Seit Beginn der gewaltfreien Dauerblockade "Faslane 365" am 1. Oktober 2006 im schottischen Faslane (vgl. GWR 315), bei Glasgow, haben 73 Blockadegruppen unterschiedlicher Nationalität insgesamt 99 Tage den Zugang zum dortigen britischen U-Boot-Atomwaffenstützpunkt blockiert. Dabei gehen sie äußerst kreativ vor, neben Transparenten und anderen Demonstrationsobjekten wird sich verkleidet, Musik gemacht oder Theater gespielt. Ziel der friedlichen 365tägigen Blockadeaktion ist die Entfernung der Trident-Raketen aus Faslane sowie die Erstellung eines Stundenplans der Regierung zur Abrüstung zusammen mit der Erklärung, keine weiteren Atomwaffen zu entwickeln. Weiterhin soll eine möglichst breite Öffentlichkeit auf das Problem von Atomwaffen aufmerksam gemacht und durch die Blockade der Weg zur Basis und damit die Arbeit an den Massenvernichtungswaffen - die selbst eine 'Blockade' einer besseren Gesellschaft darstellen - erschwert werden.
Vier Atom-U-Boote sind derzeit auf der Militärbasis in Faslane stationiert, ausgerüstet mit 16 Langstreckenraketen vom US-Typ Trident und bestückt mit insgesamt 200 britischen Nuklearsprengköpfen. Obgleich die Mehrheit in Großbritannien gegen das Beibehalten der nuklearen Option ist, hat am 14. März 2007 das britische Unterhaus mehrheitlich beschlossen nuklear nachzurüsten.
Zwar räumte die Regierung ein die Atomsprengköpfe um 20 Prozent auf 160 zu reduzieren, letztendlich hält Großbritannien aber an einer nuklearen Zerstörungskraft fest, die bereits heute 1280 Hiroshima-Bomben entspricht – dabei ist nicht berücksichtigt, dass diese Waffen immer weiter modernisiert werden und ihre zerstörerische Kraft mit jeder Generation zunimmt. Dies als Abrüstung zu bezeichnen, zu der sich Großbritannien im Nichtverbreitungsvertrag verpflichtet hat, ist zynisch.
Erschreckend ist zudem der finanzielle Preis. Für die Erhaltung und Entwicklung der Waffen fallen jährlich Kosten von bis zu 800 Millionen Pfund (etwa 1,3 Milliarden Euro) an – allein die geplante Erneuerung beläuft sich umgerechnet auf 30 Milliarden Euro. Dies sind Steuergelder, die z.B. an Schulen, in Kindergärten oder Krankenhäusern fehlen.
Das Festhalten an nuklearer Kriegstechnologie birgt gesundheitliche, umwelt-, gesellschafts- und sicherheitspolitische Risiken und hat negative Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen.
Aus diesen Gründen machte ich mich zusammen mit 27 anderen AtomgegnerInnen zwischen 18 und 74 Jahren aus ganz Deutschland sowie vier weiteren aus Belgien, Portugal und Finnland auf den Weg nach Faslane. Es kamen engagierte Privatpersonen, StudentInnen, RentnerInnen, AktivistInnen und Menschen aus diversen Friedens- und Umweltbewegungen zusammen. Ein Teil hatte bereits in den 80er Jahren an der Abschaffung der Pershing II Mittelstreckenraketen und Cruise Missiles in Deutschland mitgewirkt oder ist bereits seit Jahren im Wendland aktiv. Für die überwiegende Mehrheit war dies jedoch die erste Blockade, ebenso für mich. Wie sich zeigte, war die Heterogenität der Gruppe eine der Besonderheiten, die zu der anregenden und überwiegend heiteren Atmosphäre, nicht nur während der Aktion, beitrug. An der Blockade am 28. März beteiligten sich mit mir aktiv 25 Personen. Die anderen unterstützen uns und kümmerten sich um die vielen Dinge, die während und direkt nach einer solchen Aktion anfallen.
Während der Vorbereitungen am Tag zuvor hatten wir entschieden zur Hauptverkehrszeit gegen 7 Uhr zu blockieren um ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Nachdem der Verkehr gestoppt war, stiegen wir aus dem Bus und liefen gemeinsam in unseren beschrifteten weißen Anzügen, mit den Transparenten die Hauptstraße entlang in Richtung Südtor des Stützpunktes, um möglichst nahe vor dem Eingang die eigentliche Blockade zu beginnen. Aufgrund der starken Polizeipräsenz kam unser Zug jedoch frühzeitig zum Stillstand und wir beschlossen daraufhin die Straße zur Basis zu blockieren.
Das Wetter war gut und so lagen bzw. saßen wir in drei Reihen à sechs Personen, auf trockenem Boden, miteinander verbunden über unsere Arme und Hände, die wir in sogenannten Lock-ons hatten, zwischen uns weitere SitzblockiererInnen.
Es dauerte über drei Stunden ehe alle von der Straße getragen waren und der Verkehr ungehindert passieren konnte. Auch wenn der Moment des Losschneidens sich, wie erwartet, als unangenehm erwies, wurden die meisten von der Polizei freundlich behandelt.
Mich amüsierten besonders die Äußerungen des Rohrschneideteams, welches fachmännisches Interesse an den Rohren bekundete und diese, so schien es, mehr als freudige Herausforderung, denn als enervierendes Ärgernis betrachtete.
Zudem wurden wir im Vorfeld gut über mögliche Konsequenzen informiert, so dass jeder wusste, dass er oder sie mindestens 24 Stunden in Haft verbringen würde und eine Anklage riskierte. Ich war demnach nicht überrascht, dass wir nach der Aktion wegen „Öffentlicher Ruhestörung“ für 30 Stunden in Gewahrsam – in Dreier- und Einzelzellen – kamen, aber erleichtert, dass es zu keiner Anklage kam. Vor allem freute ich mich über die gelungene Aktion, die gerade nach dem Beschluss zur Erneuerung ein wichtiges Zeichen darstellte.
Ermutigend waren, neben der direkten Unterstützung während der Aktion, die positiven Stimmen aus der Bevölkerung Faslanes und Glasgows, so verzichtete ein Taxifahrer auf sein Fahrtgeld nachdem ihm die Inhaftierten von der Aktion berichtet hatten und auch die Autofahrer, die aufgrund der Blockade im Stau standen, zeigten sich verständnisvoll.
Tony Blair hatte vor einigen Wochen erklärt, Atomwaffen seien „unverzichtbar für unsere Sicherheit in einer unsicheren Welt“. Wenn man sich allerdings bewusst macht, dass Atomwaffen keinerlei Schutz vor atomaren Angriffen bieten können, sondern hauptsächlich über Abschreckung funktionieren, der Einsatz und die Androhung des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen jedoch völkerrechtswidrig sind, immer mehr Staaten Uran anreichern und zur Atombombe drängen, wird deutlich, dass Atomwaffen gerade heute wieder eine akute Bedrohung für den Weltfrieden darstellen.
Nur durch die endgültige Abrüstung kann einem nuklearen Kräftemessen in der Welt vorgebeugt werden und die bedrohliche und gewalttätige Atmosphäre, zu der solche Waffen beitragen, gemindert werden.