Kann man als Anarchist durch Barcelona gehen, ohne nostalgisch zu werden? Ich habe es mir jedenfalls fest vorgenommen: Nicht der Glorie jener libertären Revolution wollte ich nachspüren, die vor einem Menschenalter der staunenden Welt bewies, dass Anarchie funktioniert, sondern dem, was heute ist.
Schlägt das Herz der heimlichen Anarcho-Hauptstadt auch nach 70 Jahren noch? Wo? Und vor allem: wie? Taugt Barcelona noch immer als libertärer Trendsetter, oder hat sich der Anarchismus dort mit dem Blick auf die ruhmreiche Vergangenheit abgefunden?
Wie das mit festen Vorsätzen so ist: Mitten auf den Ramblas laufe ich einem anarchistischen Ausrufer in die Arme, der lauthals Nostalgie anpreist: „Señoras y Señores, kommen Sie, hier finden Sie das romantische Barcelona von früher!“ Auf beiden Seiten Büchertische der Confederación Nacional del Trabajo mit Anarchokappen, CNT-Feuerzeugen, Stickern und Che Guevara-T-Shirts, dazwischen Zeitungen, Reprints von Postern und Büchern über die spanische Revolution von 1936. Der Stand wird belagert von jugendlichen Touris, die sich eindecken; die Ramblas sind heutzutage Barcelonas folkloristische Flaniermeile. Die beiden Tische sind strategisch gut postiert, direkt am Eingang zur Plaza Real, kaum jemand kommt ungeschoren durch.
Die gute und die böse CNT
Noch gestern hätte mich diese Cleverness gefreut, wenn ich nicht mittlerweile wüsste, dass hinter jedem Tisch eine andere CNT steht, zum Verwechseln ähnlich, aber heillos untereinander zerstritten. Sogar ihre Zeitungen führen den selben Namen: Solidaridad Obrera – vor langer Zeit ein Massenblatt und eines der wichtigsten Organe im libertären Spanien.
Zu einer Zeit, als die anarchistische Gewerkschaft noch Millionen Mitglieder zählte und stärkste soziale Kraft Spaniens war …
Mein erster Weg hatte mich natürlich schon vor Tagen zum Sitz der CNT an der malerischen Plaza Medinacelli geführt, den ich seit den 70er Jahren als einen quirligen Ort lebendiger libertärer Aktion kannte. Aber die Öffnungszeiten waren auf werktags 19 Uhr reduziert, und selbst da stand ich vor verschlossener Tür. Es war nicht leicht, schließlich per Telefon einen Interviewtermin zu bekommen, aber letztlich wurde ich als FAU-Mitglied doch noch freundlich empfangen – samt meinem Empfehlungsschreiben.
Als erstes beging ich einen faux-pas. Ich gratulierte den Genossen zu ihrem neuen Büro in der Calle Joaquín Costa und dem schicken Buchladen, die ich zufällig in der Altstadt entdeckt (und ebenfalls verschlossen vorgefunden) hatte. Betretene Gesichter. „Das ist gar keine CNT, das sind Usurpatoren, die von uns längst ausgeschlossen sind.“
So erfuhr ich von der CNT desfederada und einem internen Konflikt, der sich vor über 10 Jahren zutrug und bis heute zu dem ebenso paradoxen wie fatalen Zustand führt, dass in ganz Katalonien zwei konkurrierende, wenn nicht gar verfeindete CNTs in der Öffentlichkeit unter identischen Namen, Fahnen und Zeitungen auftreten und so das hässliche Bild von Zerrissenheit und Bruderkampf bieten. Deren überaus komplizierte Ursachen kann kein normaler Mensch so recht nachvollziehen. Mittlerweile interessieren sie auch kaum noch jemand anderes als die Beteiligten. Das politische Barcelona lacht darüber oder zuckt die Schultern.
Tatsächlich blieb diese Spaltung in den Interviews mit den CNT-Vertretern beider Richtungen das beherrschende Thema. So sehr ich mich auch bemühte, das Gespräch auf den gemeinsamen libertären Diskurs, auf aktuelle Kämpfe oder zeitgemäße anarchosyndikalistische Strategien zu lenken, die Leidenschaft obsiegte. Denn in dieser verworrenen Story aus persönlichen Animositäten, Machtkämpfen zwischen Basisgruppen und „Apparat“ sowie 148 Millionen Peseten, die 1992 als staatliche Entschädigung flossen, hat natürlich jede Seite Recht. Besonders aber die CNT von der Plaza Medinacelli, denn die weiß die AIT und die FAI (1) hinter sich und versteht sich daher „nach Aktenlage“ als die einzig „echte“, als „CNT auténtica„.
