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Rechtsextremer Bestseller

Pío Moa, Partido Popular und der spanische Geschichtsrevisionismus

| Martin Baxmeyer

In den Buchhandlungen ist er allgegenwärtig: Luis Pío Moa Rodríguez, kurz Pío Moa, ist der Shooting Star des spanischen Sachbuchmarktes. Ob im mächtigen, mehretagigen Büchertempel Casa del Libro in Madrid, am Passeig de Gracia in Barcelona, ob in Valencia, Sevilla oder in kleinen Provinzbuchläden, überall füllen seine Bücher die Schaufenster. Das Geschäft lohnt sich: Pío Moas "Los mitos de la guerra civil" ['Die Mythen des Spanischen Bürgerkriegs'], ein nicht eben billiger, 599 Seiten starker Schinken mit festem Einband und Hochglanztitelfoto, ist ein landesweiter Bestseller. Innerhalb eines einzigen Jahres brachte der Verlag 25 Auflagen heraus. 150.000mal gingen die "mitos" über den Ladentisch.

Engpässe bei der Versorgung mit neuen Werken des Autors sind nicht zu befürchten. Für gewöhnlich produziert Pío Moa zwei Bücher pro Jahr, und selten haben sie weniger als 250 Seiten. Im Jahr 2005 brachte er es sogar auf insgesamt drei Veröffentlichungen. Sein neuestes Werk, „Franco. Un balance histórico“ [‚Franco. Eine geschichtliche Bilanz‘], wurde vor kurzem in Madrid vorgestellt.

Wenn Pío Moa gerade kein Buch schreibt, dann meist, um sich publizistisch im Internet zu betätigen. Libertaddigital.com ist seine bevorzugte Domäne, aber auch andere Online-Magazine – wie Generación oder El Catoblepas – bieten ihm ein Forum. Spaniens konservative Tageszeitung ABC räumt ihm immer wieder gerne ein Plätzchen auf ihrer Meinungsseite frei, und auch das staatliche Fernsehen TVE hielt ihn gelegentlich gastfrei.

Denn Pío Moas seit 1998 erschienenen Veröffentlichungen „haben eine tiefgreifende Revision zahlreicher Topoi unserer jüngeren Geschichte bewirkt und sowohl bei der professionellen Geschichtswissenschaft als auch beim breiten Publikum ein ungewöhnliches Echo hervorgerufen“ – so heißt es zumindest im Klappentext der „mitos“.

Im Februar 2003 feierte Moderator Carlos Dávila den „Historiker Pío Moa“ überschwänglich in seiner Fernsehsendung El tercer grado.

Ihm sekundierte wenig später Angel Maestro in der Zeitschrift Razón Española: Moa sei „ein Mythenzerstörer“, ein „Entlarver von Fälschungen“, „intellektuell aufrichtig“. Zu einer Zeit, in der in erster Linie die Medienpräsenz darüber entscheidet, ob jemand als ernstzunehmender Fachmann, als Intellektueller – oder, um mit dem Hispanisten Ulrich Winter zu sprechen, als „Meinungsprotagonist“ – gilt, konnten im Falle Pío Moas in der Öffentlichkeit demnach kaum Zweifel bestehen.

Ein rechtsextremer Scharlatan

In Wahrheit ist Pío Moa ein neofranquistischer Geschichtsrevisionist; ein gelegentlich bis zur Peinlichkeit stümperhafter wissenschaftlicher Pfuscher und Klitterer; ein lärmender, rempelnder Polemiker der extremen Rechten; und ein wortrasselnder Wiedergänger nahezu sämtlicher historischer Themen, Behauptungen und Erscheinungen, die man – allzu hoffnungsvoll vielleicht – mit Francos Tod glücklich zu Grabe gelegt wähnte.

In dem Sturm, der in Spanien am Ende der neunziger Jahre losbrach, als Emilio Silva Barrera in Priaranza del Bierzo erstmals ein anonymes Massengrab aus der Zeit der Herrschaft Francos öffnete, um die Gebeine seines Großvaters menschenwürdig bestatten zu können (1), segelt Pío Moa als Flaggschiff der „faschistischen Renaissance“ einer kleinen Flotte reaktionärer Historiker, Publizisten und Politiker voran und feuert aus allen Rohren auf das, was er für Bollwerke der Linken hält. Er äußert sich freimütig zu Themen wie dem Feminismus (und dessen Verderbnis bringender Wirkung auf die spanische Familie), der „homosexuellen Gesellschaft“, die er mit Ekel heraufziehen sieht, einer drohenden „Balkanisierung Spaniens“ – die ein Zitat des faschistischen Intellektuellen Ernesto Giménez Caballero schon im Titel führt – und sogar zum Leben der spanischen Anarchistin Federica Montseny.

