nachruf

Die Hoffnung nie aufgegeben

Peter Gingold (1916-2006)

| Frank Bärmann

Peter Gingold kämpfte sein ganzes Leben für ein antifaschistisches Deutschland. Trotz zahlreicher Rückschläge und Anfeindungen hat er die Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft nie aufgegeben. Er ist in der Nacht zum 29. Oktober 2006 im Alter von 90 Jahren gestorben.

1916 in Aschaffenburg geboren, wurde Peter Gingold als Kind einer jüdischen Schneiderfamilie aus Polen sehr religiös erzogen. Gekocht wurde koscher. Die jüdische Gemeinde in Aschaffenburg war klein. Peter war der einzige jüdische Schüler in seiner Klasse. Unter seinen Mitschülern und beim Spielen auf der Straße erfuhr er kaum Antisemitismus.

Anders war es daheim: Der Hausmeister hatte einen Haß auf Jüdinnen und Juden. Mit 13 Jahren feierte Peter Gingold Bar Mitzwah. Zum Feiern kamen viele Gäste aus der Gemeinde zu ihnen nach Hause. Oben in der Wohnung angekommen, standen sie mit beschmierten Handschuhen da. Der Hausmeister hatte den Handlauf mit Senf eingestrichen.

Während der Weltwirtschaftskrise war die Arbeitslosigkeit sehr hoch

Nachdem Peter Gingold das letzte Schuljahr in der jüdischen Volksschule in Frankfurt besucht hatte, begann er 1930 nach langer Suche in der Musikgroßhandlung Rothschild & Co. eine kaufmännische Lehre. Von der Krise war auch die kleine Schneiderei des Vaters betroffen. Die Kundschaft war selbst gebeutelt und blieb weg. Deswegen mußte Peter sein Lehrgeld von 30 Mark zu Hause abliefern. Er hatte fünf Geschwister. Seine Eltern hatten keine Schule besucht, konnten zwar lesen, aber nicht schreiben. Politisch bekam er von zu Hause wenig mit.

Daß die Nazis die Jüdinnen und Juden schlechthin für die zusammenbrechenden Aktienmärkte, die Weltwirtschaftskrise und die Massenarbeitslosigkeit verantwortlich machten, war der Anfang seines politischen Lebens. Bald nach Beginn der Lehre trat Peter Gingold der Gewerkschaftsjugend des Zentralverbands Deutscher Angestellter (ZDA) bei und fing an, eifrig zu lesen. Zur Lektüre zählten neben literarischen und historischen Bändchen auch marxistische Schulungshefte. Ein Jahr später schloß er sich mit 15 Jahren dem Kommunistischen Jugendverband (KJV) an.

In der Arbeiterbewegung fand sich, was er suchte: Auseinandersetzung mit der Lage der Arbeiterklasse und Argumente gegen den Faschismus der Nazis. Heimlich legten sie Flugblätter aus und verbreiteten Streuzettel, entfernten Hakenkreuze und klebten Plakate mit der Aufschrift „Wer Hitler wählt, wählt den Krieg!“ oder prügelten sich mit der Nazijugend. Mit zunehmendem politischem Engagement wandte er sich von der Religion ab.

Im Visier der Nazis

Nach dem 30. Januar 1933 kam es bald zu Verhaftungswellen. Davon betroffen waren Tausende, vor allem kommunistische, sozialdemokratische, anarchistische und in Gewerkschaften aktive Männer und Frauen. Die Kommunistische Jugend organisierte sich sukzessive illegal.

Die antisemitische Hetze wurde in der Kommunistischen Arbeiterjugend als Ablenkung gedeutet. Man glaubte, die Nazis propagierten „Rassenhaß statt Klassenhaß“.

Trotz des Boykotts jüdischer Geschäfte am 1. April 1933 war für Peter die Massenverfolgung der Jüdinnen und Juden noch nicht absehbar. In Frankfurt war an diesem Tag zu beobachten: Viele Leute widersetzten sich dem Boykott, gingen an den mit Umhängeschildern „Ein Deutscher kauft nicht bei den Juden!“ postierten SA-Männern vorbei in jüdische Geschäfte, um zumindest eine Kaufabsicht zu bekunden. Eine Frau betrat mit ihrem alten Hut ein jüdisches Hutgeschäft. Weil sie sich aber keinen neuen Hut leisten konnte, bat sie die Verkäuferin, ihr den alten in eine Einkaufstüte zu packen, um den SA-Männern ihren Protest zu demonstrieren.