Gewerkschaft in der Klemme
Zum Glück wurden die Gespräche dann doch noch sachlich – und auch informativ, wenngleich natürlich stets aus dem jeweiligen Blickwinkel und entsprechend widersprüchlich.
Die CNT auténtica betont, dass sie in letzter Zeit in ganz Spanien wieder vermehrt in der Arbeiterschaft Fuß gefasst hat und zunehmend in Arbeitskämpfen agiert.
Tatsächlich erlebe ich live die fieberhaften Vorbereitungen für den morgigen Aktionstag: Im Auslieferungslager der Supermarktkette Mercadona sind CNT-Mitglieder entlassen worden, worauf der Streik ausgerufen wurde. Auf diese Aktion fokussiert sich derzeit die Aktivität, ist hier doch eine der wenigen aktiven Betriebsgruppen vital bedroht, die die CNT noch hat. Wenngleich mein Interviewpartner von der CNT desfederada darauf hinweist, dass die überwiegend aus Lateinamerika stammenden und als Billigarbeitskräfte brutal ausgebeuteten CNTistas ihren Kampf im Grunde schon aufgegeben haben und eigentlich nur noch für eine ordentliche Abfindung kämpfen, mobilisiert die CNT mit bewundernswertem Eifer und Elan alle ihre Kräfte. Sie versteht diesen Kampf auch als ein Stück praktischer Solidarität mit den zahllosen ausgebeuteten Randgruppen: ImmigrantInnen, Billiglohnsklaven, Arbeitslose.
Allerdings sind diese Kräfte begrenzt. Denn was die Verankerung in der spanischen Arbeiterschaft und die „klassische“ Rolle angeht, die die anarchosyndikalistische CNT als relativ starke Gewerkschaft noch vor wenigen Jahren spielte, sieht es eher mager aus. Die Organisation zählt – je nach Lesart – in Barcelona noch zwischen 300 und 600 Mitglieder, die verstreut in den verschiedensten Berufen arbeiten oder kleine Betriebsgruppen unterhalten, die jedoch kaum offen auftreten können. Nach übereinstimmender Auskunft hat die CNT hier keine einzige funktionierende Branchengewerkschaft mehr und ihre secciones sindicales wieder auf die oficios varios reduziert, die „Vereinigung aller Berufe“, wie sie auch in der FAU die Regel ist. Mit einer ganz frischen Ausnahme, auf die Eduardo Rodrigo, einer meiner Interviewpartner der CNT auténtica stolz verweist: die über 20 Mitglieder starke Gewerkschaftssektion – der Archäologen…
Findet die CNT vielleicht als Gewerkschaft der Randgruppen zu neuer Stärke und Identität? Ja, meint Eduardo, gerade hier genieße sie einen guten Ruf und habe regen Zulauf.
Ignacio Lamata, der mich bei den desfederados empfängt, schätzt die Situation nüchterner ein. Er ist ein alter Hase und seit Jahrzehnten in der Bewegung. Natürlich ist er mit den überwiegend „sehr jungen Leuten“, die bei den auténticos erstaunlicherweise den Ton angeben, solidarisch – aber er sieht auch, dass sie mit viel Elan auf verlorenem Posten kämpfen. Er zieht eine düstere Bilanz der letzten 20 Jahre. Eine Zeitspanne, in der die CNT, die in Barcelona in manchen Branchen sogar Mehrheitsgewerkschaft und tonangebende politische Kraft war, fast in die Bedeutungslosigkeit zurückgefallen ist. Es sei einfach beschämend, wenn in Barcelona am 1. Mai ganze 50 CNT-Leute auf die Demonstration kämen, wettert er. Gründe hierfür sieht auch er in den verhängnisvollen Spaltungen (die beschriebene war nicht die einzige), aber auch in gewissen Verkrustungen der CNT. Sie sei noch immer zu sehr rückwärtsgewandt und ließe sich von den Apparatschiks der FAI viel zu sehr zu dogmatischem Purismus drängen. Zum Beispiel auch in der kontrovers diskutierten Frage, ob eine anarchosyndikalistische Gewerkschaft an Betriebsratswahlen teilnehmen und Tarifverträge abschließen dürfe. Zwar legt er Wert auf die Feststellung, dass er in dieser Frage keineswegs mit der CGT übereinstimme, aber er fordert, dass dies in bestimmten Fällen auch für die CNT eine Option sein müsse. Wie sonst, so fragt er, solle man denn die Arbeiterschaft erreichen?