Das Feld jedoch, das Pío Moa seit dem Ende der neunziger Jahre am eifrigsten beackert, ist die jüngere Vergangenheit Spaniens: die II. Republik (1931-1936), der Spanische Bürgerkrieg (1936-1939) und die Francozeit (1939-1975). Seine „Kernthesen“, die er von Buch zu Buch mit bewundernswerter Beharrlichkeit wiederholt, sind rasch benannt: Die führenden Köpfe der II. Republik, allen voran die Sozialisten, wollten nach dem Sturz des Königs von Anfang an keine parlamentarische Demokratie, sondern eine Revolution, die Kirche, Militär und „wahres Spaniertum“ auslöschen sollte; Franco und die spanischen Generäle putschten 1936 nur, um einen unmittelbar bevorstehenden revolutionären Umsturz zu verhindern, der Spanien zu einem Sattelitenstaat Stalins gemacht hätte; eine faschistische Gefahr bestand nie; die Grausamkeiten auf republikanischer Seite während des Bürgerkriegs waren den franquistischen Massenschlächtereien (etwa in Badajoz) mindestens ebenbürtig, werden aber bis heute von einer verschworenen Gemeinschaft linker Historiker und Politiker kleingeredet oder verschwiegen. Die brutale Repression unter Franco dagegen ist für Pío Moa linke Propaganda: Franco, der „die Republik mehr geachtet hat als die Republikaner“, habe zwar ein diktatorisches Regime errichtet, aber nur, weil ihm „keine andere Wahl“ blieb, und letztlich sei dieses fast 40 Jahre währende Intermezzo notwendig gewesen, um Spanien zu dem wirtschaftlich prosperierenden, sozial und politisch gefestigten Land zu machen, das es heute ist: „Wenn es heute in Spanien eine Demokratie gibt, dann nur dank Franco!“ Sagt er.

Keine dieser Aussagen ist neu oder originell – so provozierend sie wirken mögen.

Pío Moas „mythenzerstörende“ Deutung der jüngeren spanischen Geschichte entspricht nahezu aufs Haar jener, die die sogenannte „neofranquistische Schule“ Mitte der sechziger Jahre vorzutragen begann. Damals sollte mit der Gründung der Sección [später Unitad] de Estudios sobre la Guerra de España [‚Forschungssektion zum Spanienkrieg‘] unter Führung des angriffslustigen Historikers Ricardo de la Cierva die Illusion erzeugt werden, in Spanien existiere eine ernstzunehmende, unabhängige Geschichtswissenschaft, mit der es sich zu reden lohne. In Wahrheit trugen Karriereakademiker wie De la Cierva, Carlos Seco Serrano, Ramón Salas Larrazábal, Rafael Calvo Serer, Martínez Bande und eine erkleckliche Anzahl anderer nur weiter den liebdienerischen, historiographischen Rechtfertigungsdiskurs des Francoregimes vor – mit dünner liberaler Tünche.

Die „Absolventen“ dieser „Schule“ haben sich heute noch lieb, und neue „Schüler“ heißt man gern willkommen.

Im Vorwort zu seinen „mitos“ dankt Pío Moa (selbst Jahrgang 1948) für korrigierende Lektüre „und sonstige Hilfe“ u.a. Jesús Salas Larrazábal. Salas kämpfte auf der Seite Francos im spanischen Bürgerkrieg und ist heute in Spanien ein ebenso exponierter rechter Historiker wie sein Bruder Ramón. Carlos Seco Serrano, der die akademische Geschichtswissenschaft in Spanien über Jahre hinweg beherrschte wie sonst wohl nur Ricardo de la Cierva, nennt Pío Moas wissenschaftliche „Erkenntnisse“ „wahrhaft spektakulär“. Und der US-amerikanische Historiker Stanley Payne, eigentlich ein in Spanien hochgeschätzter Fachmann, war sich nicht zu schade, in einer vielgelesenen Kritik der „mitos“ seiner Sympathie für die extreme Rechte jede wissenschaftliche Redlichkeit zum Opfer zu bringen. (2)

Der „wissenschaftliche Wert“ der Schriften Pío Moas

Denn Pío Moa ist nichts weniger als ein „wissenschaftlicher Fachmann“. Ein Blick in ein beliebiges seiner Werke genügt, um alle „spektakulären Erkenntnisse“ (bestenfalls) als läppischen verlegerischen Verkaufstrick zu entlarven.

