Da wollen wir mal auf den Busch hauen – Redewendung von der Küste
Wir gehen wieder auf Reisen! Auf unsere mittlerweile legendäre Kommune-Infotour.
Wir: Das sind wieder 8-10 Menschen aus verschiedenen Kommunen und Gemeinschaften, um diese Lebensweise in die Welt hinauszutragen. Vor einem Jahr ging es nach Mitteldeutschland und Bayern, im Februar 2002 gastieren wir in Templin (3.2.), Greifswald (4.2.), Rostock (5.2.), Wismar (6.2.), Lübeck (8.2.), Kiel (9.2.) und Flensburg (10.2.). Ich hoffe, daß wir mit unseren Auftritten Interesse wecken und Anregungen geben können. Mich persönlich würde es freuen, wenn uns zu den oben genannten Fragen die Antworten abgenötigt würden. Denn mir persönlich liegt am Herzen, diese Lebensform, der ich mich nunmehr über 20 Jahre ausgeliefert habe und verpflichtet fühle, in die Diskussion zu stellen.
Dabei habe ich immer noch bei den Ostveranstaltungen Hemmungen, weil die meisten unserer Gäste in den letzten 40 Jahren eine andere Geschichte erlebt haben als ich. Es juckt mich in den Fingern: Nirgendwo anders in Deutschland ist es materiell so einfach eine Kommune zu starten. Hier gibt es unglaublich viele Immobilien, auf dem Lande wie in den Städten, die sich ausgesprochen gut für gemeinschaftliches Leben eignen. Es scheinen sich nur wenige Menschen zu diesem Schritt zu entschließen. Die Alternative im Osten kümmert vor sich hin.
In meiner Gegend hat jeder Fünfte keine Arbeit. Oder anders ausgedrückt: keine lohnabhängige Arbeit. Oder utopisch ausgedrückt: Jeder Fünfte kann seine ganze Kraft, seine Kreativität, seinen Elan nutzen, um etwas anders auf die Beine zu stellen. Wenn sich nur einige dieser Fünften zusammen tun, könnten sie eigenes gemeinschaftliches Leben entwickeln, könnten auf
Gutshöfen leben und ihre großen Gärten bestellen. Es ist wirklich eine Utopie. Aber manchmal denke ich, daß sie zum Greifen nahe liegt. Vielleicht gelingt es auf unserer Tour diesen Gedanken zu festigen und ihn wachsen zu lassen. „Alles muß klein beginnen!“ (übrigens ein sehr schönes Lied von dem Matador Gerhard Schöne)
Dieser Ansatz, eine Gemeinschaft zu gründen, nämlich um der Arbeitslosigkeit etwas sinnvolles entgegenzusetzen, ist zwar nicht gerade die politische Großtat. Ich habe indessen gelernt, daß es im Grunde genommen ziemlich gleichgültig ist, mit welchen Gründen Leute in die Kommunen gehen. Übrigens: die wenigsten haben politische Gründe. Aber wenn die Gemeinschaften sich so organisieren, daß sie eine Egalität erreichen, dann kann das Leben in der Gemeinschaft so förderlich wirken, daß Veränderung der persönlichen ansozialisierten Strukturen leichter stattfinden kann. Nicht zuletzt sind therapeutische Ansätze oft mit dem Gemeinschaftsgedanken verbunden. Ich denke hier an die Aas (anonyme Alkis), oder auch an die therapeutischen Kliniken, die Gemeinschaft als Heilungsprinzip entwickelt haben. Ich habe auch den Eindruck, daß die Probleme in egalitären Gemeinschaften allesamt ähnlich sind, gleichgültig welches politische oder spirituelle Outfit sie sich gegeben haben. Sie sind, wenn die Mitgliederinnen untereinander gleiche Rechte haben, Grund und Boden sozialisiert sind, in ihren Strukturen und in ihren Prägungen auf die Mitglieder sehr verwandt. Die Mitglieder in den Kommunen entwickeln eine ausgesprochene Individualität. Das liegt in erster Linie an dem inhaltlichen Fundament, daß die Einzelnen und die Entwicklung der Einzelnen wichtiger als die Gruppe sind. Ich gebe zu, daß mich das öfter genervt hat, zumal das auch therapeutisch in unseren Sitzungen oft gefordert wurde: Denke an Dich, sorge für Dich, liebe Dich! Die Hinwendung zur eigenen Person ist einerseits die Basis für Heilung, andererseits aber auch asozial, wenn nicht auch die Hinwendung zur Gemeinschaft, das „Wir“ ausgebildet wird.
Das sind Prozesse, die lange dauern und um so länger dauern, je unreflektierter sie verlaufen.
Über all diese Dinge, übrigens auch über ganz praktische Dinge wollen wir bei unserer Tour reden. Es sind Insider, Fachleute in vielen Bereichen, die Rede und Antwort stehen können.
In diesem Sinne, holt ji fuchti
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