Und wenn sie nicht erreicht und von unseren libertären Alternativen überzeugt würden, so fürchtet er, könnte die nächste große Krise geradewegs zu einem neuen Faschismus führen.
Und noch ne Spaltung …
Die CGT, von der Ignacio sich so vorsichtig distanzierte, ist die dritte anarchosyndikalistische Gewerkschaft, die ich in Barcelona besuche. Sie ist zugleich die stärkste – nicht nur hier, sondern in ganz Spanien. Ihre Abspaltung ist schon über ein Vierteljahrhundert her, aber die Narben sind auch hier noch nicht geheilt. Ich erinnere mich noch gut an den fatalen 5. Kongress der CNT, wo ich 1979 als junger Delegierter fassungslos mit erleben musste, wie Genossen mit dem Messer aufeinander losgingen.
Als 40 Jahre nach der Revolution der greise Diktator Franco starb und die CNT wieder erstarkte, war der Unterschied zwischen Traditionalisten und Erneuerern unüberbrückbar geworden. Die tradicionalistas wollten an die anarchosyndikalistischen Programme der 30er Jahre nahtlos anknüpfen, die renovadores forderten eine offene Debatte für eine Neubestimmung in den veränderten Realitäten. Auch hier waren Betriebsratswahlen und Tarifverträge das große Reizthema: anarchistischer Sündenfall für die einen, mögliche Option als pragmatisches Werkzeug für die anderen. Die Diskussion zog sich über Jahre hin, generierte regelrechte Schlammschlachten, hässliche Kleinkriege und eine endlose Prozessiererei um „anarchistische Markenrechte“, denn die Frage, wer den historischen Namen CNT führen dürfte, war zum zentralen Streitpunkt mutiert. Derweil lief dem Anarchosyndikalismus die Arbeiterschaft davon.
Dem machten die Erneuerer schließlich ein Ende, besannen sich auf den alten Namen Confederación General del Trabajo, der schon 1910 bei der CNT-Gründung zur Debatte gestanden hatte, und segeln seit 1989 ebenfalls unter der schwarzroten Fahne, aber als CGT, ihren eigenen Kurs. Hartnäckig haftet ihnen in anarchistischen Kreisen der Ruf an, „reformistisch“ zu sein und mit dem Staat und den Unternehmern zu paktieren. Sie hätten bezahlte Funktionäre, seien von Marxisten, Trotzkisten und Bourgeois unterwandert und selbstverständlich keine Anarchosyndikalisten, geschweige denn Anarchisten. Erst kurz vor meiner Abreise wurde in einem AIT-Zirkular eindringlich vor diesen marxistischen „Elementen“ gewarnt, die den anarchosyndikalistischen Namen missbräuchten und eine arbeiterfeindliche Politik betrieben. In manchen Anarchokreisen gilt es geradezu als unanständig, auch nur Kontakt zur CGT zu haben; in der AIT gar als Ausschlussgrund.
Gewerkschaft im Aufwind
Als ich das CGT-Büro in der Via Layetana (ex Via Durruti) aufsuche, glaube ich zunächst, ich hätte mich in der Adresse geirrt: ein großes Bürohochhaus aus den 50ern, ein freundlicher Pförtner am Empfang im Foyer, überall schwarzrote Wegweiser zu allen möglichen Gewerkschaftssektionen, Veranstaltungs- und Sozialräumen, Rechtshilfebüro, Schulungszentrum, Bar … So etwas war mir in fast 40 Jahren Anarchodasein noch nicht begegnet; fast automatisch kommen Skepsis und Misstrauen hoch: Das sieht ja aus wie in einer „richtigen“ Gewerkschaft – hat sich die CGT also doch vom System „kaufen“ lassen?!
