kolonialismus

Deutscher Kolonialismus

Geschichte und Kontinuität

| Bernd Löffler, Markus Beinhauer (Gruppe P83, Erfurt)

Einhundert Jahre nach der Niederschlagung des Herero-Aufstands im damaligen "Deutsch-Südwestafrika" geisterte für kurze Zeit die Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte durch die Medien. Hintergrund waren die Wiedergutmachungsforderungen der Herero an die Bundesregierung.

Diese sollten als Ausgleich für die koloniale Ausbeutung und die Verbrechen der Kolonialtruppen geleistet werden. Obwohl sich die rot-grüne Regierung jeglicher finanzieller Forderung verweigert, reiste zu den Feierlichkeiten des Aufstandsbeginns der Herero die Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul nach Windhuk. Mit ihrer Entschuldigung gegenüber den Herero soll das leidige Thema aus der Welt sein, so hofft man in Berlin.

Im Folgenden soll über die Geschichte des deutschen Kolonialismus und deren Kontinuität bis in die Gegenwart informiert werden.

Die deutsche Beteiligung an der kolonialen Aufteilung der Welt

Nach einem kurzen Versuch im 17. Jahrhundert durch Brandenburg-Preußen begann die koloniale Expansion des deutschen Kaiserreichs erst Ende des 19. Jahrhunderts. Zu diesem Zeitpunkt hatten andere Mächte die Welt bereits zu großen Teilen unter sich aufgeteilt. Dieses „Zu-Spät-Kommen“ sollte weitreichende Konsequenzen für zukünftige Konflikte zur Folge haben.

Grundsätzlich unterschieden sich die Ziele des deutschen Kolonialismus nicht wesentlich von denen der anderen Kolonialmächte: die Errichtung von Handels- und Einflusssphären, die Ausbeutung der Kolonien als Mittel des Reichtumszuwachses der „Mutterländer“ und die damit verbundene Erhöhung der Staatseinnahmen.

Mittel dazu waren: Landraub, Ausbeutung von Rohstoffen (z.B. Diamanten in Namibia), die Nutzung kolonialer Territorien als Militärstützpunkte und als Lieferanten von Hilfstruppen für die Kriege der Kolonialmächte.

Um dies ideologisch zu begründen, wurde der Mythos von der anthropologischen Minderwertigkeit („Barbaren“, „Wilde“) der vor Ort lebenden Menschen erfunden. Damit wurden Menschen zu Objekten, denen eine „besondere Behandlung“ zu Teil wurde: zum einen brachiale Gewalt zur Niederhaltung von Widerstand, zum anderen ein patriarchaler Missionseifer, der die „Wilden“ zum Glauben und somit zur Zivilisation führen sollte. Das Ergebnis war eine weitgehende Zerstörung der Identität der indigenen Bevölkerung, deren Spätfolgen bis heute bemerkbar sind.

Ein bezeichnendes Zitat aus dem nationalsozialistischen Kompendium „Deutsche Geschichte“ von 1934: „Seit Dezember 1908 wird bei Lüderitzbucht der Betrieb der Diamantenfelder eröffnet, der reiche Einnahmen zu bringen verspricht. Der Reichszuschuß für die deutschen Kolonien macht nur mehr sechs Millionen Mark aus. Togo, Samoa und die Karolinen bedürfen keines Zuschusses mehr. Welch hoffnungsvolle Entwicklung hat der Weltkrieg unterbrochen! Südwestafrika als Siedlungskolonie, die übrigen als Lieferanten von Rohstoffen und Naturprodukten, zum Teil auch wertvollste Handelsstützpunkte. Deutschland kann nur mit tiefer Trauer an seine Kolonien zurückdenken, deren eine, Südwestafrika, in dem gewaltigen Roman von Hans Grimm ‚Volk ohne Raum‘ ein ergreifendes Denkmal gefunden hat.“ (1)

Unabhängig der weinerlichen Klagen über den Verlust wird hier deutlich, welchen Zweck die Kolonien zu erfüllen hatten. Doch der deutsch-nationalistische Traum sollte noch zum Alptraum für die Welt werden.

