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Widerstand erzwingt Castor-Pause

Sofortiger Einlagerungsstopp für Ahaus!

| Matthias Eickhoff

Beim Blättern durch die Zeitungen reibt man sich verwundert die Augen: Derzeit überbieten sich die rot-grünen Minister in Düsseldorf mit ablehnenden Äußerungen zu den geplanten Castor-Transporten von Dresden-Rossendorf nach Ahaus.

Der Innenminister spricht von „neun Wochen Ausnahmezustand“, der Bauminister gar von „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“. Die Kosten werden bereits auf 50 Mio. Euro hochgeschraubt und Ministerpräsident Steinbrück fordert ein „Machtwort“ vom Kanzler.

Man könnte den Eindruck gewinnen, in Düsseldorf habe sich eine Initiative „Minister gegen Atomtransporte“ gebildet. Doch der Eindruck täuscht. Im Vorfeld der Transporte waren es ausgerechnet Teile der NRW-Landesregierung, die einen raschen Transporttermin gefordert hatten, damit der Wirbel bis zu den anstehenden Kommunal- und Landtagswahlen vergessen ist. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen.

Die Landesregierung in Düsseldorf macht ihren Protest vor allem an den enormen Kosten für die polizeiliche Sicherung der 9-18 Atomtransporte fest. Das kann sich schnell als fatal erweisen. Denn wenn es am Ende nur einen großen Straßentransport (oder eventuell doch einen Schienentransport) gibt, wird man uns vorrechnen, wieviele Steuermillionen durch die „konsequenten Proteste“ aus Düsseldorf gespart wurden. Deshalb begrüßen die Anti-Atom-Initiativen zwar den plötzlichen Sinneswandel der NRW-Regierung, sehen deren Kritik aber als äußerst zweischneidig.

Eine sachlich fundierte Kritik an den geplanten Atomtransporten setzt bei den unsicheren Behältertypen MTR-2 an, die innen und außen vom Rost bedroht sind und nicht für 40 Jahre zur Lagerung geeignet sind. Sie geht mit der Leichtbauweise der Halle in Ahaus weiter. Eine Sicherung gegen Flugzeugabstürze besteht nicht. Trittin und das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) behaupten nun, dass bei dem gezielten Absturz eines großen Verkehrsflugzeuges zwar die Halle einstürzt, die Behälter aber wie eine Eins auf der Wiese stehen bleiben. So werden gravierende Sicherheitsprobleme einfach vom Tisch gefegt. Wir erleben wieder einmal rot-grüne Atompolitik pur. Die Anti-Atom-Initiativen bezeichneten deshalb Trittin kürzlich in einem Offenen Brief als „Motor für die von CDU/CSU/FDP betriebene Renaissance der Atomenergie“.

Im Übrigen sollen die jetzigen Transporte nur als Türöffner für den Atommüll aus dem Forschungsreaktor FRM II in Garching bei München dienen. Das hochangereicherte Uran ist direkt waffentauglich. Ahaus würde dann zu einem militärischen Hochsicherheitsbereich ausgebaut. Ab 2008 soll der Rücktransport des nicht-wärmeentwickelnden Atommülls aus La Hague beginnen.

Ahaus ist für die Bundesregierung und für die Atomindustrie von strategischer Bedeutung.

Die Anti-Atom-Initiativen setzen dem die Forderung nach einem sofortigen und endgültigen Einlagerungsstopp für Ahaus entgegen. Damit hat die Auseinandersetzung um die Castor-Transporte aus Dresden eine grundsätzliche Bedeutung erlangt. Gelingt es, die Transporte nach Ahaus jetzt zu verhindern, gerät die zentrale Zwischenlagerung für Atommüll völlig ins Wanken.

Denn: Das Zwischenlager Gorleben ist baugleich. Ist Ahaus untauglich, ist auch Gorleben untauglich und umgekehrt. Jeder Protest in Ahaus bringt auch Gorleben stärker an den Rand des Scheiterns. Während Trittin für Rossendorf vehement eine Absicherung gegen Flugzeugabstürze fordert, will er dies den Wendländern und Münsterländern nicht gewähren. Das bringt viele Menschen auf die Palme. So stehen die Voraussetzungen, in Ahaus erfolgreich die Transporte zu verhindern, nicht schlecht.

Eigentlich sollten die Castoren bereits im Januar rollen, dann im März. Doch der rasch stärker werdende Widerstand im Münsterland und in Sachsen hat die Innenminister überrascht. Nun wird über Mai als Transportzeitraum spekuliert. Ob dies realistisch ist, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.

Die Anti-Atom-Initiativen im Münsterland und in Dresden treiben im engen Schulterschluss die Proteste voran. Der bundesweite Autobahn-Aktionstag am 28. Februar bewies die Aktionsfähigkeit der Initiativen. Bei rund 35 Aktionen demonstrierten mehrere Hundert Menschen entlang und auf den Autobahnen. In Ahaus wurden z. B. zwei Autobahn-Abfahrten blockiert.