Am Telefon hatte man mir gesagt, der Auslandssekretär würde mich erwarten – und das war dann die zweite Überraschung: Mir kommt ein alter Bekannter entgegen, Angel Bosqued, Anarchoaktivist seit den 70ern, der uns vor vielen Jahren in Deutschland besucht hatte, als wir das „Projekt A“ aus der Taufe hoben …
Mit ihm kann ich ja offen reden, also bringe ich sogleich meine Skepsis an den Mann. Angel lacht und klärt mich auf: Das Hochhaus gehörte einer Abteilung der alten faschistischen Franco-Gewerkschaft, wurde vor Jahren besetzt, und die CGT hat sich inzwischen ein Bleiberecht erkämpft. Als anarchosyndikalistische Organisation lehnt die CGT das Berufsfunktionärstum ab; die meisten FunktionsträgerInnen seien als Betriebsratsmitglieder freigestellt und würden vom Arbeitgeber bezahlt, er selbst zum Beispiel vom deutschen Versicherungsmulti Allianz. Die Statuten erlaubten nur bedürftigen Genossinnen und Genossen ein geringes Salär, etwa im Sekretariat sehr großer Ortsföderationen; in Barcelona werden der Portier und zwei Reinigungskräfte bezahlt, die vorher arbeitslos waren. Auch die Annahme staatlicher Fördergelder, etwa für Bildungsarbeit, ist strikt geregelt: Die Statuten verbieten die Annahme öffentlicher Gelder für alle grundlegenden Strukturen der CGT; nur Subventionen für punktuelle Projekte sind erlaubt: maximal 10 % des Etats. Aber selbst das wird nicht gerne gesehen.
Die finanzielle Basis der CGT sind die Beiträge ihrer Mitglieder. Und das sind in Barcelona 5.000, in Katalonien 10.000, in Spanien 60.000. Wobei nur diejenigen gezählt sind, die ihre Beiträge gezahlt haben. Die Gewerkschaft ist in allen relevanten Branchen fest verankert, mit Ausnahme von Bauindustrie und Landwirtschaft. In einigen Unternehmen ist sie Mehrheitsgewerkschaft, in der Regel aber nach UGT (sozialdemokratisch) und Comisiones Obreras (kommunistisch) die dritte Kraft: bei den Arbeiterinnen und Arbeitern respektiert, weil sie hart verhandelt, kämpferisch agiert und entsprechend viel „herausholt“ – bei Staat und Unternehmern als „verbohrt“, „militant“, „unverschämt“ und „Utopisten“ verschrien.
Die Öffentlichkeit verfolgt die Kämpfe der CGT aufmerksam, Staat und Wirtschaft mit Argwohn, denn sie bringt gefährlich-radikale Positionen bis hin zum Steuerboykott ins Spiel und mischt in wichtigen Schlüsselindustrien mit: Post, Bahn, Banken und große Metallbetriebe wie die zum VW-Konzern gehörige SEAT. Dort haben die Anarchosyndikalisten 14.000 Stimmen bekommen, und 20 gewählte CGTistas tragen jetzt den Druck der Basis in die Verhandlungen.
Denn trotz aller Unkenrufe: Die CGT sieht in Betriebsräten und Tarifkommissionen keinen Selbstzweck, sondern nur eine pragmatische Option, um die Basis überhaupt zu erreichen und konkrete Verbesserungen zu erkämpfen. Die Grundlage ihrer Struktur bilden jedoch Betriebsversammlungen und autonome Basiskomitees. Wo immer es geht, wird diese direkte Demokratie von unten aufgebaut, gefördert und forciert. Nicht immer mit Erfolg.
Ambivalente Erfahrungen
Angel redet ganz offen über die ambivalenten Erfahrungen aus 20 Jahren des anarcosindicalismo renovado.
Wir haben uns inzwischen unters Dach in das anarchistische Archiv Salvador Seguí geflüchtet, nachdem uns ein Rundgang durch ein Dutzend Büros, durch Schulungszentren, Redaktionsräume und die Bar ein wenig ermüdet hatten: überall Shakehands, viele Fragen zur Situation in Deutschland – und zwischendurch, in der Sala Durruti, ein improvisiertes Meeting mit einigen Aktivisten und der frisch gewählten Generalsekretärin der katalanischen CGT… Überhaupt fällt hier die große Zahl von Frauen ins Auge.