Und dies macht den Unterschied zu anderen Kolonialmächten deutlich: Deutschland kam zu spät zur Aufteilung der Welt.

Um so aggressiver kämpfte es um „seinen Raum“, seinen „Platz an der Sonne“, um so brutaler betrieb es die Ausbeutung.

Fürst Bernhard von Bülow, in der Reichstagssitzung vom 6.12.1897: „Wir sind gerne bereit, in Ostasien den Interessen anderer Großmächte Rechnung zu tragen, in der sicheren Voraussicht, daß unsere eigenen Interessen gleichfalls die ihnen gebührende Würdigung finden. Mit einem Worte: wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.“ (2)

Ideologie und Praxis des Kolonialismus

Zum eigenen Selbstverständnis der KolonialistInnen gehörte die Vorstellung, die „Wilden“ vor sich selbst, den Expansionsbestrebungen von Nachbarn oder anderen europäischen Mächten schützen zu müssen. Daher auch der Begriff „Schutzgebiete“.

Eine weitere ideologische Erfindung bestand in der These, deutsche PionierInnen hätten den „schwarzen Kontinent“ entdeckt. Wofür des „Entdecken“ gedacht war, zeigt die Vorgehensweise des wohl bekanntesten deutschen Eroberers: Carl Peters. Dieser Abenteurer und Sadist wollte ein „Deutsch-Afrikanisches Kolonialreich“ gründen. Die AfrikanerInnen gaben Peters dafür einen bezeichnenden Namen: Mkono wa damu (Kisuaheli: der Mann mit den blutbefleckten Händen).

1884 „erwarb“ Peters ein Gebiet von ca. 140.000 qkm in Ostafrika mit dem Schein von Legalität: Gegen das Versprechen gegenüber Sultanen und Stammesführern auf erbliche Macht in ihrem Gebiet erreichte er u.a. das alleinige und uneingeschränkte Recht, Zölle aufzulegen, Steuern zu erheben, eigene Justiz und Verwaltung einzurichten, und das Recht, eine bewaffnete Macht zu schaffen.

Daraufhin stellte die deutsche Regierung einen „Schutzbrief“ aus: der deutsche Kaiser stellte „…die Gebietserwerbungen der Gesellschaft…“ (Gesellschaft für deutsche Kolonialisation – GfdK) „… in Ostafrika, westlich von dem Reiche des Sultans von Sansibar“, unter seine Oberhoheit. Die Unterwerfung von Millionen AfrikanerInnen durch Deutschland in Ostafrika hatte begonnen.

Eine zynische Haltung durchzog die ganze koloniale Argumentation: auf der einen Seite ein klares Bekenntnis zur Ausbeutung und Unterwerfung, auf der anderen die Bemäntelung des Vorgehens mit der „Unfähigkeit“ der AfrikanerInnen zur Zivilisation.

Mehr als deutlich sprach es Dr. Julius Scharlach (einer der Gründer der „Gesellschaft Süd – Kamerun) 1903 aus: „Kolonisieren, das zeigt die Geschichte aller Kolonien, bedeutet… die Eingeborenen… zurückzudrängen und schließlich vernichten… Diese an sich gewiß traurige Tatsache muß als eine erwiesene geschichtliche Notwendigkeit betrachtet werden. Wer sie nicht anerkennen will, weil sie von einem höheren idealen Standpunkt aus unberechtigt erscheinen mag, der darf nicht unternehmen, Kolonien zu erwerben und zu verwerten.“ (3)

Marokko-Krise

Nachdem die koloniale Expansion weitgehend abgeschlossen war, führten die daran beteiligten Mächte den Kampf um die Aufteilung der Welt untereinander weiter: Die Faschoda-Krise um den Einfluss im Sudan bewirkte Ende der 80er Jahre des 19.Jahrhunderts z.B. fast einen Krieg zwischen Großbritannien und Frankreich.