Nicht ein einziges neues Dokument hat Pío Moa für sein Buch eingesehen. Das Literaturverzeichnis ist schon beinahe bemitleidenswert schmal. Mit Belegen, wie sie jede noch so kleine wissenschaftliche Arbeit beizubringen hat, geizt der „Mythenzerstörer“ im Text auffallend. Dafür wimmelt es von Formulierungen wie „Es ist mittlerweile erwiesen …“, „Wie längst bekannt ist …“ und immer wieder „bekanntlich“ „bekanntlich“, „bekanntlich“. Konsens und Einverständnis werden beschworen, nicht herbeigeführt.

Die eigentliche „Leistung“ Pío Moas besteht in einer Blütenlese der grausigsten, drastischsten Schilderungen, die Spaniens konservative Historiographie zu bieten hat. Jede dieser Schilderungen wird in ihrer Interpretation grundsätzlich gegen die politische Linke gewendet.

Die Blutschuld der Francoseite wird lässig, oft mit knappen Nebensätzen, beiseite geschoben und bagatellisiert. Fakten oder Forschungsergebnisse, die dieser Interpretation widersprechen, nimmt Moa nicht zur Kenntnis.

Aber sogar unter seinen „rechten“ Quellen muss er gelegentlich auswählen.

Ein Beispiel, relativ willkürlich herausgegriffen: Für sein Kapitel über die zweifellos grausamen Kirchenverfolgungen in der republikanischen Zone während der ersten Monate des Bürgerkriegs ist ihm der erzreaktionäre katholische Kirchenhistoriker Vicente Cárcel Ortí als Quelle gerade gut genug. (3) Das Blut trieft nur so aus den Zeilen.

Wie in einem mittelalterlichen Inquisitionsprozess können die Schandtaten der republikanischen „Linken“ für Moa gar nicht grotesk und grauselig genug sein: Das ganze Kapitel ist ein Pandämonium gottlos-infernalischer Mordlust, grinsend gesteuert und angezettelt von bürgerlich-republikanischen Politikern (für die die Morde an den Geistlichen in Wahrheit keineswegs nur eine politische Katastrophe waren).

Antonio Montero Moreno dagegen, auf dessen 1961 erschienenes Standardwerk Cárcel Ortís Moritaten im Wesentlichen aufbauen und der gewiss keiner linken Wankelmütigkeit geziehen werden kann – er wurde unter Franco immerhin Bischof von Badajoz – ist Moa bereits zu lästig ausgewogen. (4) Dass Montero beispielsweise die brutale Mär (die Cárcel Ortí ohne einen korrigierenden Federstrich übernimmt) von jenem Geistlichen aus Barbastro, dem von revolutionären Milizen bei lebendigem Leibe die Hoden abgeschnitten wurden, für unglaubwürdig hält, trägt ihm vom „intellektuell aufrichtigen“ Pío Moa gleich den ersten Rüffel ein. Nüchterne, möglichst neutrale Reflexion (gerade da, wo’s schwer fällt)? Faktentreue? Historische Kontextualisierung? Mumpitz!

Liberale Schlenker leistet sich das Werk im Grunde nur im Vorwort. Der Informationsgehalt auf fast 600 Seiten ist lächerlich gering. Als Entschädigung erwartet die Leserinnen und Leser so manches frohe Wiedersehen: Denn Pío Moa verfährt beim halb-seriellen Abfassen seiner Werke nach einer Methode, die in Deutschland ein anderer „Experte“, Gerhard Konzelmann, mit reichem ökonomischen Gewinn für sich selbst und ebensolchem politischen Schaden für den Wissenstand der Allgemeinheit perfektioniert hat: Er schreibt großzügig von sich selber ab.

Damit wäre auch das Geheimnis gelüftet, wie es jemand schaffen kann, in einem einzigen Jahr drei prachtvolle Bücher nebst einer Flut von Pressepolemiken zu verfassen und nebenbei noch in Radio und Fernsehen aufzutreten, locker und gelöst, als sei das alles gar nichts. Gelegentlich sind über die Hälfte der „neuen“ Werke Pío Moas Zitate (oder wenig veränderte Paraphrasen) aus seinen älteren Veröffentlichungen. Man ist versucht, entnervt mit Rotstift an den Rand zu schreiben: „Thema“. Ebenso gut allerdings könnte man sich natürlich freuen, dass Pío Moas Bücher eine so verlässlich gleichbleibende wissenschaftliche Qualität besitzen.

Die Reaktion der Fachwelt

Das Echo, das Pío Moas Werke in der Fachwelt immer noch hervorrufen, ist denn auch in der Tat „ungewöhnlich“.

