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Renaissance der Anti-Atom-Bewegung?

Tausende demonstrierten gegen den Dresden-Ahaus-Castor

| Bernd Drücke

Ahaus. Nach einer mehr als 15-stündigen Fahrt rollten am 14. Juni 2005 gegen 2.30 Uhr die letzten sechs der insgesamt 18 Castor-Behälter aus dem ehemaligen Forschungsreaktor bei Dresden durch den Hintereingang des Atommülllagers im westfälischen Ahaus. Auf der über 600 Kilometer langen Strecke kam es zu Protesten und direkten gewaltfreien Aktionen (siehe Kommentar auf Seite 2 und Artikel auf Seite 1, 6 f.).

Um die 951 abgebrannten Brennelemente mit zwei Kilogramm Plutonium an den DemonstrantInnen vorbeizuschleusen, schreckte die Polizei vor lebensgefährlichen Manövern nicht zurück. Während der erste Transport, ohne die betroffene Bevölkerung zu informieren, durch die engen Gassen der an Ahaus angrenzenden Gemeinde Heek geschleust wurde, fuhr der dritte Konvoi mit ausgeschalteten Scheinwerfern zuletzt über einen Feldweg zu einem Hintereingang des Brennelementezwischenlagers (BEZ).

Am 13. Juni demonstrierten rund 3.000 AktivistInnen in Ahaus.

„Angesichts der täglichen Gefahr einer Kernschmelzkatastrophe, angesichts der heute schon massiven Folgen des Uranabbaus, angesichts der wachsenden Atommüllberge gibt es nur einen einzigen verantwortbaren Weg: Wir brauchen einen Ausstieg, der diesen Namen wirklich verdient. Die AKWs müssen jetzt vom Netz, denn jeder Tag länger kann ein Tag zuviel sein“, so Jochen Stay von X-tausendmalquer. Der ehemalige GWR-Redakteur konstatierte: „Ahaus im Sommer 2005. Dieses Datum wird vielleicht später in den Geschichtsbüchern als der Beginn der Wiedergeburt der Anti-Atom-Bewegung auftauchen.“

Eine Übertreibung. 1998 hatten sich an den Demonstrationen und direkten gewaltfreien Aktionen gegen die damaligen Castortransporte ins BEZ zeitweise mehr als 12.000 Leute beteiligt. (1)

Andererseits: An der Ahauser „Großdemonstration“ gegen den ersten von drei Atommülltransporten von Dresden ins BEZ hatten am 30. Mai 2005, bei strömendem Regen, nur 600 Leute teilgenommen.

Die Zahl der DemonstrantInnen hat sich also innerhalb von zwei Wochen verfünffacht.

Wie schon am 6. Juni 2005, als 2.000 Leute in Ahaus gegen die unsinnige und gefährliche Atommüll-Verschiebung protestierten, war die Stimmung der AtomgegnerInnen während der Demonstrationen am 13. und 14. Juni ausgelassen. Dazu trugen mitreißende Reden und die Livemusik von Salossi und Klaus dem Geiger bei.

Matthias Eickhoff vom Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen zog eine positive Bilanz: „Uns ist es gelungen, die Castortransporte im Vorfeld 18 Monate zu verzögern. Für uns war es eine kleine Renaissance: die größte Anti-Atom-Demo im Münsterland seit sieben Jahren.“

DIE WELT: „Kaum Proteste“

Anders fiel das Resümee (nicht nur) der Springerpresse aus: „Kaum Proteste bei letztem Castor-Transport“, so titelte am 14. Juni die Welt. Und die Polizei redete von nur „1.500 Teilnehmern“. Dabei hat sie die ca. 1.500 Demonstrantinnen (ohne großes Binnen-I) offensichtlich „übersehen“.

Nun stehen nicht nur in Gronau und Ahaus weitere Aktionen der Anti-Atom-Bewegung an.

Gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit will die neue oder/und alte Bundesregierung im November 2005 Castortransporte nach Gorleben durchsetzen.

Widerstand dagegen ist nötig. Spucken wir der Atomlobby und ihren Regierungen in die strahlende Plutoniumsuppe, die sie uns und den kommenden Generationen hinterlassen wollen.

Immer und überall: für den sofortigen Atomausstieg!

(1) Vgl. Thomas Oelschläger, Kerstin Enning, Bernd Drücke (Hg.): Ahaus. Das Buch zum Castor, Verlag Klemm & Oelschläger, Ulm 1999