bücher

Globalisierung des Terrors

Der 11.9. und der "Krieg gegen das Böse"

| Bernd Drücke

PROKLA 125, Dezember 2001, 168 Seiten, Preis: € 10,50, ISBN 3-89691-325-5.

„Gewalt wird nicht einfach ’spontan‘ geübt mit rätselhaftem Ursprung. Gewalt hat vielmehr eine kürzere oder längere Vorgeschichte.“ (Wolf-Dieter Narr, S. 493)

Alternativzeitschriften haben oft nur kleine Auflagen. Dass das aber nicht unbedingt mit der Qualität dieser Medien zu tun haben muss, zeigt auch die mit einer Auflage von 1.200 Exemplaren erscheinende Vierteljahresschrift PROKLA. Diese „Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft“ (Untertitel) erscheint seit 1971 und wird herausgegeben von der Vereinigung zur Kritik der politischen Ökonomie e.V., die jährlich in ihrer Vollversammlung die Redaktion wählt. PROKLA bearbeitet Themen aus den Bereichen der Politik, Politischen Ökonomie, Soziologie und Sozialgeschichte. Gesellschaftliche Machtverhältnisse, Polarisierungen im internationalen System, das gesellschaftliche Naturverhältnis und die Transformation der osteuropäischen Gesellschaften stehen dabei im Zentrum.

Die neueste Ausgabe widmet sich dem Schwerpunkt „Globalisierung des Terrors“ (siehe Abb.). Hier wird auf hohem Niveau der Themenbereich Gewalt, Globalisierung, Terror und die weltpolitische Situation seit dem 11. September analysiert.

„Indem die Attentate (..) einem von außen kommenden Bösen zugerechnet werden, erscheint die eigene Gesellschaft als gut und im Grunde gewaltfrei: Gewalttätig ist der Angreifer, die eigene Gewalt ist nur die legitime Abwehr der ‚freien Welt‘. Die Gewalt eigener Staatlichkeit (…) wird damit erfolgreich ausgeblendet.“ (Editorial, S. 489)

Herausragend ist u.a. der Artikel „Das nicht so neue Tandem: Gewalt und Globalisierung“ des Komitee für Grundrechte und Demokratie-Aktivisten Wolf-Dieter Narr:

„Gerade weil die Gewaltakte vom 11. September von symbolischer Bedeutung so überladen sind, die sich von ihren ‚realen‘ Effekten nicht säuberlich scheiden läst, gerade darum bewirken sie keine Denkpause, die angemessenes Reagieren wahrscheinlicher gemacht hätte. Sie öffneten die Augen nicht. Sie erzeugten blinde Reaktionen jedenfalls dort, wo die herrschende, amerikanisch gekrönte symbolische Gewalt am stärksten ihrerseits symbolisch getroffen scheint.“ (Wolf-Dieter Narr, S. 491)

Mit Gewinn liest sich auch der Beitrag „‚Neue Weltordnung‘: Nach dem 11. September bleibt vieles, wie es war“ von Brigitte Young und Simon Hegelich.

Iris Bünger vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung liefert mit ihrem „Apocalypse Now?“-Text eine kritische Diskursanalyse der Berichterstattung der BILD-Zeitung vom 12.9. bis zum 7.11.2001. Hier hätte ich mir eine antimilitaristische Positionierung der Autorin gewünscht. Sie erwähnt zwar kurz den Fall Wickert. Dass es sich bei der BILD-Kampagne gegen den Tagesthemenmoderator aber um eine klassische Schmutzkampagne zur Eliminierung kritischen Denkens aus den Medien gehandelt hat (siehe: „Zyklus der Dummheit“, in: GWR 266, S. 12), das geht aus ihrer in diesem Fall etwas zu vorsichtigen Analyse nicht hervor.

Joachim Hirschs „Globalisierung und Terror“-Artikel bringt die aktuelle Situation auf den Punkt:

„Es gehört zu den Ironien der aktuellen Entwicklung, dass die staatlichen Reaktionen auf den Terror genau das bewirken, worauf dieser abzielt. Die angeblich zu verteidigende ‚westliche Zivilisation‘ zeigt dabei ihr nicht eben angenehmes Gesicht. Gegen Attentäter (…) wird das wenig nützen, wohl aber eben zur Unterdrückung demokratischer und sozialer Bewegungen. Schwierige Zeiten also, die einiges an nüchternem Kalkül, politischer Einsicht, Augenmaß und vor allem viel praktisches Engagement erfordern. Auch wenn die ‚Zivilisierung‘ des Kapitalismus, wie die jüngsten Entwicklungen einmal wieder lehren, letztlich eine Illusion bleiben muss.“ (S. 521)

Es ist zu hoffen, dass dieses Heft zur Politisierung nicht nur sozialwissenschaftlicher Kreise beitragen kann. In Zeiten, in denen staatskritische, antimilitaristische LehrerInnen und WissenschaftlerInnen mit ihrer Suspendierung rechnen müssen (siehe: „Maulkorb gegen Antimilitaristen“, GWR 265, S. 1, 3), ist es ein Hoffnungsschimmer, wenn Zeitschriften wie die PROKLA mit klaren Analysen Licht werfen in die durch Kapitalismus, Militarismus und Bellizismus verdunkelte Welt.

Kontakt

PROKLA-Redaktion
Postfach 10529
10565 Berlin
Tel.: 030/3956622
prokla@zedat.fu-berlin.de
www.prokla.de