„Ich bin mir bis heute nicht sicher, wer sich eigentlich mit diesem Mann befassen soll: die Historiker, die Psychiater oder die Gerichte?“, schreibt Francisco Espinosa Maestre, Historiker an der Universität von Badajoz und Autor des lesenswerten Essays: „Das Phänomen des Revisionismus und die Gespenster der spanischen Rechten“. In einem Online-Chat, den die konservative Tageszeitung el mundo für ihre Leserinnen und Leser eingerichtet hat, antwortete der britische Historiker Paul Preston, ein anerkannter Spanienkenner, auf die Frage, ob er den „Historiker Pío Moa“ kenne: „Ja, ich kenne die Arbeit von Pío Moa. Mir scheint, dass er im Grunde nichts anderes tut, als die Forschungsarbeiten der großen Mehrheit der Historikerzunft, seien sie links oder rechts, zu ignorieren, um auf eine klein wenig sanftere Weise die franquistische Propaganda des Bürgerkriegs und der unmittelbaren Nachkriegszeit zu wiederholen.“

Prestons britische Kollegin Heather Graham ging in ihrer Kritik noch weiter: „Dadurch, dass er sämtliche mühsam zusammengetragenen und im Laufe der letzten 15 Jahre veröffentlichten empirischen Beweise schlicht ignoriert, stellt sich Pío Moa epistemologisch und moralisch auf eine Ebene mit Leugnern des Holocaust.“

Und es ist sicher kein Zufall, dass sich Pío Moa, der große „Entlarver von Fälschungen“, mit seinem neuesten Elaborat über Franco erst an die Öffentlichkeit wagte, nachdem ein anderer, im Gegensatz zu ihm allerdings vielfach bewährter Fachmann im Frühjahr 2005 überraschend verstorben war.

Javier Tusell, zuletzt Professor für Geschichte an der Universidad Nacional de Educación a Distancia (UNED) [‚Nationale Universität für Fernstudien‘], war nicht nur der beste Kenner der Francozeit, den Spanien hervorgebracht hat. Er hatte auch über seinen „Kollegen“ Pío Moa bereits deutliche Worte gefunden: „Pío Moa ist nicht im entferntesten ein Profi der Historikerzunft. Er hat ein paar Bücher gelesen, aber das Wesentliche […] ist seine systematische Interpretation [der Geschichte] gegen die Linke und zugunsten der extremen Rechten.“

Es ehrt akademische Profis, dass sie – trotz eingestandenen Widerwillens – zur Feder gegriffen haben, um dem öffentlichkeitswirksamen Treiben eines publizistischen Spesenritters Einhalt zu gebieten. Von einem „spanischen Historikerstreit“ zu sprechen, verbietet sich allerdings schon durch die erbarmungswürdige Qualität der Texte Pío Moas. Nichts wünschte Pío Moa sich sehnlicher, nichts wäre seinen Zielen zuträglicher, als den Eindruck zu erwecken, sein Aufguss abgelebter franquistischer Propagandaclichés sei wissenschaftlich diskussionswürdig.

„Man kann und soll“, schreibt der französische Historiker Pierre Vidal-Naquet, „über ‚Revisionisten‘ diskutieren: man kann ihre Texte analysieren, wie man das Innenleben einer Lüge analysiert; man kann und soll nach ihrem besonderen Platz im Gefüge der Ideologien fragen, das ‚wie‘ und‘ warum‘ ihres Auftauchens untersuchen. Aber man diskutiert nicht mit Revisionisten.“

Bliebe jene, vielleicht entscheidende Frage, auf die eine Antwort zu geben jeder versuchen muss, der das „Phänomen Pio Moa“ und des spanischen Geschichtsrevisionismus verstehen möchte. Eine Frage, die sich der spanische Politologe Alberto Reig Tapia, mit fast schon hörbarem Kopfschütteln, bereits im Sommer 2003 stellte: „Dass 28 Jahre nach Francos Tod, mit all der gründlichen und ernstzunehmenden Literatur zur II. Republik, dem Bürgerkrieg und der Francozeit, ein Herr Moa auf dem Buchmarkt sämtliche denkbaren Verkaufsrekorde bricht, lässt mich, ehrlich gesagt, die Welt nicht mehr verstehen.“

„Großmutter, warum verkaufst Du Dich so gut?“

Es gibt zweifellos mehrere Gründe für Pío Moas durchschlagenden Erfolg. Da sind zum einen die professionelle Vermarktung seiner Werke durch die großen Verlage des Landes; die grellbunten, augenfälligen Plakate, die seine Neuerscheinungen anpreisen; und die schiere Allgegenwart der Titel, die oft ganze Ladentische füllen. Schamlos wird dabei die äußerst verkaufsfördernde Illusion aufrecht erhalten, mit jeder neuen Arbeit Pío Moas liege ein weiteres bahnbrechendes, aufklärerisches Werk zur jüngeren spanischen Vergangenheit vor, dessen Rang und Wert nur eine um ihre Vorherrschaft besorgte „cofradía de la checa“ [‚Zunft‘ bzw. ‚Glaubensgemeinschaft der Cheka‘] (5) linker Historikerinnen und Historiker anzuerkennen sich böswillig weigere.

