„Schöne Grüße aus dem Herzen der Bestie. Wir müssen hier in einem Meer von Fahnen und Hymnen jeden Tag den gleichen Scheiß im TV ansehen. Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen – nicht dass das nötig wäre – die Wahrheit interessiert hier keinen. Kabul ist frei – im Fernsehen sieht man Männer, die Pornos und Sat-Schüsseln kaufen. Halleluja! (…)“
Das schrieb mir ein in die USA emigrierter Freund im Dezember 2001.
Unmittelbar nach den Terroranschlägen in New York und Washington am 11. September 2001 begann die US-Regierung ihren „Krieg gegen den Terror“ zu propagieren. Und wer Krieg führen will, den stören antimilitaristische und pazifistische Stimmen. Das gilt erst recht, wenn sie in Form von kritischen Popsongs über den Äther Millionen Menschen erreichen und die patriotische Stimmung der Bevölkerungsmehrheit beeinträchtigen könnten. Am 29. September 2001 berichtete die Berliner tageszeitung, dass bei US-Radiosendern eine Liste mit Songs kursiert, die „man nicht spielt“.
Während die Bush-Krieger gerade den Krieg gegen Afghanistan organisierten, wurde diese Liste mit 150 als unpassend empfundenen Titeln (1) öffentlich. Weil die Lieder als Anspielung auf die Attentate von New York und Washington verstanden werden könnten, werden sie vom National Public Radio und vielen privaten Anbietern nicht mehr gesendet.
Laut taz sind US-amerikanische Radiostationen schnell bei der Hand, Songs mit „expliziter Lyrik“, also mit subversivem oder provokantem Inhalt, aus ihren Programmen zu verbannen.
Ironie der Geschichte: Während in Deutschland die „Imagine“-Melodie – verkauft von Lennon-Witwe Yoko Ono – als Untermalung für einen RWE-Fernsehwerbeclip missbraucht wird, steht das Original in den USA auf dem Index. John Lennons ‚Imagine’ ist dort „kein angemessenes Lied zur Stunde“(taz). Aus US-Regierungsperspektive zersetzen auch versöhnliche Klänge – von Simon and Garfunkels „Bridge Over Troubled Waters“ bis zu Nenas „99 Red Balloons“ – die Wehrkraft der Bevölkerung.
„Cat Stevens gar sollte komplett zensiert werden, weil er zum Islam konvertiert ist und sich auch so nennt: Yussuf Islam.“ (taz)
Inzwischen haben einige KünstlerInnen den Zensoren in die Suppe gespuckt. Auf der offiziellen Benefizgala zugunsten der Opfer der Terroranschläge in Washington und New York und ihrer Angehörigen spielte Paul Simon das beanstandete „Bridge Over Troubled Waters“. Und „Imagine“, das inkriminierte Lied des im Dezember 1980 erschossenen Lennon, wurde von Folkrocker Neil Young gesungen.
Subversiver und schädlicher für die nationalistische Moral dürfte allerdings die „Imagine“-Version von Khaled und Noa klingen.
Der algerische Sänger und Akkordeonspieler Khaled ist in den 90er Jahren durch den Hit „Aicha“ weltberühmt geworden. Er gilt als „König des Rai“ und als Integrationsfigur der nordafrikanischen Popmusik. Khaled ist ein spielfreudiger Wanderer zwischen den Musikkulturen des Morgen- und Abendlandes und vereint Soul, Reggae, Flamenco, Chanson, House, Gnawa-, Trance- und Technomusik, maghribinische Hochzeitsklänge u.v.m. Seine musikalischen Einflüsse beschreibt er in einem Interview folgendermassen: „Als ich in Oran aufwuchs, hörte ich Flamenco und andalusische Musik, französische Chansons von Edith Piaf oder Johnny Halliday, aber auch Elvis Presley – bei uns gab es alles zu hören. Später kamen Bob Marley und andere dazu. Ich liebe Jazz und Blues und mag auch Rap, wenn er nicht zu hart ist. Mir gefällt grundsätzlich keine Musik, die andere zum Hass oder zum Rassismus anstachelt. (…) Meine Musik soll die Gemüter besänftigen.“
„Durch seine freizügigen, für streng Religiöse unmoralischen Texte hat sich das Jugendidol den Zorn der Fanatiker zugezogen“, so die Nürnberger Nachrichten am 19. Juli 2000.
Als Jean Jacques Goldmann, ein Jude, für Khaled „Aicha“ geschrieben hatte, brachte Khaled das den Hass islamistischer Eiferer ein. Er hat sich aber dadurch nicht einschüchtern lassen. Das zeigt z.B. sein 1999 erschienenes Album „kenza“.
