nachruf

Helmut Schönberg (1941 – 2004)

Ein Nachruf

| Andreas Will

Am 11. Juni 2004 verstarb unerwartet Helmut Schönberg im Alter von 62 Jahren. Er war ehrenamtlicher Bürgermeister des kleinen Dorfes Schweinrich und einer der Aktivsten in der Bürgerinitiative FREIe HEIDe.

Wir lernten Helmut vor zwölf Jahren im Rahmen der antimilitaristischen Sommeraktionstage kennen. Er war uns gegenüber sehr aufgeschlossen und engagiert. Abgesehen von den guten Bedingungen auf dem Schweinricher Campingplatz am See war diese Begegnung der Grund, warum Schweinrich auch in den Folgejahren zum Ort der Sommeraktionstage wurde. Helmut war an den Inhalten und Aktionsformen der antimilitaristischen Aktionstage interessiert, stellte uns Gemeinderäume zur Verfügung und bemühte sich um ihre Akzeptanz in der Region. Viele Abende verbrachte er im Camp und beteiligte sich an den Aktionen. (siehe Foto).

Er wurde 1941 in Schweinrich geboren, einem Dorf am Rand einer großen Wald- und Seenlandschaft. Sein Vater galt seit 1944 als vermisst; er kam von der Ostfront nie zurück. Helmut wuchs zusammen mit seiner jüngeren Schwester bei der Mutter auf. Die Familie gehörte zur Baptistengemeinde, in der Helmut ein aktives Gemeindemitglied wurde. Viele Jugendtreffen fanden im Haus der Eltern statt. In den späten 50er Jahren erlebte er die großen Waldbrände und die Besetzung des Gebietes, welches heute als ,,Bombodrom“ Wittstock bekannt ist, durch die sowjetische Armee. Nach der Schulzeit machte er eine Ausbildung zum Vermesser und leistete seinen Wehrdienst ab. Ein Studienplatz der Forstwirtschaft wäre sein Traum gewesen. Stattdessen konnte er das Tiefbauwesen studieren. Die Melioration, die Be- und Entwässerung der Landschaft, wurde neben dem Vermessungswesen zu seinem Spezialgebiet.

Nach dem Studium, im Jahr 1968, konnte er schließlich als Tiefbauingenieur in der Wittstocker Außenstelle des Meliorationskombinats Potsdam anfangen, wo er bis zuletzt arbeitete. Im selben Jahr heiratete er. Seine Ehefrau zog mit in sein Elternhaus in Schweinrich ein. Sie bekamen zwei Söhne. Einige Jahre später erkrankte seine Frau, so dass er sich intensiver um seine Kinder und den Haushalt kümmern musste.

Helmut hatte nie einen Ausreiseantrag gestellt und wurde nie Mitglied der SED. Er hat auch nie die Existenz des Bombenabwurf- und Artillerieschießplatzes akzeptiert und machte, wie einige andere auch, immer wieder seine Pilzsammelwanderungen auf dem Gebiet des Bombodroms. Er übernahm lieber Verantwortung in der Baptistengemeinde Wittstock, von wo aus er auch gesellschaftlich aktiv wurde. In Schweinrich wurde er Vorsitzender der Sportgemeinschaft und bemühte sich darum, dass auch die Kinder der in der Nähe stationierten russischen Offiziere mit Fußball spielen konnten und organisierte Begegnungen mit einem tschechischen Sportclub.

Die Änderung der politischen Verhältnisse nach 1989 gab auch Helmut neue Hoffnung und eröffnete Schweinrich neue Möglichkeiten, denn nach dem Mauerfall war auch der Abzug der sowjetischen Armee beschlossen worden. Helmuts Traum war, aus dem Bombodrom wieder eine Waldlandschaft werden zu lassen. Er wurde 1990 zum ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt. Engagiert beteiligte er sich an den Verhandlungen über den Truppenabzug der sowjetischen Truppen, stellte Anträge auf Rückübertragung des Gemeindeeigentums und war auch menschlich um jedes Gemeindemitglied bemüht. Davon bekam ich einen Eindruck, als er an einem späten Sommerabend mitten auf der Landstraße anhielt, um nach einem betrunkenen Dorfbewohner zu schauen, der im Graben lag.

Als im Sommer 1992 die Bundeswehr ihre Pläne zur ,,Fortsetzung“ des Bombenbetriebs bekannt gab, betrieb er maßgeblich die Gründung der Bürgerinitiative FREIe HEIDe, die sich die Rechtsform eines Vereins gab. Helmut wurde zum Vorsitzenden des Vereins gewählt und erwies sich als eine Person, mit der sehr viele verschiedene Menschen die FREIe HEIDe positiv verbanden. Die verschiedenen Motivationen, sich für eine FREIe HEIDe einzusetzen, waren auch seine Motivationen. Er war überzeugter Kriegsgegner, hatte jahrelang unter dem Bombodrombetrieb gelitten und liebte die Landschaft. Mit seiner integrativen Art konnte er anarchistisch orientierte Gruppen aus Berlin, parlamentarisch orientierte Parteimitglieder, PazifistInnen, NaturschützerInnen und NachbarInnen, die keinen Lärm mehr erdulden wollten, in die Arbeit der BI produktiv einbinden. Wie kein anderer und wie keine andere hat er so die Vielfalt innerhalb der BI befördert und alle ,,zusammengehalten“. Seine Einstellung spiegelte sich auch in der Vielfalt seiner Aktivitäten wider. Er vertrat die Gemeinde Schweinrich vor Gericht gegen das Bundesverteidigungsministerium, organisierte viele Protestwanderungen und beteiligte sich an Aktionen zivilen Ungehorsams. Mit anderen zusammen baute er 1996 mitten auf dem Bombodromgelände eine Mahn- und Gedenkstätte für den Frieden auf, die von der Bundeswehr jahrelang unangetastet blieb und zum ,,Wallfahrtsort“ der FREIen HEIDe wurde.

Er war beseelt von dem Traum einer FREIen HEIDe und überzeugt vom guten Willen aller, die bereit waren, sich zu engagieren. Er hatte ein Gespür dafür, was der Sache in der Region nützt und was nicht und mischte sich produktiv in unsere Aktionsvorbereitungen ein. Erst zuhörend und oft zunächst skeptisch strich er sich über seinen Bart und ließ es in seinem Kopf arbeiten. Dann machte er sich die Sache zueigen und entwickelte neue Ideen. Die Dorfgründung (siehe Foto) im Anschluss an das Lebenslautekonzert im Sommer 2000 mit anschließender Übernachtung auf dem Bombodromgelände war so eine Idee. Sie sollte daran erinnern, dass dieses Dorf an dieser Stelle bis zu seiner Zerstörung im 30-jährigen Krieg existiert hatte. Helmuts verbindende Art hat ihm eine große Beliebtheit beschert und zur produktiven Vielfalt in der BI beigetragen. Roland Vogt sagte einmal in einem Redebeitrag ,,dieses Land braucht mehr Schönbergs und weniger Schönbohms“.

Helmut wird uns fehlen!