Zum anderen lässt sich nicht bestreiten, dass Pío Moas Bücher trotz (oder gerade wegen) ihrer völlig fehlenden wissenschaftlichen Redlichkeit gut zu lesen sind. Ihre faktenfrisierende, politische Einseitigkeit reduziert den zu ihrem Verständnis notwendigen Gedankenaufwand auf ein Minimum. Drastische Schilderungen verleihen ihnen den Charme eines leicht aufgedunsenen Groschenromans.

Wer Freude an lärmendem Propagandaton hat, kann sich beim Lesen einen Moment lang so vorkommen, als rücke er selbst mit dem Schwert des Geistes den linken Verderbern des Landes zu Leibe. Und dass man den Seitenumfang etwa der „mitos“ durch Verkleinerung des Zeilenabstands bequem um die Hälfte hätte reduzieren können, ist ebenfalls kein Nachteil.

In die Irre führt dagegen ein Erklärungsversuch, der in Spanien häufiger zu hören und zu lesen ist – sicherlich zur Freude der vermarktenden Verlage: der nämlich, dass es sich bei Pío Moa eben nicht um einen unbelehrbaren, verkalkten Altfranquisten handele, sondern um einen Ex-Linken, politisch großgeworden im bewaffneten Widerstand der siebziger Jahre, der demnach keinen Grund habe, der alten Gesinnung schön zu tun, sondern unvoreingenommen den Fakten gegenübertrete. Tatsächlich gehörte Pío Moa, nach kurzer Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Spaniens (PCE), Mitte der siebziger Jahre zur Führungsspitze der Terrororganisation GRAPO (Grupo de Resistencia Antifascista Primero de Octubre) [‚Antifaschistische Widerstandsgruppe 1. Oktober‘]).

Die GRAPO trat – eben an jenem 1. Oktober 1975 – erstmals öffentlich in Erscheinung. Obwohl sie sich selbst als bewaffneten Arm des „partido comunista (reconstituido)“ [’neugegründete Kommunistischen Partei‘] bezeichnete, sind begründete Zweifel angebracht, ob die GRAPO jemals zur radikalen Linken gehörte. Ihre Aktionen – Morde an Angehörigen von Polizei, Guardia Civil und Militär, mehrere Bombenanschläge, v.a. aber die Entführungen des Staatsratsvorsitzenden Antonio Oriol y Urquijo und des Generals Emilio Villaescusa Quilis im Dezember 1976 bzw. Frühjahr 1977 – provozierten die franquistischen Eliten und das Militärauf unerhörte Weise. Sie waren eher dazu angetan, jenen Militärputsch herbeizuführen, den die extreme Rechte seit Beginn der parlamentarischen Reformen nach dem Tod Francos (der sogenannten transición) herbeiredete, als einen Umsturz von Links. Nachweislich war die GRAPO von polizeilichen Agenten durchsetzt. General Gutiérrez Mellado, damals Verteidigungsminister, nahm sogar an, die GRAPO sei in Wahrheit eine Gründung von Militär und Polizei. Innenminister Rodolfo Martín Villa musste seinen für die Verfolgung der GRAPO verantwortlichen Kommissar Conesa, den vielleicht berüchtigtsten Folterer der Franco-Polizei, öffentlich gegen den Vorwurf in Schutz nehmen, selbst zur Führungsspitze der GRAPO zu gehören.

Für Paul Preston ist die Tatsache, dass Pío Moa nach seiner Haftzeit so problemlos zum Chefkommentator der Neofranquisten aufsteigen konnte, nur ein weiteres Indiz dafür, dass die GRAPO in Wahrheit ein blutiger Homunkulus der extremen Rechten war.

His masters voice: Pío Moa und Partido Popular

Aber auch in Spanien macht man als pseudo-wissenschaftlicher Scharlatan nicht einfach so Karriere; es sei denn, man hat die richtigen Freunde. Pío Moas Aufstieg vom neofranquistischen Publizisten zum Bestsellerautoren begann, als v.a. zwei Ereignisse das gesellschaftliche Leben in Spanien veränderten.

Spaniens große konservative Volkspartei Partido Popular schickte sich Ende der neunziger Jahre an, das Land für eine weitere Legislaturperiode zu regieren – mit absoluter Mehrheit. Eines der Ziele des alten und neuen Regierungspräsidenten José María Aznar (eines Zöglings der Eliteuniversität des Opus Dei in Pamplona) war die Umgestaltung des Lehrplans für den Geschichtsunterricht an Schulen und Hochschulen.