Klar, sagt Angel, befände man sich ständig auf einer Gratwanderung, einem Spagat zwischen den sozialen Tageskämpfen und dem Ziel einer anarchistischen Gesellschaft. Von daher sei die CGT natürlich der Gefahr ausgesetzt, in Reformismus abzugleiten. Es gebe Sektionen, wo die Basisversammlungen hervorragend funktionierten, in anderen dagegen sei es regelrecht deprimierend. Aber „sich die Hände schmutzig zu machen“ wäre nun einmal der Preis dafür, in der realen Arbeitswelt zu kämpfen.
Das sei übrigens bei der historischen CNT auch nicht anders gewesen – und gerade dies habe ihre einzigartige Stärke und Schlagkraft begründet: die Verbindung zwischen Alltag und Utopie zu schaffen. Das vergäßen die „Genossen der reinen Lehre“ leider immer bei ihrer Kritik. Für sie reduziere sich das Bild auf eine höchst revolutionäre Situation vor 70 Jahren, als die CNT aus einer Position der Stärke heraus die Machtfrage stellte. Zu einer solchen Stärke aber gelange man nicht durch den Rückzug aus dem realen Leben. Im Grunde, so Angel, knüpfe die CGT an der Politik der alten CNT an. Die heutige CNT, für deren Kämpfe er übrigens auch lobende Worte findet, sieht er in der Gefahr, sich von der realen spanischen Gesellschaft zu isolieren.
Die CGT versteht sich denn auch, genau wie die historische CNT, nicht als eine Gewerkschaft für Anarchisten, sondern als eine anarchistische Gewerkschaft für alle arbeitenden Menschen.
Die meisten Mitglieder sind ihr beigetreten, weil ihnen die kämpferische Linie in einem Arbeitskonflikt imponiert hat oder sie von den reformistischen Gewerkschaften enttäuscht wurden. In vielen kleinen weiteren Schritten werden sie mit der libertären Zielsetzung vertraut gemacht und nach Möglichkeit eingebunden. Denn die CGT betreibt neben der Betriebsarbeit einen ganzen Fächer sozialer, kultureller und politischer Initiativen und ist in die aktuellen gesellschaftlichen Kämpfe Spaniens aktiv eingebunden: von der Ökologie- über die Frauenbewegung bis hin zu selbstverwalteten Betrieben, Antifa und Stadtteilarbeit.
Und am Fuße der Pyrenäen bietet sie Arbeiterfamilien in einem gewerkschaftseigenen Dorf sogar preiswerten Öko-Urlaub.
Wenn aber jeder in die CGT eintreten kann, bietet sie sich dann nicht für Unterwanderung geradezu an?
Angel zuckt die Schultern: Das habe man natürlich alles erlebt, genauso übrigens wie die CNT. Der Reihe nach haben es die Trotzkisten, Maoisten und sogar schon katalanische Nationalisten versucht, aber sie hätten sich allesamt an den Statuten die Zähne ausgebissen: In einer wirklich libertären Struktur liefen deren Unterwanderungskonzepte einfach ins Leere, da die Funktionen ja mit keinerlei Macht über die Mitglieder verbunden seien.
Die Leute, so Angel, hätten entweder resigniert oder wären zu Anarchisten geworden.
Brücken schlagen
Zwei Tage später bin ich im Stadtteil Sants zu Gast bei verschiedenen libertären Initiativen. In einem besetzten Haus wundere ich mich über Plakate und Aufrufe der CGT. Die Squatters indes wundern sich nicht. Von ihnen erfahre ich, dass es bei der CGT üblich ist, ihre Gewerkschaftstagungen in den Räumlichkeiten anderer sozialer Bewegungen und Projekte abzuhalten – beispielsweise in besetzten Häusern. Ich bin beeindruckt. So werden aktiv Brücken gebaut zwischen der Welt der Lohnarbeit und politischer Gegenkultur.
(1) FAI = Federación Anarquista Ibérica, anarchistische iberische Föderation, AIT = Asociación Internacional de los Trabajadores - anarchosyndikalistische Internationale
Anmerkungen
Der zweite Teil erscheint in der GWR 312: Genossenschaften, Stadtteilbewegung, Hausbesetzer, Projekt A und libertäre Gegenkultur.
Eine ausführliche Abhandlung des Themas in Buchform einschließlich der Interviews erscheint in Kürze im Verlag Edition AV.