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Die monströse Propaganda Ahmadinedschads

... und wie sie praktisch bekämpft wird

| Thomas S. Eiselberg

Bereits am 26. Oktober 2005 hatte der neue Präsident des Iran, Mahmoud Ahmadinedschad, erklärt, Israel gehöre "von der Landkarte gestrichen".

Auf einer Pressekonferenz der Organisation islamischer Staaten in Mekka legte er am 8. Dezember unmissverständlich nach: „Bestimmte europäische Länder behaupten, dass Hitler Millionen Juden in Gasöfen getötet hat. (…) Wir akzeptieren diese Behauptung nicht. Und wenn sie wahr wäre, würden wir die Europäer fragen: ‚Ist der Mord an unschuldigen Juden durch Hitler der Grund für Ihre Unterstützung der Besatzer von Jerusalem?'“ Israel sei ein „Tumor“. Und: „Wenn Deutschland und Österreich zwei oder drei ihrer Provinzen dem zionistischen Regime gäben, wäre das Problem an der Wurzel gelöst.“ (Zitate nach Le Monde, 10.12.05)

Bei solch monströs antisemitischen Drohungen bleibt mir die Spucke weg. Es macht mir Angst, dass solche Regierungen an einem Atomprogramm arbeiten. Das rechtfertigt natürlich keinen Krieg gegen den Iran, dessen Präsident dem US-Präsidenten Bush gar keine bessere ideologische Vorlage für eventuelle Kriegspläne gegen einen Bestandteil seiner „Achse des Bösen“ liefern konnte. Aber es rechtfertigt den Aufruf an deutsche Firmen, ihre Geschäftsbeziehungen mit einem antisemitischen Regime sofort aufzukündigen. Es rechtfertigt eine Veröffentlichung aller wirtschaftlichen Verbindungen und Kontakte deutscher Institutionen und Konzerne mit dem iranischen Regime und ihre Denunziation als Skandal. Es ist Heuchelei, wenn Kanzlerin Merkel die Propaganda Ahmadinejads als „inakzeptabel“ bezeichnet, dabei aber nicht erwähnt, dass Deutschland der wichtigste Handelspartner des Iran ist.

Die öffentliche Denunziation dieser Verbindungen ist eine Aufgabe der sozialen Bewegung für eine andere Globalisierung. Denn eine andere Globalisierung beinhaltet ganz sicher den unversöhnlichen Kampf gegen antisemitische Regierungen.

Letztlich ist es aber die iranische Bevölkerung selbst, die gegen ihre islamistische Mobilisierungsdiktatur revoltieren und die antisemitische Propaganda durchschauen muss. Dass es ein großes Potential für Widerstand gibt, haben die immer wieder aufflammenden Proteste vor allem von StudentInnen in den letzten Jahren gezeigt.

Ahmadinejad zitierte auf seiner Pressekonferenz den Ayatollah Khamenei, welcher erklärt habe, „der palästinensische Widerstand“ werde das „zionistische Regime stürzen“. Dass der Iran die islamistischen TerroristInnen der Hamas und der Hezbollah finanziell und mit Waffen unterstützt, ist bekannt. Vor dem Hintergrund der Aussagen Ahmadinejads bekommt diese Unterstützung eine noch bedenklichere Note.

Mit diesen Methoden und Zielen des palästinensischen Widerstands darf sich keine emanzipatorische Form der Solidarität gemein machen.

Wenn gewaltfreie AnarchistInnen Aktionen von PalästinenserInnen gegen israelisches Militär oder israelische Regierungspolitik unterstützen, wären zwei Bedingungen zu stellen. Es müssen ausschließlich gewaltfreie Aktionen sein, die unterstützt werden. Denn die Gewaltfreiheit in der Aktion birgt bereits eine Anerkennung in sich, dass nämlich dem Individuum auf Seiten des Gegners – wer immer das im konkreten Fall auch sei, selbst wenn es brutal vorgehende PolizistInnen, Grenztruppen oder SoldatInnen sind – persönliche Würde und ein Existenzrecht als Individuum zugesprochen wird, als israelischeR BürgerIn dort zu leben, wo er/sie das will. Die Gewaltfreiheit innerhalb der palästinensischen Aktion drückt an sich bereits die Anerkennung eines Existenzrechts für israelische BürgerInnen aus. Sie ist symbolisch von unermesslicher Bedeutung. Und eine linke Kritik, die hier gewaltfreie Aktionen von PalästinenserInnen mit bewaffneten Gruppen oder SelbstmordattentäterInnen in einen Topf werfen will, weiß nicht mehr, wo antisemitische Herrschaft endet und Emanzipation von unten beginnt.

Trotzdem, und um ganz sicher zu gehen, reicht der formal gewaltfreie Charakter von Aktionen als Bedingung für eine Solidarität in Zeiten von Ahmadinedschad nicht aus. Gerade wenn sich die Anziehungskraft und die Effektivität gewaltfreier Aktionskampagnen im Kampf gegen den israelischen Mauerbau verstärken sollten, wonach es in Ansätzen derzeit tatsächlich aussieht, müssen sich die Ziele dieser Aktionen, die damit verbundenen Inhalte unmissverständlich von den Zielen eines Ahmadinejad unterscheiden. Das bedeutet nicht nur eine Verpflichtung für Bündniskonstellationen, keine gemeinsamen Aktionen mit Gruppen durchzuführen, die die propagierten Ziele Ahmadinejads teilen und dabei auch einmal – rein taktisch – auf Gewalt verzichten könnten. Es bedeutet auch, bei jeder gewaltfreien Aktion deutlich zu machen, dass das Ziel ein gewaltfreies, irgendwann einmal schließlich freundschaftliches Nebeneinander von Israelis und PalästinenserInnen auf demselben Grund und Boden und ohne Phobien oder nur allzu reale Ängste einer neuerlichen Vernichtung oder Vertreibung ist. In diesem Sinne sind die Vorgänge von Bilin die Antizipation, die Vorwegnahme einer libertären Utopie. PalästinenserInnen beherbergen israelische AktivistInnen, sie essen zusammen, sie beschützen sich gemeinsam. In Abwandlung der Rede von Martin Luther King, Jr.: „Ich habe einen Traum, dass eines Tages die Söhne (und Töchter) ehemaliger Opfer des Holocaust und Söhne (und Töchter) unterdrückter PalästinenserInnen zusammen am Tisch der Brüderlichkeit (und Schwesterlichkeit) sitzen.“ In Bilin ist der Traum Wirklichkeit geworden. Dieser Traum benötigt unsere Solidarität.

Er ist das Gegenteil dessen, was Ahmadinedschad propagiert.

Anmerkungen

Zum Thema siehe die Iran- und Palästina/Israel-Artikel in dieser GWR