Graswurzelrevolution: Lieber Bernhard Nolz, was waren die spontanen Reaktionen der Zuhörerinnen und Zuhörer auf Ihre Rede?
Bernhard Nolz: Während und nach der Rede gab es Beifall. Besonders bei den Passagen meiner Rede, in denen ich mich gegen Krieg und Gewalt ausspreche.
GWR: Ich habe Ihren Redebeitrag (1) gelesen. Wenn ich an meine friedensbewegte Schulzeit Anfang der 80er Jahre zurückdenke, dann fällt mir ein, dass ihre Worte vom 18.9.2001 damals bei uns auf Zustimmung gestoßen wären. Die SchülerInnenvertretung Ihrer Schule hat sich aber (wie auch der Schuldirektor) von Ihrem Anti-Kriegs-Redebeitrag öffentlich distanziert. Gab es auch Solidarität von SchülerInnenseite?
Es gab z.B. den Leserbrief eines Schülervertreters der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule, der die Kritik nicht teilte und sich davon distanziert hat. In der Schule wurden für mich Unterschriften von Schülern gesammelt, was der Schulleiter dann unterbunden hat.
Ich habe inzwischen auf zwei Schülerdemonstrationen gegen den Krieg in Afghanistan geredet und viele Solidaritätsbriefe von Schülern erhalten.
Wie haben Ihre Kolleginnen und Kollegen und Ihr soziales Umfeld reagiert?
Die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen waren geschockt von der Reaktion der Bezirksregierung Arnsberg und haben sie als einen Einschüchterungsversuch für Lehrerinnen und Lehrer angesehen. Aber es hat auch Kritik an den Redeinhalten gegeben.
Mein soziales Umfeld, nah und fern, das ist die Friedensbewegung, von der ich massenweise Unterstützung erhalten habe. Ich hätte das alles nicht so gut durchstehen können ohne das MitarbeiterInnen-Team im Zentrum für Friedenskultur!
Wie beurteilen Sie den Einfluss von Politikern wie Paul Breuer bzw. den der Medienberichterstattung auf ihre Suspendierung?
Die Pressekampagne der Siegener Zeitung, die diffamierend war, und die Verleumdungskampagne von Paul Breuer und der Siegener CDU, kamen zusammen und damit war in der Öffentlichkeit ein „Feindbild Nolz“ erzeugt, durch das sich die Bezirksregierung möglicherweise zu ihrer unangemessenen Reaktion genötigt fühlte.
Hat sich die Medienberichterstattung nach dem von der ARD am 8. November ausgestrahlten solidarischen Monitor-Beitrag geändert?
Das Medieninteresse war auch schon vorher abgeebbt. Die Siegener Zeitung beispielsweise beendete plötzlich ihre Leserbrief-Veröffentlichung, als nur noch zustimmende Kommentare zu meiner Rede und Empörung über Paul Breuer die Zeitung erreichten.
Auch in anderen Städten sind LehrerInnen nach dem 11. September von der Schulaufsicht gemaßregelt worden, weil sie sich angeblich „anti-amerikanisch“ äußerten. Haben Sie Kontakt zu anderen Betroffenen? Gibt es eine gemeinsame Solidaritätskampagne gegen diese Maulkorbpolitik?
Die gemeinsame Solidarität wird, soweit es sich um GewerkschaftskollegInnen handelt, von der Hamburger Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) koordiniert.
Sie wurden vom Regierungspräsident Arnsberg zunächst mit drei Wochen Zwangsurlaub bestraft. Anschließend wurde die Suspendierung auf unbegrenzte Zeit verlängert. Das erinnert an die Berufsverbote, die es zur Zeit der „Terroristenhysterie“ in den 70er/80er Jahren gab. Eine vom Berufsverbot betroffene Lehrerin zog vor einigen Jahren vor Gericht und der Europäische Gerichtshof erklärte die deutsche Berufverbotspraxis für illegal. Gehen Sie juristisch gegen Ihre Suspendierung und die Rufmordkampagne vor? Wie ist der aktuelle Stand des Verfahrens?
Inzwischen darf ich wieder unterrichten. Seit dem 6. Dezember bin ich an die Gesamtschule Kierspe, 50 km von Siegen entfernt, zwangsweise abgeordnet bzw. soll dahin endgültig versetzt werden. Der Bezirkspersonalrat hat der Versetzung nicht zugestimmt und ich werde alle juristischen Mittel ausschöpfen gegen die Zwangsversetzung. Gegen Paul Breuer wurde Anzeige erstattet wegen Verleumdung.
Sie sind Geschäftsführer beim Siegener Zentrum für Friedenskultur (ZFK). Die örtliche CDU wirft Ihnen vor, das ZFK wolle „die Demokratie schwächen“ und pflege „ein Netzwerk von Gesinnungstätern, die in eine unheimliche Allianz mit den Terroristen“ gerate. Die Stadt müsse alle Verbindungen mit dem ZFK kappen. Wie wirkt sich diese Hetzkampagne der CDU auf die Arbeit des ZFK aus?
Die gravierendste Maßnahme war die Absage der Ausstellung „Gegen den Strom. Widerstand gegen den Nationalsozialismus“ im Rathausfoyer. Trotz einer vorherigen Zusage verweigerte die Stadt die Nutzung des Rathauses. Es gibt jetzt Anzeichen dafür, dass die Stadt sich besinnt und keine Ausgrenzung des ZFK mehr betreibt.
Wie können die Leserinnen und Leser der graswurzelrevolution Sie unterstützen?
Die Hetzkampagne der CDU hat dazu geführt, dass bereits bewilligte Mittel zurück gehalten werden. Das ZFK ist deshalb auf Spenden angewiesen, um die nächsten Monate zu überstehen. Der Trägerverein ist als gemeinnützig anerkannt. Konto: 2152056 bei der Sparkasse Siegen, BLZ 46050001
Herzlichen Dank und alles Gute!
(1) Der Redebeitrag von Bernhard Nolz ist im Internet zu finden unter:
www.labournet.de/solidaritaet/nolz.html
Anmerkungen
Das Interview wurde schriftlich geführt.
Weitere Informationen
Zentrum für Friedenskultur
www.zfk-siegen.de
Telefon: 0271/2382521
Fax: 0271/2382474
Links zum Thema:
Gesamtschule Siegen
www.gesamtschule-siegen.de
Paul Breuer
www.bundestag.de/info/mdb13/ mdb/B/breuepa0.html
Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft
www.gew-nw.de