beilage: sturmwarnung - no war! no g8!

Die Globalisierung der Gewalt

"Failing states" und militärische Invasionen

Glaubten wir Medien und PolitikerInnen der G8-Staaten, so gibt es Krisen nur, wo es keine Staaten gibt: "Failing states" nennen sie Staaten, die sich zersetzen, die von einander bekämpfenden separatistischen Gruppen gekennzeichnet sind.

In der Regel aber sind das Staaten, die eine koloniale Vergangenheit mit umstrittenen Grenzen haben. Oder es sind Staaten, deren ganz normale Politik in die Katastrophe geführt hat und die schließlich durch soziale Krisen und staatliche Repression gegen „eigene“ Bevölkerungen ihre Legitimation einbüßen, sich nicht selten dann neue (etwa religiöse oder ethnische) Rechtfertigungen besorgen, vielleicht dazu die passende Schutzmacht. Sie bilden Zonen großer Unsicherheit für die Beherrschten, dann aber auch die umgebenden Staaten und schließlich das internationale System, so dass früher oder später Anstrengungen zu deren Stabilisierung oder Auflösung in „neue“ Staatlichkeiten mit verbesserter Legitimationsgrundlage (etwa Übereinstimmung von Herrschaftsterritorium mit Nation, Religion, Sprache, Ethnie, was immer die „Identität“ ermöglichen soll) unternommen werden.

Auf dem Boden der vorherigen Grundordnung unlösbar gewordene soziale Konflikte werden in der Regel ethnisiert, und das heißt tendenziell brutalisiert und militarisiert.

Die neue Legitimation der Herrschaft wird von rigiden Wir-Sie-Abgrenzungen und -Zuschreibungen erwartet, die ausgrenzende und nicht selten rassistische Dimensionen haben.

Die endgültige Verfestigung solcher Zuschreibungen gelingt meist nur über militärische Konfrontationen, die große Teile der Bevölkerung in eine Entscheidung zwingen, zu welcher Seite, Ethnie, Religion sie sich „bekennen“, bei wem sie Schutz suchen und gegen wen sie sich verteidigen.

Krieg wird so schnell zum Bewegungsgesetz der Nationenentstehung und Staatsgründung, oft von großer Brutalität („ethnische Säuberung“) begleitet, damit die Trennung auch endgültig wird und niemand sich der Parteinahme entziehen kann. Fluchtbewegungen und „Bevölkerungstausch“ sind die Folgen.

Kriegsökonomie

Wenn aus sozialer Not solche militärischen Eskalationen entstehen, so münden sie meist in eine regelrechte Kriegsökonomie, in der Bewaffnete das Übergewicht über ZivilistInnen bekommen und der Krieg ganze Gruppen ernährt. Tendenzen zu solchen Kriegsökonomien entstehen auch aus lang andauernden bewaffneten Konflikten, an deren Beginn noch eine deutliche soziale und berechtigte Konfliktlage stand. Guerillabewegungen laufen Gefahr, nur noch ihrer Selbstreproduktion zu dienen, in den schlimmsten Fällen durch mafiöse Strukturen, die sich über Drogenhandel, Zwangsrekrutierung und Korruption erhalten und längst jeden emanzipatorischen Inhalt verloren haben (die Geschichte des Sendero Luminoso in Peru oder die FARC in Kolumbien sind Beispiele dafür).

Bewaffnete Männlichkeit verstärkt sexistische Strukturen.

Aber auch gegen unbewaffnete Massenbewegungen, die den Interessen kapitalistischer und staatlicher Eliten entgegentreten, wird häufig mit brutaler Gewalt agiert: Morde, Folter, Todesschwadronen und viele Formen auch legaler Repression bedrohen zivile Widerstandsbewegungen. Diese müssen ein Interesse haben, eine militärische Eskalation zu vermeiden, die sie unweigerlich von ihren emanzipatorischen Zielen trennt, militarisiert und oft zudem gegen eine intakte Armee (die einzig noch funktionierende Struktur des Staates, in Wirklichkeit sein Kern), Paramilitärs und von außen militärisch-logistisch verstärkte Struktur nur in die Niederlage führen kann. Statt dessen kann Solidarisierung gegen die militärischen Methoden sogar zur Ausweitung emanzipatorischer Kämpfe führen und die Absichten von Kriegsherren vereiteln.

Interventionismus

Der Anspruch, ganz besonders der USA, keine Zonen der Unsicherheit zuzulassen, in denen sich terroristische oder andere gefährliche Gruppen entwickeln können, hat den schon aus dem „kalten Krieg“ vertrauten Praktiken der Intervention (tatsächlich: Invasion!), durch Stellvertreter oder verdeckte Operationen, auch durch Kriege einer niedrigen Eskalationsstufe, Auftrieb gegeben und neue Legitimationen hinzugefügt.

Auch die europäischen Staaten haben ihre militärischen Planungen und die Ausrichtung ihrer Truppen von „Landesverteidigung“ zunehmend auf weltweite Intervention umgestellt.

Nicht mehr der Angriff auf das eigene Territorium gilt als Bedrohungsszenario, sondern ein „Risiko“, das sehr weit gefasst ist. Dazu gehört die Sicherung von Rohstoffquellen. Es gehört auch dazu, Zonen der „Instabilität“ zu kontrollieren, eigene StaatsbürgerInnen weltweit schützen zu können, Flüchtlingsbewegungen abzuweisen usw., kurz:

Was als „Verteidigung“ begriffen wird, hat sich globalisierend ausgedehnt, so dass der frühere Kriegsminister Struck davon sprechen konnte, „unsere Freiheit“ werde auch „am Hindukusch verteidigt“.

In der Logik der „Risikoanalyse“ ist das nur konsequent.

Das Fatale an den „Sicherheitsrisiken“ ist ihre enorme Vermehrung durch die Lage der Welt, die so eine wachsende Fülle an Kriegsgründen hervorbringt.

Diese werden als „gerechte Kriege“ verstanden, denn es droht, der 11. September hat es bewiesen, Terror gegen die Zivilbevölkerung der Metropolen.

Und von den Rohstoffquellen abgeschnitten zu werden ist tatsächlich eine tödliche Bedrohung für die bestehende Ökonomie der Industriestaaten. So bekommt der Kampf um die knapper werdenden Rohstoffe und die Konkurrenz um aussichtsreiche Fördergebiete schnell eine militärische Dimension:

Was nützen Verträge, wenn man deren Einhaltung nicht erzwingen kann?

Es werden dabei nicht mehr die Massenheere Wehrpflichtiger gebraucht (diese sind eher für die Rekrutierung qualifizierten Personals und Verankerung des Militärs in der Gesellschaft erwünscht), sondern BerufssoldatInnen, Spezialkräfte für besondere Aufgaben, technisierte Gruppen und für Interventionen geeignete Kampftruppen.

Eine Militarisierung der Gesellschaft wird es also weniger in den alten Formen geben – viele Soldaten, Zwangsdienste -, sondern tendenziell eher über Computerspiele, Filme, sportlich-männliche Diskurse, „Führung“ und „professionelles“ Handeln.

„Gerechte Kriege“ werden durch Massenmedien propagiert; militärische Tugenden und Körperbilder erleben eine Renaissance.