Die populäre israelische Sängerin Noa aus Tel Aviv und der in Paris lebende Khaled haben auf „kenza“ mit ihrer gemeinsamen „Imagine“-Version – auf Hebräisch, Arabisch und Englisch – einen Beitrag zur Versöhnung geleistet, der vielleicht wirksamer sein könnte als viele Appelle zur friedlichen Beilegung nicht zuletzt des Israel-Palästina-Konfliktes.
Damyen olam blee pachad…
Imagine
Damyen olam blee pachad
Olam lelo sinaa
Shebo Nichye beyachad
Olam shel ahava
Nivneh atid lishneynu
Be oto makom
Hadi Kouroune Ouaâouame
Tethakak Koul el Ahlame
Rani retmena el youme
Esselm fi hedel kaone
Oumâ mourour el Ayyeme
Esselm fi koul emkane
You may say I’m a dreamer
But I’m not the only one
I hope someday you’ll join us
And the world will be as one
Imagine there’s no countries
It isn’t hard to do
Nothing to kill or die for
And no religion too
Imagine all the people
Living life in peace
You may say I’m a dreamer
But I’m not the only one
I hope someday you’ll join us
And the world will be as one
Stell dir vor….
Stell dir vor es gibt kein Himmelreich,
es ist leicht das zu versuchen, keine Hölle unter uns,
über uns nur Himmel.
Stell dir vor alle Menschen
leben für das „heute“.
Stell dir vor es gibt keine Länder, es ist nicht schwer es zu tun,
nichts wofür man morden oder sterben müßte
und auch keine Religion.
Stell dir vor alle Menschen
leben in Frieden.
Du wirst vielleicht sagen,
ich bin ein Träumer,
aber ich bin nicht der Einzige.
Ich hoffe du wirst dich uns eines Tages anschließen,
und die Welt wird eins sein.
Stell dir vor, es gibt keinen Besitz,
ich frag mich ob du das kannst,
kein Grund für Gier oder Hunger,
alle Menschen wären Geschwister.
Stell dir vor, alle Menschen
teilen sich die Welt.
Du wirst vielleicht sagen,
ich bin ein Träumer
aber ich bin nicht der Einzige.
Ich hoffe, du wirst dich uns eines Tages anschließen,
und die Welt wird eins sein.
(1) Die inkriminierten Titel (Quelle: taz vom 26.9.01):
Drowning Pool: Bodies
Mudvayne: Death Blooms
Megadeth: Dread and the Fugitive
Megadeth: Sweating Bullets
Saliva: Click Click Boom
P.O.D.: Boom
Metallica: Seek and Destroy
Metallica: Harvester or Sorrow
Metallica: Enter Sandman
Metallica: Fade to Black
Alles von Rage Against The Machine
Nine Inch Nails: Head Like a Hole
Godsmack: Bad Religion
Tool: Intolerance
Soundgarden: Blow Up the Outside World
AC/DC: Shot Down in Flames
AC/DC: Shoot to Thrill
AC/DC: Dirty Deeds
AC/DC: Highway to Hell
AC/DC: Safe in New York City
AC/DC: TNT
AC/DC: Hells Bells
Black Sabbath: War Pigs
Black Sabbath: Sabbath Bloody Sabbath
Black Sabbath: Suicide Solution
Dio: Holy Diver
Steve Miller: Jet Airliner
Van Halen: Jump
Queen: Another One Bites the Dust
Queen: Killer Queen
Pat Benatar: Hit Me with Your Best Shot
Pat Benatar: Love is a Battlefield
Oingo Boingo: Dead Mans Party
REM: Its the End of the World as We Know It
Talking Heads: Burning Down the House
Judas Priest: Some Heads Are Gonna Roll
Pink Floyd: Run Like Hell
Pink Floyd: Mother
Savage Garden: Crash and Burn
Dave Matthews Band: Crash Into Me
Bangles: Walk Like an Egyptian
Pretenders: My City Was Gone
Alanis Morissette: Ironic
Barenaked Ladies: Falling for the First Time
Fuel: Bad Day
John Parr: St. Elmos Fire
Peter Gabriel: When You’re Falling
Kansas: Dust in the Wind
Led Zeppelin: Stairway to Heaven
The Beatles: A Day in the Life
The Beatles: Lucy in the Sky with Diamonds
The Beatles: Ticket To Ride
The Beatles: Obla Di, Obla Da
