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Häuserkampf in Münster

Grevener Straße bleibt!

| Bernd Drücke

Die Grevener Straße in Münster war immer schon im Visier von Spekulanten. Und immer wieder konnte Münsters HausbesetzerInnenszene den Miethaien die Suppe versalzen.

Am 15. November 1972 wurde das bis dahin seit einem Jahr leer stehende Haus in der Grevener Straße 31 von Studierenden besetzt. Ein Hintergrund dieser Besetzung war die katastrophale Wohnsituation in Münster. 25% der Erstsemester standen Ende Oktober 1972 auf der Straße, 2000 Studierende waren ohne Bleibe und übernachteten zum Teil in Zelten. Am 18. November 1972 schloss der Allgemeine Studierenden Ausschuss (AStA) der Uni mit der Stadt einen Vertrag über die weitere Nutzung der Grevenerstr. 31 durch die BesetzerInnen, der zunächst auf 2 ½ Jahre befristet war.

Die erfolgreiche Besetzung der Grevener Straße 31 wirkte sich positiv auf die überwiegend studentische HausbesetzerInnenszene in Münster aus. Seit 1972 gab es zahlreiche Besetzungen.

Die selbstverwaltete Grevener Straße 31 ist bis heute ein bunter Bewegungsort, wozu auch das jährlich dort stattfindende alternative Straßenfest beigetragen hat.

Nun soll die Grevener Straße 31 bis 57 dem Abrissbagger zum Opfer fallen.

Doch der Widerstand ist groß. Im Dezember 2006 und Ende März 2007 wurde das Haus Grevener Str.57 jeweils für mehrere Tage besetzt, um gegen den geplanten Abriss zu demonstrieren.

Seit dem 1. April 2007 ist das benachbarte Haus in der Grevener Str. 59 besetzt

„Das Haus Nr.59 sollte, nachdem nun der letzte Mieter so gut wie ausgezogen ist, schnellstmöglich mit dem angrenzenden Haus Nr. 57 abgerissen werden. Die städtische Wohn + Stadtbau hat bereits die Abrissgenehmigung in der Tasche und wartet auf den Bagger… Doch wir waren schneller!

Auch diese Besetzung richtet sich gegen den geplanten Abriss der gesamten Häuserzeile 31-59 und fordert den Erhalt preiswerten Wohnraums. Gleichzeitig zeigen wir uns solidarisch mit dem Wohnprojekt in der Nr.31, mit dem selbstverwalteten Kulturcafé Versetzt in der Nr.53 und all den Mieterinnen und Mietern, die von den Abrissplänen der Stadt betroffen sind und lieber hier wohnen bleiben wollen!

Nachdem anscheinend die erste Besetzung im Dezember noch einen symbolischen Charakter hatte, werden wir mit dieser dritten Besetzung Tatsachen für Politik, Verwaltung und ihre verlogene Wohn + Stadtbau schaffen! Ab sofort werden die leerstehenden Wohnungen in der 59 wieder bewohnt!“ (1), so die BesetzerInnen.

Darüber hinaus werde die Möglichkeit geschaffen, dass im Haus kulturelle und soziale Veranstaltungen besucht oder selbst veranstaltet werden können.

Hiermit solle der Wunsch vieler MünsteranerInnen nach einem Sozialen Zentrum aufgegriffen werden. In den „leider nur bedingt geeigneten Räumlichkeiten“ sollten Strukturen etabliert werden, die sowohl den Wünschen der AnwohnerInnen als auch den Ansprüchen der „externen“ NutzerInnen und den neuen BewohnerInnen gerecht werden sollten.

„Zeigen wir der Stadt, dass sie sich die Zähne an der Häuserzeile ausbeißen wird! Denn so schnell geben wir nicht auf! Besetzt die anderen leerstehenden Wohnungen in der Häuserzeile! Preiswerten Wohnraum erhalten statt Ausgrenzung von finanziell-benachteiligten Menschen aus dem Innenstadtbereich!“

Die Häuserzeile an der Grevener Str. gehört bisher zu den preiswerten Wohngegenden in Innenstadtnähe. Seit etwa 30 Jahren existiert ein Bebauungsplan, der den Abriss der Häuserzeile zugunsten einer vierspurigen Stadtautobahn vorsieht, deren Umsetzung jedoch aufgrund verkehrstechnischer Entwicklungen nicht mehr verfolgt wird.

Nach dem In-Kraft-Treten des Bebauungsplans kaufte die Stadt Münster die Häuser der Zeile auf. „Einzelne, wie die Häuser Nr. 57 und 59 verscherbelte die Stadt an die stadteigene Wohn- und Stadtbau.