In einer Mischung zwischen diplomatischen Absprachen und Konferenzen (Berliner Kongo-Konferenz unter Leitung von Bismarck, 1884) auf der einen, sowie offenen Interessenkonflikten auf der anderen Seite vollzog sich die Absteckung der jeweiligen „Claims“.

Typisch hierfür war der deutsch-französische Gegensatz in Marokko.

Die deutschen Konzerne Mannesmann und Krupp gewannen in den 80er Jahren beträchtliche ökonomische Positionen im Sultanat Marokko. Dies erzeugte einen Konflikt mit Frankreich, welches eigene Interessen geltend machte.

Während sich der deutsche Kaiser Wilhelm der Zweite bei einem Besuch in der marokkanischen Hafenstadt Tanger am 31. März 1905 zum Beschützer der Unabhängigkeit des Landes erklärte, forderte gleichzeitig der „Alldeutsche Verband“ die Einrichtung von deutschen Militärstützpunkten in Marokko.

Am 16.Januar 1906 kam es bei einer Konferenz in Algeciras (Spanien) zu einer vorläufigen Einigung: Bei Garantie der formalen Selbständigkeit von Marokko erhielten Spanien und Frankreich erhebliche Vollmachten, so die Verwaltung der marokkanischen Staatsbank und die Polizeigewalt in den Häfen.

Ein scheinbarer Interessenausgleich. Die Gründung eines Syndikats von Krupp / Mannesmann mit Schneider-Creusot ermöglichte eine deutsche Beteiligung am Gewinn.

Als es 1911 zu einem Aufstand gegen den völlig von Frankreich abhängigen Sultan kam, griffen französische und spanische Truppen ein. Durch Deutschland lief eine chauvinistische Propagandawelle, die zweite Marokko-Krise brach aus.

Mit dem sogenannten „Panthersprung“ mehrerer deutscher Kriegsschiffe vor Agadir am 1. Juli 1911 stand die Welt erstmals kurz vor Beginn eines umfassenden Kriegs.

Nur massiver Druck Großbritanniens und anderer Staaten gegen Deutschland zwang den deutschen Kaiser zum nochmaligen Rückzug. Zu diesem Zeitpunkt fühlte sich Deutschland nicht stark genug, um eine Auseinandersetzung im großen Maßstab zu führen.

Hauptverlierer des ganzen „Theaters“ war Marokko: Der größte Teil des Landes wurde französisches Kolonialgebiet, Spanien bekam einen 50 km-Streifen am Mittelmeer, Tanger erhielt internationalen Status.

„Boxer“-Aufstand

Tauchte Widerstand auf, schlossen sich die ansonsten verfeindeten Kolonialmächte zusammen. Und das deutsche Kaiserreich, um seine Aufwertung im Spiel der Mächte bemüht, beteiligte sich.

Das wohl bekannteste Beispiel dafür: der sogenannte „Boxeraufstand“ in China von 1898 bis 1901. (4)

Die sich selbst als „Gesellschaft des Friedens und der Gerechtigkeit“ (Yihetuan) bezeichnenden Aufständischen einigte der Hass auf alles Europäische, Ausländische. Eine wenig emanzipative Haltung im heutigen Sinne. Doch nach den zwei sogenannten „Opiumkriegen“ (China wurde durch Großbritannien gezwungen, den Anbau und Handel mit Opium zu dulden!) und der völligen Fremdbestimmung durch die Weltmächte war das Ziel der Aufständischen in erster Linie die Befreiung Chinas von ausländischer Herrschaft.

Die chinesischen Regierungstruppen wurden mit den Aufständischen nicht fertig, bzw. desertierten. Greueltaten an AusländerInnen boten den Vorwand zum Eingreifen. Die britischen Truppen gerieten jedoch in militärische Bedrängnis: Ihr von der chinesischen Regierung nicht erlaubtes Eingreifenzeitigte eher eine stillschweigende Duldung bzw. Unterstützung der Aufständischen durch das Feudalestablishment.