Bob Dylan/Guns N Roses: Knockin on Heavens Door
Arthur Brown: Fire
Blue Oyster Cult: Burnin For You
Paul McCartney and Wings: Live and Let Die
Jimmy Hendrix: Hey Joe
Jackson Brown: Doctor My Eyes
John Mellencamp: Crumbling Down
John Mellencamp: I’m On Fire
U2: Sunday Bloody Sunday
Boston: Smokin
Billy Joel: Only the Good Die Young
Barry McGuire: Eve of Destruction
Steam: Na Na Na Na Hey Hey
Drifters: On Broadway
Shelly Fabares: Johnny Angel
Los Bravos: Black is Black
Peter and Gordon: I Go To Pieces
Peter and Gordon: A World Without Love
Elvis: (Youre the) Devil in Disguise
Zombies: Shes Not There
Elton John: Benny & The Jets
Elton John: Daniel
Elton John: Rocket Man
Jerry Lee Lewis: Great Balls of Fire
Santana: Evil Ways
Louis Armstrong: What A Wonderful World
Youngbloods: Get Together
Ad Libs: The Boy from New York City
Peter Paul and Mary: Blowin in the Wind
Peter Paul and Mary: Leavin on a Jet Plane
Rolling Stones: Ruby Tuesday
Simon And Garfunkel: Bridge Over Troubled Water
Happenings: See You in September
Carole King: I Feel the Earth Move
Zager and Evans: In the Year 2525
Norman Greenbaum: Spirit in the Sky
Brooklyn Bridge: Worst That Could Happen
Three Degrees: When Will I See You Again
Cat Stevens: Peace Train
Cat Stevens: Morning Has Broken
Jan and Dean: Dead Mans Curve
Martha & the Vandellas: Nowhere to Run
Martha and the Vandellas/Van Halen: Dancing in the Streets
Hollies: He Aint Heavy, Hes My Brother
Herman Hermits: Wonder World
Petula Clark: A Sign of the Times
Don McLean: American Pie
J. Frank Wilson: Last Kiss
Buddy Holly and the Crickets: Thatll Be the Day
John Lennon: Imagine
Bobby Darin: Mack the Knife
The Clash: Rock the Casbah
Surfaris: Wipeout
Blood Sweat and Tears: And When I Die
Dave Clark Five: Night Chicago Died
Frank Sinatra: New York, New York
Creedence Clearwater Revival: Travelin Band
The Gap Band: You Dropped a Bomb On Me
Alien Ant Farm: Smooth Criminal
3 Doors Down: Duck and Run
The Doors: The End
Third Eye Blind: Jumper
Neil Diamond: America
Lenny Kravitz: Fly Away
Tom Petty: Free Fallin
Bruce Springsteen: I’m On Fire
Bruce Springsteen: Goin Down
Phil Collins: In the Air Tonight
Alice in Chains: Rooster
Alice in Chains: Sea of Sorrow
Alice in Chains: Down in a Hole
Alice in Chains: Them Bone
Beastie Boys: Sure Shot
Beastie Boys: Sabotage
The Cult: Fire Woman
Everclear: Santa Monica
Filter: Hey Man, Nice Shot
Foo Fighters: Learn to Fly
Korn: Falling Away From Me
Red Hot Chili Peppers: Aeroplane
Red Hot Chili Peppers: Under the Bridge
Smashing Pumpkins: Bullet With Butterfly Wings
System of a Down: Chop Suey!
Skeeter Davis: End of the World
Rickey Nelson: Travelin Man
Chi-Lites: Have You Seen Her
Animals: We Gotta Get Out of This Place
Fontella Bass: Rescue Me
Mitch Ryder and the Detroit Wheels: Devil with the Blue Dress
James Taylor: Fire and Rain
Edwin Starr/Bruce Springsteen: War
Lynyrd Skynyrd: Tuesdays Gone
Limp Bizkit: Break Stuff
Green Day: Brain Stew
Temple of the Dog: Say Hello to Heaven
Sugar Ray: Fly
Local H: Bound for the Floor
Slipknot: Left Behind, Wait and Bleed
Bush: Speed Kills
311: Down
Stone Temple Pilots: Big Bang Baby
Soundgarden: Fell on Black Days
Soundgarden: Black Hole Sun
Nena: 99 Luftballons
CD
Imagine featuring Noa, auf der CD: Khaled: kenza, Paris 1999
Khaled-Konzerttermine
26.6.02, 19.30 Uhr München, Tollwoodfestival
27.6.02, 21 Uhr Darmstadt, Centralstadion
13.7.02, 20 Uhr Lugano