grenze für jeden Kulturrelativismus, und der heißt eindeutig festmachbare Herrschaft, eindeutig festmachbare Gewalt. Und die ist beim Zwang zur Burka gegeben, das ist das Thema und die Aussage des Films.

Verpackt ist das in eine Story, die weitaus mehr behandelt: eine afghanische Flüchtlingsfrau, die den Weg nach Kanada gefunden hatte, kehrt ins Land der Taliban zurück, weil ihre Schwester unter den Bedingungen der Frauendiskriminierung so leidet, dass sie nach Kanada schrieb, sie werde sich in der Nacht der totalen Sonnenfinsternis das Leben nehmen. Also will die Kanado-Afghanin nach Kandahar, um ihre Schwester vom Selbstmord abzuhalten und ihr neue Hoffnung zu geben. Der Film beschreibt den Weg nach Kandahar und bricht bei der Ankunft in der Stadt unvermittelt ab. Dennoch erfahren die ZuschauerInnen in eindringlichen Szenen etwas vom Leben unter den Taliban und den Folgen der permanenten Kriege in Afghanistan: thematisiert werden die Minenopfer und ihr jämmerliches, gleichzeitig unsolidarisches Betteln um künstliche Gliedmaßen bei internationalen Hilfsorganisationen; thematisiert werden islamistische Koranschulen und der Überlebenskampf eines von diesen Schulen geflogenen Jungen, der zum zeitweiligen Begleiter der schon halb verwestlichten Kanado-Afghanin wird; thematisiert wird interessanterweise auch der verloren gegangene Traum eines US-amerikanischen Black Muslim, der nach Afghanistan gegangen ist, um gegen die Sowjets zu kämpfen und nun desillusioniert ist – er hilft der Kanado-Afghanin durch die Fallstricke des Alltags im Taliban-Regime.

Wenn nach dem Einmarsch der Nordallianz – der in dieser Hinsicht übrigens nicht zu trauen ist – in Kabul Frauen vereinzelt ihre Burka abgelegt haben und sie wieder in die Schule und zur Arbeit dürfen, dann ist das für sie tatsächlich eine Befreiung aus einem Leben im Gefängnis ohne Gefängnismauern. Das ist nicht die Frage, die KriegsgegnerInnen berechtigterweise anzweifeln können. Die Frage ist, ob die wahrscheinlich Tausenden von Toten, darunter viele Unschuldige, die die mittlerweile siebenwöchigen Bombardements und der weitere Krieg in Afghanistan gekostet haben und kosten werden, gegen diese Form der gewaltsamen Befreiung – die auf unsicheren Füßen steht, was die Warlords der Nordallianz betrifft -, tatsächlich aufgewogen und ob sie dadurch gerechtfertigt werden kann. Das kann von KriegsgegnerInnen in Zweifel gezogen werden.