Der Boykott brachte den Nazis nicht den erhofften Zuspruch. Im Gegenteil: Im Ausland, z.B. in London, kam es zum Gegenboykott deutscher Waren.

Seine Lehre beendete Peter Gingold im Mai 1933 und wurde arbeitslos, während seine Familie das Deutsche Reich bereits verlassen hatte und nach Paris emigriert war. Er blieb alleine zurück, wohnte bei Verwandten in Aschaffenburg und wickelte die letzten Geschäfte seiner Eltern ab. Dazu fuhr er mit dem Fahrrad über die Dörfer, um die Außenstände einzutreiben.

Während einer solchen Radfahrt entlang des Mains nach Aschaffenburg, die Zugfahrt wäre zu teuer gewesen, wurde er im Juni infolge einer SA-Razzia bei Offenbach festgenommen, im Polizeigefängnis inhaftiert und vernommen, aber nicht gefoltert. Die Schließer waren noch alte Sozialdemokraten. Bei ihm wurden nur sein polnischer Paß und Gewerkschaftsunterlagen, aber keine antifaschistischen Flugblätter gefunden, so daß er nach mehrmonatiger Haft mit der Auflage, in wenigen Tagen das Land zu verlassen, freikam, während viele seiner Mithäftlinge in Konzentrationslager überstellt wurden.

In Paris kam er im Herbst 1933 an

Von der bereits untergetauchten Sozialdemokratin Johanna Kirchner wurde er bei Saarbrücken über die grüne Grenze gebracht. Er hatte keine Französischkenntnisse. Seine Familie befand sich in einer schwierigen Situation, sein Vater trug sich aus Verzweiflung mit Suizidgedanken. Bis 1935 hatte die achtköpfige Familie weder Aufenthalts- noch Arbeitserlaubnis.

Der Ausgang ihrer Emigration war ungewiß. Sie überlebten durch Schwarzarbeit.

Glücklicherweise fand Peter Gingold Arbeit bei der deutschsprachigen Tageszeitung Pariser Tageblatt. Das Pariser Tageblatt war eine Zeitung der deutschen Opposition und wurde im Dezember 1933 durch den ehemaligen Chefredakteur der Berliner Vossischen Zeitung, Georg Bernhard, gegründet. Georg Bernhard war im Frühjahr 1933 von Berlin über Kopenhagen nach Paris geflohen. In der Redaktion lernte Peter Gingold journalistische Arbeit kennen und begegnete namhaften Schriftstellern wie Lion Feuchtwanger, Alfred Kerr und Joseph Roth.

Ende 1933 organisierte er sich in einer Gruppe des KJV. Zusammen mit weiteren Mädchen und Jungen anderer linker Arbeiterjugendverbände gründeten sie 1936 die Freie Deutsche Jugend (FDJ), brachten die antifaschistische Jugendzeitung Freie Jugend heraus, alles mit dem Ziel, vom Ausland aus die deutsche antifaschistische Arbeiterjugend daheim im Kampf gegen Hitler „für ein freies und glückliches sozialistisches Deutschland“ zu unterstützen. Sie besuchten französische Jugendgruppen und berichteten über die Vorgänge in Deutschland. Zahlreiche Veranstaltungen und Fortbildungen wurden angeboten. Hier traf er spätere Nachkriegspolitiker wie Willy Brandt oder Herbert Wehner, aber auch Künstlerinnen und Künstler wie Anna Seghers, Egon Erwin Kisch und Bert Brecht. In dieser Umgebung begegneten sich 1936 Peter Gingold und seine spätere Frau Ettie Stein-Haller.