Seit 20 Jahren besteht für die Zeile eine sog. Veränderungssperre, die es den MieterInnen untersagt dringende Sanierungen an den Häusern zu unternehmen. In Teilen sind also Häuser von der Stadt (!) regelrecht ‚kaputtbesitzt‘ worden, um einen inhaltlich überholten Plan zu verfolgen“ (2), so die BesetzerInnen.

Viele MieterInnen hätten sich über diese Anordnung hinweggesetzt. Das ehemals besetzte und inzwischen durch den Uni-AStA verwaltete Haus Nr. 31gehöre daher ebenfalls zu den gut erhaltenen Häusern. Die zumeist gute Bausubstanz sei seit Jahren nicht mehr geprüft oder durch ein Gutachten angezweifelt worden. In der Zwischenzeit seien Mietverträge aber nicht mehr verlängert oder nur noch durch befristete Verträge ersetzt worden. Heute seien Verwaltung, Rat, sowie Wohn + Stadtbau fast jedes Mittel recht die verbliebenen MieterInnen loszuwerden. Die vor über 6 Monaten „groß angekündigte Mitbestimmung der MieterInnen (nach der entscheidenden Ratssitzung!)“ sei eine Propagandablase.

„Lediglich 1 Mieterin, die seit weit über 50 Jahren in der Straße wohnt und mit Sicherheit eine ewig lange Kündigungsfrist gehabt hätte, wurde bereits mit einer schicken Neubauwohnung mit Fahrstuhl gekauft. Mit dem Gros der MieterInnen fand überhaupt noch kein Gespräch über ihren weiteren Verbleib statt.“

Kritik an den Plänen der Stadt werde mit dem Argument der Schaffung von mehr preiswertem Wohnraum hinweggefegt.

Selbst hier seien sich die Verantwortlichen nicht zu schade ihre eigenen Pläne umzulügen.

„Als Beispiel: Der Neubau auf den Grundstücken 57/59 soll doppelt soviel preiswerten Wohnraum, wie bisher dort vorhanden, schaffen. Nutzt mensch die Zahlen der Verwaltung und rechnet die reine Wohnfläche (Leerstand wird natürlich mit einberechnet, was mensch den „Mathefüchsen“ bei der Wohn + Stadtbau vielleicht als Tip mitgeben sollte) der Häuser 57 und 59 zusammen, ergibt dies eine Wohnfläche von 872,92qm – mit einer Kaltmiete von bisher durchschnittlich 3,99 €/qm.

Die W+S will an dieser Stelle jedoch nur noch 1 Haus bauen mit 9 WE (555,10qm) die öffentlich gefördert werden (4,55 €/qm) und 6 WE (438,90qm) die „frei“ finanziert werden (8,30 €/qm). Wie dieses Wunder der Wohnraumverdopplung mathematisch nun doch noch vollbracht werden kann, müssen sie bitte bei der W(under) + S(pinnereien) erfragen!

Grevener Str. bleibt! Glaubt den Lügen der Abrissbirnen nicht!“

Die aktuellen Hausbesetzungen in der Grevener Straße, in der 1972 der Häuserkampf in Münster seinen Anfang nahm, zeigen, dass ein Ende der „Geschichte des Häuserkampfs in Münster“ nicht absehbar ist.

(1) Aller guten Dinge sind 3, oder 4 oder 5...! Jetzt ist die Grevener Str. 59 in Münster besetzt!, Herein zum Besetzungsmarathon!, Flugblatt, Münster 2. April 2007

(2) Besetzungsblog Grevener59, Glaubt den Lügen der Abrissbirnen nicht! http://grevener.blogsport.de/2007/04/05/hintergrundinfos-bebauungsplan/

Nachtrag, 24. April 2007: In den frühen Morgenstunden des 24. April wurde das besetzte Haus in der Grevener Straße 59 von einer Hundertschaft der Polizei geräumt. Gegen 10 BesetzerInnen wurde Strafanzeige gestellt. 150 Menschen demonstrierten am Abend gegen die Räumung. Die Route führte an dem Wohn + Stadtbau Gebäude vorbei zum Rathaus und endete schließlich am Bahnhof. "Durch Flyer und lautstarke Parolen konnten die interessierten Passant_innen gut über das Anliegen der Teilnehmer_innen informiert werden. Da auch der Rest der Häuserzeile abgerissen werden soll, gab es neben den üblichen Häuserkampf- und Freiraum-Parolen auch sowas wie ‚Ob Morgen oder nach 'ner Weile - wir nehmen auch den Rest der Zeile!'Also: Eigentum ist Diebstahl! Kein Tag ohne! Nach der Räumung ist vor der Besetzung!", so die BesetzerInnen auf www.besetzt.de.ms