Daraufhin begannen die Großmächte einen nicht erklärten Krieg gegen China. Daran waren neben Großbritannien Frankreich, Rußland, Japan, die USA, Italien, Deutschland und Österreich-Ungarn beteiligt – eine ältere Version der Koalition der Willigen.

Der britische Oberbefehlshaber machte Geschichte mit seinem Ruf: „The Germans to the Front“. Ein neuer Mythos wurde geboren: Deutsche Truppen retteten die bedrohten EuropäerInnen vor dem Abschlachten und China vor den barbarischen Horden der Yihetuan.

Das Denken dieser Zeit wird in der berühmt-berüchtigten „Hunnenrede“ Kaiser Wilhelms vor deutschen Soldaten, die vor dem Transport nach China standen, deutlich:

„Eine große Aufgabe harrt eurer: ihr sollt das schwere Unrecht, das geschehen ist, sühnen. Die Chinesen haben das Völkerrecht umgeworfen, sie haben in einer in der Weltgeschichte nicht erhörten Weise der Heiligkeit des Gesandten, den Pflichten des Gastrechtes Hohn gesprochen. Es ist das um so empörender, als dieses Verbrechen begangen worden ist von einer Nation, die auf ihre uralte Kultur stolz ist…. Ihr wißt es wohl, ihr sollt fechten gegen einen verschlagenen, tapferen, gut bewaffneten, grausamen Feind.

Kommt ihr an, so wißt: Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht. Führt eure Waffen so, daß auf tausend Jahre hinaus kein Chinese mehr es wagt, einen Deutschen scheel anzusehen… “ (5)

Südwestafrika

Die Kolonialisierung Südwestafrikas durch Deutschland folgte einem üblichen Muster: Es wurden zum einen mit den Häuptlingen Schutzverträge abgeschlossen, deren Text und Sprache diesen unverständlich blieb. Zum anderen sollten Geschenke eine aufgeschlossene Stimmung erzeugen. Die Häuptlinge der afrikanischen Stämme sahen die Gefahren nicht, die in diesen Verträgen steckten.

Erst nachdem sich eingewanderte deutsche Farmer immer mehr der besten Weiden angeeignet hatten und Wuchergeschäfte (Warenkredite gegen Konfiszierung von Vieh und Weiden) die Herero ins Elend stürzten, kam es zum Aufstand.

Er begann im Januar 1904 unter Führung des Oberhäuptlings Samuel Maherero und endete im August 1904 mit der Schlacht am Waterberg, in welcher die Herero eine Niederlage erlitten. Der deutsche Befehlshaber von Trotha befahl nunmehr, die Herero in die Wüste Omaheke zu treiben. Bei dem Versuch, die damalige britische Kolonie Betschuanaland (Botswana) zu erreichen, starben über 60.000 Menschen. Die Überlebenden wurden in Konzentrationslager gesperrt, in denen weitere Tausende umkamen. Der erste Genozid des 20.Jahrhunderts war vollzogen.

Die Nama (deutsche Bezeichnung: „Hottentotten“) leisteten unter Hendrik Witbooi und dessen Nachfolger Jakob Morenga in einem zeitweilig recht erfolgreichen Guerillakrieg bis 1908 Widerstand. Dann war mit dem Tod Morengas auch dieser gebrochen. (6)

Nur ein Drittel der Herero und Nama überlebte die Kämpfe und Massaker.

Heute fordern die Nachkommen der Herero von der Bundesrepublik auch eine finanzielle Wiedergutmachung. Die Bundesregierung lehnt dies unter Hinweis auf die besonders hohe Entwicklungshilfe für Namibia ab. Könnte dies doch Schule machen.