Im Vordergrund der Arbeit standen die Kriegsgefahr, aber auch der Terror gegen die antifaschistische Arbeiterbewegung, der Freiheitskampf in Spanien 1936-39 und die Sudetenkrise 1938

Obwohl sie vom Verlust der bürgerlichen Gleichberechtigung für Jüdinnen und Juden und dem Verbot der „Mischehe“ 1935 durch die Nürnberger Gesetze und anderen antisemitischen Maßnahmen im Laufe des Sommers und Herbsts 1938 wie der Kennzeichnung jüdischer Gewerbebetriebe, dem Berufsverbot für jüdische Ärzte und Rechtsanwälte, dem Namenszusatz Sara bzw. Israel, der Kennzeichnung der Pässe mit J erfuhren, war die Situation der Jüdinnen und Juden in Deutschland weniger Thema ihrer Hefte. Zwar waren in der Gruppe größtenteils jüdische Kommunisten, aber diese sahen sich vorrangig als Klassenkämpfer der Arbeiterbewegung.

Daß der Antisemitismus zentral für die Politik Hitlers war, wußten sie alle, aber niemand konnte sich vorstellen, daß dieser Antisemitismus die Vernichtung aller Jüdinnen und Juden zum Ziel hatte. Während der ganzen 30er Jahre bestand Hoffnung, Hitler könnte an sozioökonomischen Widersprüchen scheitern.

Mit Erschrecken reagierte die Gruppe auf die Nachricht des tödlichen Attentats auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath durch den 17jährigen Herschel Grynspan, Sohn einer zwangsdeportierten polnisch-jüdischen Familie, am 7. November 1938 in Paris, weil sie Repressionen gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland befürchteten.

In die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) wurde Peter Gingold 1937 aufgenommen. Mit dem Überfall Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 veränderte sich die Lage der deutschen Emigranten in Frankreich. Die Männer wurden in Lagern interniert. Als Staatenloser blieb Gingold von der ersten Internierungswelle verschont.

Am 30. Januar 1940 heiratete er Ettie Stein-Haller. Während Peter ab Mai für kurze Zeit interniert war, wurde am 5. Juni 1940 die Tochter Alice geboren. Die junge Mutter verließ noch als Wöchnerin nach wenigen Tagen das Krankenhaus, um sich und ihr Kind vor den in Paris einmarschierenden deutschen Truppen in Sicherheit zu bringen.

Ende Juni kapitulierte Frankreich, und die Résistance entstand. Zu den ersten zivilen Opfern der Nazis in Frankreich zählten die Kommunistinnen und Kommunisten: Bereits im Oktober 1940 kam es zu Verhaftungen und Erschießungen. Der nächste Schritt war der Terror gegen Jüdinnen und Juden: Ende 1941 wurden in Frankreich die jüdischen Männer abgeholt und im Sommer 1942 während der Großrazzien alle jüdischen Frauen, Männer und Kinder festgenommen und in Vernichtungslager deportiert. Peter Gingolds Geschwister Dora und Leo wurden bei Razzien in Paris verhaftet, dann im Güterwagen nach Auschwitz verschleppt und ermordet.

Peters Frau Ettie und ihre Tochter Alice hatten Glück und entkamen einer Verhaftung. Sie wurden von einem Metroschaffner gewarnt und versteckt. Alice wurde zum Schutz vor den Nazis von ihrer Mutter Ettie getrennt und zusammen mit den beiden zurückgebliebenen Kindern der bereits deportierten Dora auf dem Land bei Bauern in Pflege gegeben.

Die Eltern Gingolds versteckten sich 30 km vom Pariser Zentrum illegal in einem Gartenhaus.

Die Résistance versuchte, deutsche Soldaten für den Widerstand zu gewinnen

Die Frauen und Männer der verschiedenen Widerstandsgruppen lebten meist unter anderem Namen im Untergrund. Ettie Gingold, alias Henriette Barbiere, war bei der Travail Allemand (Deutsche Arbeit) organisiert und hatte unterschiedliche Aufgaben in der Umgebung von Paris. Sie organisierte das Leben im Untergrund und arbeitete an der Zersetzung des deutschen Militärs. Sie schrieb und vervielfältigte Flugblätter und Streuzettel. Für die Fahrt mit der Eisenbahn ins Pariser Zentrum versteckten sie die Druckerzeugnisse zur Tarnung in leeren Nudel- und anderen Lebensmittelpackungen. Auch die Wachsbögen für den Abzugsapparat wurden zusammengerollt in langen Spaghettischachteln transportiert.

