feminismus

Wege aus dem Ghetto

Zur Situation slowakischer Feministinnen

| Sarah Althäuser

Veronika Wöhr, Studentin der Soziologie, unterbrach ihr Studium an der Uni Wien, um in der benachbarten Hauptstadt Bratislawa Interviews mit NGO-Mitarbeiterinnen, Wissenschaftlerinnen und Studentinnen, die sich mit feministischer Theorie, Frauen- oder Genderforschung in der Slowakei beschäftig(t)en, zu gestalten.

Das anfänglich dem reinen Forschungszweck dienliche Vorhaben entpuppte sich dann aber zu einem spannenden Geschehen. Denn sie entdeckte bei den meisten Interview-Partnerinnen erhebliche Spannungen im Zusammenhang mit dem „verfluchten“ Wort „Feminismus“.

Was sind die Ursachen für den Unmut bei diesem Begriff ?

Liegt das an den mittlerweile auch in osteuropäischen Ländern herrschenden Back Lash-Entwicklungen?

Bereits seit 1989 finden sich in einschlägigen Publikationen viele Beschreibungen feministisch interessierter slowakischer Wissenschaftlerinnen über die negativen Konnotationen des Begriffes „Feminismus“ in postsozialistischen Gesellschaften. Interessant ist, dass im Verlaufe der Interviews zutage kam, dass der Begriff offensichtlich in sich zu starr/statisch ist. Die jeweils von Veronika Wöhr befragten feministisch interessierten Frauen konnten sich mit dem „Feminismus“ nur unzureichend positiv identifizieren.

Die Frage: „Würden Sie sich als Feministin bezeichnen?“ bewirkte bei den befragten Frauen keine direkte Antwort, im Sinne von „Ja“ oder „Nein“ oder „Das kann ich nicht so sagen.“ Vielmehr entgegneten sie auf einer anderen Ebene, die keine persönliche Positionierung zum Ausdruck brachte.

Typisch für einen solchen Standpunkt ist z.B. die Aussage: „Also ich sage immer, dass ich mich auch der feministischen Philosophie widme.“ Statt einer Eigendefinition über eine Identifikation wählte die Betroffene die Definition über eine Tätigkeit: sie nannte ihre Beschäftigung mit feministischer Philosophie, d.h. ihr feministisches Engagement. Der Begriff „Feminismus“ verliert somit seine Starrheit.

Veronika Wöhr interpretiert das folgendermaßen: „In Anlehnung an das Konzept des ‚doing gender‘ möchte ich diese Herangehensweise als ‚doing feminist‘ bezeichnen, … im Gegensatz zu einem ‚being feminist’…“ (1)

Die Zugehörigkeit zur Gruppe der „Feministinnen“ wird durch Tätigkeiten und konkrete Entwicklungsprozesse hergestellt; nicht durch eine Selbst- oder Fremdbestimmung. Für die „feministische Philosophie“ und die Bereiche der „Frauen- und Geschlechterforschung“ ist das von Vorteil. Denn eine Interpretation und Definition eines „doing feminist“ verhindert durchaus eine Fixierung auf die Suche nach in sich abgeschlossenen Identitäten.

Auf der praktischen gesellschaftlichen Ebene hat aber eine negative Besetzung des Begriffes „Feministin“ und der damit verbundenen Zuordnung zu einer sozialen Gruppierung, wesentlich schwierigere Auswirkungen. In der Slowakei gibt es bis heute keine Frauenbewegung, sondern nur vereinzelte, nebeneinanderherstehende Projekte und einige engagierte Einzelpersonen. Frauen, die in der Slowakei explizites Interesse an Frauenfragen oder feministischen Ideen äußern oder sich gar als Feministinnen bezeichnen, begeben sich in eine AußenseiterInnen-Position. Sie werden kaum verstanden, müssen sich auch in ihrer engeren Umgebung rechtfertigen und werden sogar angegriffen oder beschimpft.

Die sich in dieser prekären Lage befindlichen basisorientierten „doing-feminists“, die eigentlichen AktionistInnen, können vorrangig nur in den dafür vorgesehenen recht kleinen Zirkeln tätig werden. Die dazu im Verlaufe der Interview-Umfragen von Veronika Wöhr angesprochenen AktivistInnen bezeichneten sich selbst „als Lebende im Ghetto und in einer Enklave“. Beispiele für selbstbewusste und herausfordernde Aneignungen des „doing feminist“ sind z.B. die Aktionen des Mütterzentrums Fenestra Kosice in Bratislava. Mittels der symbolischen Aktion des breiten Verkaufs von T-Shirts mit dem Aufdruck „Som feministka, – no a co?“ (Ich bin Feministin – na und?) initiierten sie provokantes Auftreten und Auswirkung.

(1) Zitat entnommen aus der vierteljährlichen Frauenzeitschrift "Auf", S. 9, betr. "Auf 129 - Frauenstimmen aus Osteuropa - April 2004"

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