Es sollten auch die „positiven Aspekte“ des Franquismus gewürdigt und so ein „ausgewogeneres“ Bild der Geschichte gezeichnet werden. Gegen diesen „Rechtsruck“ regte sich Widerstand. Anerkannte Fachleute wie Julián Casanova, Santos Juliá, José Álvarez Junco, Julio Aróstegui und andere begannen, insbesondere die Geschichte der Repression unter Franco aufzuarbeiten.

Hatte die spanische Bevölkerung während der turbulenten Jahre der transición, in den Worten des Schriftstellers Jorge Semprún, aus gutem Grund „die Amnestie und die Amnesie“ gewählt – und es damit Nutznießern, Kollaborateuren und Protagonisten des Franquismus ermöglicht, ihre Pfründe und Privilegien relativ unbeschadet in die „neue Zeit“ hinüberzuretten -, schien nun die Zeit gekommen, dass eine neue Generation sich unvoreingenommen mit der Geschichte auseinander setzen konnte.

„Die erste Pflicht der Demokratie ist die Erinnerung“, heißt es etwa bei Francisco Espinosa, „und es steht außer Frage, dass die Vergangenheit nur wirklich überwunden werden kann durch die Erinnerung (subjektive Wahrheit), die Geschichte (historische Wahrheit) und schließlich die Gerechtigkeit (juristische Wahrheit). Denn ‚die Gerechtigkeit‘, sagt Elisabeth Jelin, ‚ist […] der solideste Teil der Erinnerung‘.“

So etwas hörten ein Teil der Wählerschaft, aber auch die Parteispitze von Partido Popular nicht gern. Denn Partido Popular war 1989 im Wesentlichen aus der altfranquistischen Alianza Popular hervorgegangen, einer Partei, in der ein Großteil der Eliten des alten Regimes ein politisches Zuhause gefunden hatte. Natürlich ist Partido Popular heute eine moderne Massenpartei im 21. Jahrhundert.

Aber die alt- bzw. neofranquistische Nomenklatura Spaniens gehört zu ihrer Klientel und wird, wenn nötig, ohne Skrupel mobilisiert. Öffentlich in die Nähe der „Mörder von 1936“ (und der folgenden Jahrzehnten) gerückt zu werden, gefährdete Partido Populars Chancen an der Wahlurne.

Als 1999 ein vielbeachtetes Grundlagenwerk zur franquistischen Repression [„Víctimas de la guerra civil“, ‚Opfer des Bürgerkriegs‘] erschien, ging Pío Moa als Chefkommentator der Rechten und „Anti-Historiker“ auf dem spanischen Buchmarkt in Stellung. Seine Veröffentlichungen sind politisch motivierte Reaktionen auf Veröffentlichungen der spanischen Historiographie, die der politischen Rechten nicht behagen. Es ist nur konsequent, dass sein Hauptvorwurf gegen eine neue, kritische Geschichtswissenschaft in Spanien jener ist, „rachsüchtig“ zu sein: „Diese Bücher wecken, keineswegs zufällig, noch heute Rachegelüste, anstatt zu einer nüchternen und möglichst objektiven Sicht der Vergangenheit beizutragen.“

Vergessen wird mit Versöhnung, Erinnern mit Hetze, „Propaganda“ und sozialem Unfrieden gleichgesetzt.

Mit der Öffnung der Massengräber durch die Asociación para la recuperación de la memoria histórica [‚Vereinigung zur Rückgewinnung der historischen Erinnerung‘]veränderte sich dann die Situation schlagartig. Nun lagen die Verbrechen des Francoregimes im wahrsten Sinne des Wortes offen zu Tage, und Pío Moa, der von Partido Popular gehätschelte Haus- und Hofschreiber, der jede Veröffentlichung zur franquistischen Repression mit einer Gegenveröffentlichung beantwortete, stand mit dem Rücken zur Wand.

Es genügte nun nicht mehr, Fakten einfach nur zu leugnen – es mussten andere Geschütze aufgefahren werden.

„Der politische Kontext des Revivals des offiziellen franquistischen Diskurses (denn darum handelt es sich bei dem vielbeschworenen ‚Revisionismus‘) ist ein entscheidender Faktor seines öffentlichen und medialen Erfolgs“, schreibt der Historiker Enrique Moradiellos: „Man gibt [nun] den Opfern der Repression und den ‚verantwortungslosen und antidemokratischen‘ Linksparteien die alleinige Schuld am Scheitern der republikanischen Demokratie. […]

Dies war eine intelligente und durchaus vorhersehbare Reaktion. Denn wenn die Wiedererlangung der Würde jener anonymen Toten in dem Willen geschah, zu zeigen, dass ‚die heute regierende Rechte Erbe der Mörder von 1936‘ sei, brauchte man nicht lange zu warten, bis die so Beschuldigten antworten würden, jene, die da Forderungen stellten, seien ‚die Erben von Umstürzlern, die den Frieden zwischen 1934 und 1936 gebrochen‘ hätten.“