Auf verschiedenen Wegen wurde versucht, die deutschen Soldaten zum Desertieren und für die Arbeit im Widerstand zu gewinnen. Anfangs wurden die Flugblätter über die Kasernenmauern auf die Pritschen abgestellter Militärlastwagen geworfen. Später versuchten die Frauen unter Gefahr ihres Lebens, mit den Soldaten anzubändeln. Auf diese Weise bekamen sie Adressen weiterer stationierter Soldaten, so daß die Flugblätter gezielt per Post zugestellt werden konnten. Mancher der Soldaten beschaffte ihnen vor dem Überlaufen Waffen und Munition.

Peter Gingold, alias Pierre Gambert, hielt sich in Dijon und Umgebung auf und stand in Kontakt mit französischen Partisanen. Die Partisanen waren erfolgreich und legten um Weihnachten 1942 einen Großteil des Eisenbahnnetzes still. Gestapo und SD reagierten mit der Einrichtung von Sonderabteilungen. Im Januar 1943 kam es in Dijon zu über 40 Festnahmen. Die Gruppe um Gingold wurde durch einen Spitzel verraten.

Am 3. Februar wurde Peter Gingold verhaftet. Er war unvorsichtig und ging nochmals in seine Wohnung, um seine kleine Schreibmaschine mitzunehmen. Doch die Gestapo lag in der Nachbarwohnung auf der Lauer. Im Gefängnis wurde er zunehmend brutal gefoltert, im März 1943 von Dijon nach Paris in die Gestapozentrale verlegt und wieder mißhandelt.

Nachdem er abermals keine Aussagen machte, wurde er ins Militärgefängnis Cherche-Midi gebracht. Von hier kamen Häftlinge zur Hinrichtung.

Beim Verhör am 21. April 1943 erklärte er sich bereit, die Gestapo zu einer Kontaktperson zu bringen. Sein Plan war, durch einen Hauseingang am Boulevard St. Martin zu entkommen, indem er das Haus durch einen Verbindungsgang durchquerte und den Gebäudekomplex über den unauffälligen Hinterausgang zur nächsten Parallelstraße verließ. Weil sein Vater hier einmal seine Schneiderwerkstatt eingerichtet hatte, kannte er die Gegend und auch das Hausmeisterehepaar gut. Während mehrere Gestapobeamte, mit gezogenen Pistolen bewaffnet, ihn am Karfreitag, den 23. April 1943, auf dem Boulevard St. Martin begleiteten, täuschte er vor, das Haus erst suchen zu müssen. Vor dem Haus mit der Nummer 11 sprang er in den Hauseingang, riß den Sperriegel zurück, schlug die Tür mit großer Wucht hinter sich zu und rannte, so schnell er konnte.

Nachdem er über den Hinterausgang entkommen war, eilte er zur Wohnung des Hausmeisterpaares in einem angrenzenden Viertel. Sein Plan ging auf. Er wurde aufgenommen und fand für ein paar Stunden Unterschlupf, während inzwischen die Gestapobeamten hektisch die Seitenstraßen absuchten. Noch am Abend gelang es ihm, Paris zu verlassen. Von nun an wurde er steckbrieflich gesucht.

Peter Gingold erhielt neue Aufgaben und arbeitete als Georges Richard zusammen mit seiner Frau und seinen Geschwistern in der gerade gebildeten Bewegung Freies Deutschland. Anfang August 1944 begann die Befreiung von Paris. Peter Gingold war dabei. Er kämpfte sich mit einem seiner Genossen zum Rundfunkhaus von Radio Paris, um einen Appell der Résistance an die deutschen Truppen zu richten, in dem die Wehrmachtsoldaten zur Kapitulation aufgefordert wurden. Paris wurde durch den Widerstand befreit. Im März 1945 wurde Peter unter dem Namen Luigi Righi zur Unterstützung der Resistenza nach Norditalien geschickt und erlebte dort nach dem Aufstand in Turin das Kriegsende.

Nach Kriegsende kehrte Peter Gingold nach Frankfurt zurück

Seine Frau Ettie wäre lieber wie die Eltern und Geschwister Peters in Paris geblieben. Dennoch folgten beide den Vorgaben der KPD, einerseits aus Parteidisziplin, andererseits aus dem Wunsch, ein antifaschistisches Deutschland aufzubauen.