Vom 12.-14. März gab es direkt am Zwischenlager in Ahaus ein erstes Camp. Dabei wurde die Infrastruktur der BI-Wiese für größere Camps ausgebaut. Denn über den 1. Mai wird es ein großes Widerstandswochenende in Ahaus geben (s. Termine).

Am 21. März wird in Ahaus und Dresden parallel demonstriert. Erwartet werden die größten Sonntagsspaziergänge seit 1998 mit zahlreichen Traktoren. Immer mehr Menschen haben die Nase voll von den nicht eingehaltenen Ausstiegsversprechen der rot-grünen Bundes- wie Landesregierung. Neue Gruppen bilden sich und immer mehr Initiativen klinken sich in den Widerstand ein. In Ahaus erreicht das Bündnis langsam die Spannbreite von 1998. Das Frühjahr verspricht ein heißer Castor-Frühling zu werden.

Im Mittelpunkt dürfte dabei die gescheiterte Entsorgung für Atommüll schlechthin stehen. Ob zentral oder dezentral, Atommüll lässt sich nicht „geordnet beseitigen“ (Jürgen Trittin). Durch planlosen Atommülltourismus wird der hochradioaktive Müll quer durch die Republik gefahren. Noch immer rollen Castoren in die Plutoniumfabriken nach La Hague und Sellafield. Damit wird der Bevölkerung Sand in die Augen gestreut. Vielen AktivistInnen ist dies seit langem klar. Einem Großteil der Bevölkerung wird erst jetzt durch die lebensgefährdenden Autobahn-Castoren deutlich, wieviel Pfusch bei der Atommüll-Entsorgung am Werke ist. Diese Chance muss die Anti-Atom-Bewegung nutzen.

Bei alledem sollten einige Dinge nicht aus dem Auge verloren werden. Wenn sich die Anti-Atom-Bewegung jetzt nicht in die Debatte um die Stilllegung von Atomkraftwerken einbringt, lässt sie eine weitere Chance ungenutzt verstreichen, die Atomdebatte neu zu eröffnen. Ähnliches erleben wir in Gronau. Aufgeschreckt durch die Proteste im benachbarten Ahaus ist die Angst vor Protesten gegen die Gronauer Urananreicherungsanlage (UAA) bei der NRW-Landesregierung groß. Denn hier wird noch deutlicher, dass die „Ausstiegsregierung“ in Wirklichkeit die Atomenergie nach Kräften fördert.

Oft wurden Proteste in Gronau angekündigt, geschehen ist aus unterschiedlichsten Gründen recht wenig. Soll die Stilllegung der UAA Realität werden, sind kreative Aktionen und viel Ausdauer angesagt. Zahllose Urantransporte über Straße und Schiene bieten reichlich Möglichkeiten, die Bevölkerung mit den Gefahren der Urananreicherung zu konfrontieren. Die militärische Dimension der UAA (Atombombenbau, panzerbrechende Uranmunition) ist ein weiteres brisantes Thema. Der Iran wurde schließlich u. a. wegen einer UAA auf die „Achse des Bösen“ gesetzt.

Es gibt viel zu tun. Schon lange war Anti-Atom-Politik nicht mehr so spannend wie derzeit. Oder wie es die taz neulich ausdrückte: „Gelingt den Atomkraftgegnern jetzt die Mobilisierung, die Castoren werden nicht rollen.“ Das wäre ein guter Anfang.

Termine

18.4.: Sonntagsspaziergänge in Ahaus und Dresden-Rossendorf

29.4.-2.5.: Widerstandswochenende in Ahaus. Camp, Demos, Maifest, Konzerte und viel action am Zwischenlager; Abschluss bildet ein Sonntagsspaziergang in Gronau.

Infos

NEU: Castor-Broschüre

Die Gruppe WIGA (Widerstand gegen Atomanlagen) aus Münster hat eine aktuelle Broschüre zu den geplanten Castor-Transporten von Dresden nach Ahaus zusammengestellt. Hintergründe, Erklärungen und eine Dokumentation der bisherigen Proteste geben ein umfassendes Bild von den Ereignissen im Münsterland und in Ahaus.

Die Broschüre (44 S.) kostet 3 Euro (plus 1,50 Euro Porto) und ist gegen Vorkasse in Briefmarken zu beziehen. WiederverkäuferInnen zahlen ab 5 Stück je 2,50 Euro (plus 3 Euro Porto) und ab 10 Stück je 2 Euro (plus 3 Euro Porto).

Bestellungen an:

WIGA
c/o Umweltzentrum
Scharnhorststr. 57
48151 Münster
www.wigatom.de

Frühjahrskonferenz der Anti-Atom-Bewegung

Vom 16.-18. April findet in Berlin die diesjährige Frühjahrskonferenz der Anti-Atom-Bewegung statt. Themen gibt es von Castor, über Hanau und Terrorgefahr bis hin zu internationalen Themen mehr als genug. Es wird also wieder Zeit, sich auszutauschen, Perspektiven zu diskutieren und sich auf gemeinsame Aktionen zu verständigen.

Infos und Vorschläge für AGs:

AAP
Kurfürstenstraße 14
10785 Berlin
www.akw-abschalten.claranet.de
www.squat.net/aap-berlin
aap-berlin@squat.net