Heute noch besitzen vor allem „deutschstämmige“ Farmer die besten Weideflächen im Land. Seit kurzem werden Enteignungsforderungen laut. Die regierende SWAPO verschickte erste Briefe, in denen die Farmer aufgefordert werden, über den Verkauf des Landes zu verhandeln. Unruhe macht sich breit. Nun beklagen die Nachkommen der deutschen Kolonisten ihre Situation…

Ostafrika

Noch mehr als der Genozid an den Herero und Nama ist aus dem deutschen Bewusstsein der Terror in „Deutsch-Ostafrika“ verdrängt.

Carl Peters 1891: „Man darf niemals vergessen, daß die ganze Verwaltung von Kolonien nur dazu da ist, um eben die Grundlagen für wirtschaftliche Unternehmungen zu bieten.“ (7)

Die Grundlagen dieser „wirtschaftlichen Unternehmungen“ waren: extrem billige Arbeitskräfte, die Möglichkeit der Arbeitserzwingung, ein Strafrecht jenseits juristischer Normen, eine extreme Steuerlast (die Häuser- und Hüttensteuer z.B. wurde zum Symbol von Fremdherrschaft und Unterdrückung), die Einführung von Zwangskulturen (bestimmte Exportprodukte) und Pflichtablieferungen an die Kolonialverwaltung.

Die „Deutsch-Ostafrikanische Zeitung“ schrieb in einem Anfall von Einsicht am 26.1.1907: „Es wurden die Frauen und Töchter der säumigen Steuerzahler gefänglich eingezogen und blieben so lange in Schuldhaft, bis die Steuer bezahlt war. Was diese Schuldhaft für die Frauen zu bedeuten hatte, braucht man den Kennern der Verhältnisse nicht erst auseinanderzusetzen.“ (8)

Vom Juli 1905 bis Ende 1907 erhoben sich die Völker „Deutsch-Ostafrikas“ erstmalig gemeinsam gegen die koloniale Unterdrückung. Der sogenannte „Maji-Maji-Aufstand“ wurde zu einer der größten antikolonialen Erhebungen in Ostafrika (Maji / Kisuaheli: heiliges Wasser, was unverwundbar macht). Die Spiritualität der Bewegung war die Voraussetzung für das konzertierte Vorgehen aller Clans und Stämme.

Nach mehreren Niederlagen wurde von der Kolonialmacht einer der typischen Terrorfeldzüge entfesselt: Aushungern, Vieh rauben, Massenhinrichtungen, jahrelange Kettenhaft und Zwangsarbeit waren die Methoden, mit denen die Aufständischen am Ende bezwungen wurden.

Die Zahl der Toten ist bis heute nicht genau bekannt. Offizielle deutsche Angaben sprechen von 75.000, ein tansanischer Historiker von 250.000 – 300.000.

Nach dem 1.Weltkrieg

Im Vertrag von Versailles wurde festgehalten, dass die deutschen Kolonien im Auftrag des Völkerbundes von den Siegermächten „treuhänderisch“ zu verwalten wären. Dabei war es doch eines der deutschen Kriegsziele, den anderen Kolonialmächten viele „Sonnenplätze“ abzujagen.

Tausende Männer aus den Kolonialgebieten kämpften im Krieg der Mächte, der doch nicht der ihre war. Und der ihnen auch nicht die Unabhängigkeit brachte.

Beispiel Ostafrika: Durch tropische Krankheiten, Seuchen und in Folge von Kampfhandlungen starben auf Seiten Großbritanniens 10.000, auf Seiten Belgiens 1.980 und auf Seiten des kaiserlichen Deutschland 2.530 Soldaten, größtenteils Afrikaner.

Weit weniger bekannt ist die Zahl der Opfer unter den zum großen Teil zwangsrekrutierten Trägern: nach Schätzungen starben fast 100.000 Menschen auf allen Seiten, hauptsächlich durch Krankheiten.

Fazit

Am Ende des Ersten Weltkriegs 1918 war der Kampf um die koloniale Aufteilung der Welt beendet.