Bei dieser Arbeit legte die deutsche Nachkriegspolitik ihnen viele Steine in den Weg. Gingold arbeitete im Sekretariat des KPD-Landesverbands Hessen. Obwohl seine Familie nach dem Krieg deutsche Kennkarten bekommen hatte, er 1953 sogar für den Deutschen Bundestag kandidieren durfte, mußte die Anerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit für seine Familie juristisch erzwungen werden.

Sein vormaliger Genosse Willy Brandt war inzwischen Bundeskanzler und ließ wenig Engagement für Gingold erkennen.

Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher verweigerte die Einbürgerung wegen Gingolds früherer Tätigkeit als Funktionär und Mitglied der seit 1956 verbotenen KPD. Immer stärker interessierte sich die Presse im In- und Ausland für den Fall und reagierte teils mit Entsetzen über das Demokratieverständnis deutscher Politiker. Nach mehrjährigem Rechtsstreit mit den Behörden erhielt die Familie im Mai 1974 die deutsche Staatsangehörigkeit.

Doch die Politik wurde nicht müde, sich neue Schikanen gegen die Familie auszudenken. Nachdem Gingolds jüngste Tochter Silvia 1974 ihr zweites Staatsexamen abgeschlossen hatte und als Lehrerin arbeiten wollte, erfolgte ein Berufsverbot auf Grund des Radikalenerlasses. Seit ihrem 17. Lebensjahr wurde Silvia Gingold vom Verfassungsschutz überwacht. Als belastend wurden die Teilnahme am Deutschlandtreffen der Jugend in Berlin 1964, die Beteiligung an Aktionen gegen den Vietnamkrieg der USA, die Unterschrift für den Gründungsaufruf der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend 1968 sowie ihre Mitgliedschaft in der DKP angeführt. Dieses Berufsverbot wurde in einer Panorama-Fernsehsendung und während der Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche 1975 zum Politikum. Die Klage Silvia Gingolds vor dem Kasseler Verwaltungsgericht 1976 hatte Erfolg. Doch der hessische Kultusminister ging in Berufung.

Nachdem Silva Gingold durch öffentlichen Druck einen befristeten Arbeitsvertrag von drei Jahren an einer Gesamtschule in Spangenberg bekommen hatte, hetzte die CDU gegen die junge Lehrerin und verteilte an die Haushalte ein Gesellschaftsspiel mit dem Titel „Fahr mit durch den Schwalm-Eder-Kreis“. Bei dem Ort Spangenberg lautete die Anweisung für den Spieler: „Kommunistische Lehrerin erzieht Kinder in der Schule. Radikale gehören nicht in den öffentlichen Dienst. Spieler schreibt Brief an Kultusminister und setzt einmal aus.“

Der hessische Verwaltungsgerichtshof verhandelte 1977 den Fall neu und gab der Berufung des Kultusministers statt. Aus dem Ausland erhoben sich besorgte Stimmen über die Rechtsstaatlichkeit Deutschlands, u.a. der spätere Staatspräsident François Mitterrand und der Schriftsteller Peter Weiss.

Peter Gingold verzagte nicht, obwohl er bittere Erfahrungen machen mußte

Er war kein Antideutscher. Gründe hätte es genügend gegeben, doch er hat die Hoffnung, daß sich Deutschland verändern könne, nie aufgegeben. Er hat sich für die Auflösung der IG Farben und die Entschädigung der Opfer eingesetzt, hat die Öffentlichkeit wachgerüttelt, als Verteidigungsminister Scharping und Außenminister Fischer 1999 die Toten von Auschwitz mißbrauchten, um den Bombenkrieg gegen Jugoslawien ideologisch zu rechtfertigen. Gingold war Kommunist, aber in seinem politischen Handeln ging es ihm nie um Parteizugehörigkeit, sondern darum, etwas für die ganze Menschheit zu wollen. Seine Aufgabe sah er darin, mit allen anderen überlebenden Opfern des Nationalsozialismus daran zu arbeiten, daß ein anderes Deutschland entstehe und sich Auschwitz nie mehr wiederhole.