Am 13. Februar 2002 wurde das Staatssicherheitsgericht im türkischen Izmir Szene der ersten Sitzung eines wichtigen Prozesses. Zum ersten Mal in der Geschichte dieses Landes wurden fünf Menschen wegen „Mitgliedschaft in einer anarchistischen Organisation“ angeklagt und ist „Anarchismus“ als Begriff in die Gerichtsdokumente eingegangen. Doch wichtig ist dieser Prozess, weil durch ihn die Einstellung des Türkischen Staates AnarchistInnen und Anarchismus gegenüber dargelegt werden wird.
In Folge der Sitzung wurde ein Angeklagter entlassen und die anderen vier Angeklagten zurück in Zweierzellen des Typ F Gefängnis in Izmir geschickt.
Die Vorgeschichte: Drei Personen werden nach der 1. Dezember-Demo der Gewerkschaften in Uşak festgenommen. Sie sollen Flugblätter verteilt haben, die mit „Anarchistische Autonome Uşak“ unterschrieben und mit „Nein dem Kapitalismus und dem Krieg“ betitelt sind. Sie werden mit zwei weiteren Personen, die im nachhinein festgenommen werden, mit der Beschuldigung der „Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation“ inhaftiert und am 3. Dezember in das Uşak-Gefängnis gebracht. Kurz vor dem Gerichtstermin wird eine Verlegung in die Typ-F-Isolationshaftanstalt Izmir und eine Entlassung nach dem Prozess erwartet. Denn aus juristischem Blickwinckel gesehen, liegt nicht einmal ein „Organisationsprogramm“ vor, geschweige denn eine Molotov-Aktion oder sonstige bewaffnete Aktivitäten. Da sind nur die unter Folter erzwungenen Geständnisse zu Flugis und Graffiti. Doch falls sie auf Basis des 7. Artikels des 3713. Gesetzes als „politische Bande“ verurteilt werden, erwartet sie eine Strafe von je drei Jahren und neun Monaten.
Die nächste Prozessitzung wird am 3. April 2002 stattfinden. Wir hoffen, dass – während diese Zeilen gelesen werden -, die Inhaftierten ihre offensichtliche Gefangenschaft „drinnen“ hinter sich gebracht haben und „draussen“ unsere Illusion in Freiheit zu leben teilen werden.