Die Schriften Pío Moas (und anderer spanischer Geschichtsrevisionisten) sind in einem ganz eigentlichen Wortsinn Wahlkampfhilfe für Partido Popular. Hier liegt wohl auch der Hauptgrund für ihren durchschlagenden Erfolg, denn der Handel läuft auf Gegenseitigkeit, und eine Hand wäscht die andere: 2003 erklärte José María Aznar lächelnd in die laufenden Kameras, seine „Lektüre für diesen Sommer“ sei Pío Moas „Los mitos de la guerra civil“. Einer der Mitarbeiter des historischen Online-Magazins El Catoblepas, in dem Veröffentlichungen Pío Moas gegen jede Kritik mit Hitze verteidigt werden, ist der gegenwärtige Vorsitzende von Partido Popular, Mariano Rajoy. Und bei einer Pressekonferenz in Salamanca, mit der Partido Popular im vergangenen Jahr Skandal machen wollte um die angebliche „Zerstörung“ des Archivo General de la Guerra Civil [‚Generalarchiv des Spanischen Bürgerkriegs‘] durch Rückgabe der unter Franco gestohlenen Dokumente an die katalanische Regionalregierung Generalitat, saß Pío Moa als „Fachmann“ auf dem Podium.

Die Konjunktur des neurechten Diskurses

Die Frage nach den Gründen für den Erfolg eines Pío Moa ist eine Frage nach den politischen und sozialen Interessengruppen, die sich von diesem Erfolg einen Vorteil versprechen.

Das „Phänomen Pío Moa“ ist kein historiographisches, sondern ein politisches. Seine Person ist dabei keineswegs erheblich: Junge rechte Historiker wie José Luis Gutiérrez Casalá besitzen weit größere wissenschaftliche Befähigung und könnten ihn medial in naher Zukunft „beerben“.

Der katalanische Literaturwissenschaftler Jordi García stellte die Frage, ob es sinnvoll sei, soviel Zeit und Energie auf Pío Moa zu verschwenden?

Ob man nicht durch fortgesetzte Kritik der spanischen Öffentlichkeit eben jene verschworene, linke Seilschaft vorzuführen drohe, die die neofranquistische Rechte so eifrig herbeiphantasiere?

Diese Frage ist berechtigt. Denn einen Platz in der Geschichte der spanischen Historiographie wird Pío Moa kaum erringen können. Der neurechte Diskurs jedoch, für den Pío Moa geradezu prototypisch steht, hat längst auch außerhalb Spaniens Konjunktur. Die Auseinandersetzung mit Geschichtsrevisionisten wie ihm kann helfen, auch in anderen Ländern zu verhindern, dass aus Gründen der politischen Opportunität grundlegende Verfahrensweisen der Wissenschaft widerspruchslos außer Kraft gesetzt und historische Fakten verfälscht oder unterschlagen werden.

In Spanien ist die polemische Auseinandersetzung um die Renaissance des Neofranquismus Teil eines längst überfälligen gesellschaftlichen Diskussionsprozesses, der, so steht zu erwarten, das Land grundlegend verändern wird.

(1) Heute ist Emilio Silva Kopf der Asociación para la recuperación de la memoria histórica (APRMH) ['Vereinigung zur Rückgewinnung der Erinnerung an die Geschichte'], einer äußerst aktiven, parteiunabhängigen Bürgerinitiative, die offensiv auf eine öffentliche Auseinandersetzung mit der spanischen Vergangenheit drängt. Silva (Jg. 1965) und seine Asociación öffneten bis zum Herbst 2003 in Spanien insgesamt 54 anonyme Massengräber, in denen die Opfer des Militärputsches vom Juli 1936 und der Repression des ersten Nachkriegsjahrzehnts verscharrt wurden. Es bleiben, so Silva, aber noch Tausende solcher Gräber. Die Zahl der desaparecidos ['Verschwundenen'] der Francoherrschaft schätzt er auf ca. 30.000. Genauere Zahlen lassen sich schwer ermitteln, da zahlreiche Archive von Militär und Justiz nicht zugänglich sind. Die Aktionen der Asociación haben auch in Deutschland in der Presse für Aufmerksamkeit gesorgt (vgl. u.a. Maldavsky, José, "Massengräber am Straßenrand. Die Generation der Enkel exhumiert die Hinterlassenschaften des spanischen Bürgerkriegs", in: le monde diplomatique, Januar 2003, S.14-15; Dahms, Martin "Francos Nachwirkungen", in: Frankfurter Rundschau, 17. November 2005, S.3). Von der beinahe zufälligen Geburt der Asociación in Priaranza del Bierzo und den zum Teil grauenerregenden Ereignissen rund um die Öffnung der Gräber hat Emilio Silva selbst mehrfach Zeugnis abgelegt (vgl. u.a. Silva, Emilio, Las fosas de Franco, Crónica de un desagravio, prólogo de Isaías Lafuente, 1. Auflage, Madrid (Temas de Hoy), 2005). Die APRMH besitzt eine aufschlussreiche homepage: www.memoriahistorica.org.