Die hier beschriebene Zeit war gekennzeichnet vom Übergang von der ersten zur zweiten Phase der kolonialen Ausbeutung. Kennzeichnend für die erste Phase waren die Eroberung von Territorien, die Plünderung derselben, der Aufbau eines „Handelssystems“ zum Profit der europäischen Kolonialisten und zum Nachteil der indigenen Bevölkerung sowie die Errichtung von Stützpunkten in den eroberten Gebieten.

In der zweite Phase (beginnend ungefähr in den 90er Jahren des 19.Jahrhunderts) traten andere Aspekte in den Vordergrund. Ziel war nun die Erreichung eines kolonialen Extraprofits durch die Ausbeutung extrem billiger Arbeitskräfte sowie die Einbindung der kolonialen Gebiete in den kapitalistischen Weltmarkt und seinen Verwertungsbedingungen.

Oberstes Prinzip beider Phasen blieb: Geschaffen von den Metropolen, waren die Kolonien für die Metropolen da.

Den Preis dafür zahlten die Menschen, die nicht in den Metropolen lebten. Durch ihre Unterwerfung unter die Interessen des Kapitalismus, den weitgehenden Verlust eigener Ressourcen und Möglichkeiten (materiell und intellektuell), einer bis heute währenden „Unterentwicklung“, den Verlust eigener Identität und Traditionen. Aber vor allem: durch die Zerstörung der Chance einer eigenständigen Entwicklung

Den größten Nutzen aus der Kolonialexpansion zog das noch junge Finanzkapital.

Die Kolonialgebiete dienten der Warenproduktion für die europäische und nordamerikanische Nachfrage. Die Konsequenz daraus war u.a. eine wirtschaftliche Spezialisierung in Gebieten, die in den Weltmarkt einbezogen wurden. Im südlichen Afrika vor allem durch den Bergbau, im Kongobecken über die Kautschukproduktion, usw.

Die Unterentwicklung eines großen Teils dieser Welt war die Voraussetzung für die Durchsetzung des Kapitalismus in seiner modernen Form.

Nicht unerwähnt bleiben soll, dass vor allem SozialdemokratInnen gegen die koloniale Unterdrückung protestierten und sich mit den Menschen in den betroffenen Territorien solidarisierten. August Bebel erklärte im Reichstag am 19.Januar 1904: „Meine Herren! Das Recht zum Aufstand, das Recht zur Revolution, hat jedes Volk und jede Völkerschaft, die sich in ihren Menschenrechten aufs alleräußerste bedrückt fühlt.“

Die Reichstagswahlen Anfang 1907 (bekannt als „Hottentottenwahlen“) nutzten SozialdemokratInnen, um auf die Wahrheiten des Kolonialkriegs zu verweisen.

Und ebenfalls nicht vergessen werden sollte, dass nicht wenige deutsche Soldaten im Krieg gegen die Herero und Nama desertierten. Nicht selten kam es zu Auflehnungen gegen die unmenschlichen Befehle der Offiziere. Diese gingen gegen Widerstand in den eigenen Reihen ebenso brutal vor wie gegen die Aufständischen. Unter anderem wurden im Juni 1906 drei Soldaten zum Tode und vier zu langen Haftstrafen verurteilt.

(1) "Deutsche Geschichte von der germanischen Vorzeit bis zur Gegenwart", Verlag von Georg Dollheimer, Leipzig 1934, S.509

(2) Hermann Schreiber "Die Chinesen", Econ Verlag 1978, S.306

(3) Heinrich Loth "Geschichte Afrikas" Band 2, Akademie-Verlag, Berlin 1976, S.75

(4) Der Begriff "Boxer" wurde zurückgeführt auf eine bei den Aufständischen beobachtete "Spezialgymnastik mit magischer Bedeutung", oft auch "Schattenboxen" genannt

(5) Schreiber, S. 308

(6) lesenswert: Uwe Timm, "Morenga", Athenäum Verlag, Königstein/Taunus 1978

(7) Jürgen Herzog "Geschichte Tansanias", Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1986, S.49

(8) Loth, S.72

Anmerkungen

Teil 2 dieser Artikelserie erscheint in der nächsten GWR.