(2) Payne, Stanley, "Mitos y tópicos de la Guerra Civil", in: Revista de libros, Nr. 79-80, Juli/August 2003, S.2-5; im Netz (auf Englisch) unter: http://wais.stanford.edu/Spain/spain_piomoaandthecivilwar7803.html. Stanley Payne ist Autor unbestrittener Standardwerke zum spanischen Faschismus (u.a. Payne, Stanley, Falange. Historia del fascismo español, Madrid (SARPE) 1985, erstmals bei Ruedo Ibérico erschienen). Nach Aussage seines Kollegen Herbert Southworth rückte Payne allerdings im Laufe seiner Forschungen dem Gegenstand seiner Forschung politisch immer näher (vgl. Espinosa Maestre 2005:69). 1969 unterstützte er öffentlich die Behauptung Ricardo de la Ciervas und seiner "neofranquistischen Schule", dass es möglich sei, in Spanien unabhängige, objektive Geschichtswissenschaft zu betreiben (vgl. ebenda). Für Pío Moas 2004 erschienenes revisionistisches Werk 1934. Comienza la guerra civil. El PSOE y la Esquerra emprenden la contienda (Barcelona (Altera) 2004) schrieb Payne das Vorwort. Er unterstützt Moas Behauptung, dass es notwendig sei, die Vorherrschaft einer linken Historiographie zu brechen, die die Geschichte zu Propagandazwecken missbrauche, um der PSOE politische Vorteile zu verschaffen und die Rechte zu bekämpfen (vgl. Payne 2003:2-5).

(3) Vicente Cárcel Ortí, Kanzler der Apostolischen Signatur in Rom bis zu seiner feierlichen Entlassung in den Ruhestand im vergangenen Jahr, ist einer der "Architekten" der massenhaften Seligsprechungen von während des Bürgerkriegs getöteten spanischen Geistlichen durch Papst Johannes Paul II im Jahr 2001. Seine mitunter höchst polemischen Veröffentlichungen zur Kirchenverfolgung, v.a. sein vielgelesenes Werk La persecución religiosa durante la Segunda República (1931-1939), Madrid (RIALP) 1990 (das nicht zufällig bei einem Verlag erschien, der im Besitz des Opus Dei ist), müssen vor diesem Hintergrund als interessengeleitete Kampfschriften verstanden werden. Zur Kritik an Cárcel Ortí vgl. u.a. Raguer, Hilari, La pólvora y el incienso. La Iglesia y la Guerra Civil española (1936-1939), prólogo de Paul Preston, Barcelona (Península) 2001, S.33.

(4) Vgl. Montero Moreno, Antonio, Historia de la Persecución Religiosa en España (1936-1939), Madrid (Biblioteca de Autores Cristianos) 1961. Obwohl extrem parteiisch, ist dieses Werk, das 1961 als Doktorarbeit an der päpstlichen Universität von Salamanca vorgelegt wurde, von großer Wissenschaftlichkeit und nahezu ehrfurchtgebietender empirischer Akkuratesse. Die Zahlen, die Montero für die Opfer der blutigen Verfolgung des weltlichen wie geistlichen Klerus während der ersten Monate des Bürgerkriegs angibt, gelten auch heute noch als verlässlich.

(5) So nannte der Historiker Jiménez Losanto 2001 in einem Artikel für el mundo solch hervorragende Fachkollegen wie Julio Aróstegui, Alberto Reig Tapia, Julián Casanova, José Álvarez Junco und Santos Juliá. Diese "Bruderschaft der Cheka" [blutdürstiger russischer Geheimdienst unter Stalin, Anm. MB] habe einzig zur Aufgabe, die "sozialistischen Führer mit ideologischem Abfall zu versorgen" (Jiménez Losanto, F., "Violencias", in: el mundo, 30.3.2001, o.S.) Die immer wieder behauptete "Vorherrschaft der Linken" in der akademischen Welt Spaniens ist darum besonders erheiternd, weil die spanischen Universitäten - unvermeidbar - z.T. noch heute im Zeichen franquistischer Hochschulpolitik- und Diskurse stehen, und nicht in der Tradition etwa der II. Republik. Jiménez Losanto ist übrigens verantwortlicher Administrator von Libertaddigital.com. Stichwort: Schulfreundschaften...