transnationales

Gewaltlose Revolte in Burma

StudentInnen und BuddhistInnen gegen die Militärjunta

| Sal Macis

Die Militärjunta unter Führung von Than Shwe wird von den Oppositionellen "national-sozialistisch" genannt, weniger in Anlehnung an die Nazis, sondern als Hinweis auf die Tatsache, dass sie sowohl eine nationalistische Tradition repräsentiert, die bis auf den Unabhängigkeitskrieg zurückgeht, als auch lange eine sozialistische Rhetorik bevorzugte.

Doch vom „burmesischen Weg zum Sozialismus“, von Frieden und Entwicklung (so der Name der Junta: „State Peace and Development Council“, SPDC), ist im Land nichts zu sehen.

Die nach 1962 vorgenommenen Verstaatlichungen ebenso wie die seit 1988 eingeleitete neoliberale Privatisierungspolitik kamen fast ausschließlich dem Militär und darin besonders den oberen Militärs und ihren Familien und Seilschaften zugute. In ihrer Kunsthauptstadt Naypyidaw haben sie sich eingeigelt, fern und isoliert von der Welt und der Lebensrealität ihrer Untertanen. Ihr Land lassen die burmesischen Militärs verkommen, es zählt zu den 20 ärmsten Ländern der Welt, trotz reichhaltiger Bodenschätze wie Öl, Erdgas, Holz, Nickel, Kohle, Kupfer und besten Ausgangsbedingungen zur Zeit der Unabhängigkeit.

Erst die StudentInnen, dann die Mönche und Nonnen

Als die Militärs Mitte August 2007 Subventionen auf Erdgas, Diesel und Benzinpreise strichen, was zu einer plötzlichen Preissteigerung bei Kraftstoffen um 100 Prozent, bei Busfahrpreisen um 500 Prozent und in der Folge auch zu erhöhten Lebensmittelpreisen führte, war das Maß voll. Die Menschen hatten nichts mehr zu verlieren und das machte ihnen Mut.

StudentInnen, die bereits 1988 aktiv waren, hatten 2006 die Organisation „88 Generation Students“ gegründet. Sie verpflichteten sich zur Gewaltfreiheit und gingen am 19.8. auf die Straße. Es kam zu Verhaftungen prominenter Dissidenten (siehe Erklärung der StudentInnenauf dieser Seite). StudentInnen und Mönche hatten sich abgesprochen; die Mönche waren in einer neuen „Alliance of All Burmese Buddhist Monks“ organisiert. Am 5.9. schossen burmesische Soldaten in der Stadt Pakokku auf eine gewaltfreie Demonstration der Mönche und verletzten drei. Das war der Anlass für Demonstrationen in allen Städten Burmas. Am 22.9. demonstrierten bereits Tausende. In Rangun besuchten die Mönche am selben Tag das Haus von Aung San Suu Kyi, die sie öffentlich empfangen konnte. Am 23.9. beteiligten sich 150 buddhistische Nonnen an den Protesten. Am 24.9. waren es in Rangun zwischen 30.000 und 100.000 DemonstrantInnen.

Am Ende zogen 1.000 Mönche wieder zu Aung San Suu Kyi. Die Bevölkerung hatte sich den Mönchen angeschlossen und demonstrierte an deren Seite. Am 26.9. erließ die Junta nächtliche Ausgangssperren und schaffte besondere Einheiten von den Regionen der Guerilla-Kampfgebiete heran, meist Mörder und Verbrecher in Armeeeinheiten, die während des Krieges gegen indigene Guerillas auf Befehl vergewaltigten und mordeten. Die burmesischen Polizisten und Militärs vor Ort hatten den Einsatz meist verweigert und wurden nun ausgetauscht. Am 26.9. schossen die herangeführten Truppen erstmals in die Menge und töteten mindestens drei Mönche und eine Frau. Nach Meldungen britischer UnterstützerInnengruppen kaufte die Junta in diesen Tagen Tausende Mönchskutten und ließ Soldaten die Köpfe scheren, um sie unter die gewaltlosen Mönche zu mischen. Einige Infiltrationen wehrten die Mönche ab, weil sie plötzlich Unbekannte in Mönchsroben erkannten, mit denen sie sich nicht unterhalten konnten. (1)

Am 27.9. wurden nachts, während der Ausgangssperre, die sechs wichtigsten Klöster in Rangun brutal geräumt. Es kam zu Misshandlungen und Festnahmen. Die bekannte Shwedagon Pagode in Rangun wurde militärisch abgesperrt. An dem Tag protestierten 50000 in Rangun. Neun Zivilisten wurden getötet, darunter ein japanischer Journalist. In der Armee kam es zu Verweigerungen bis in die höchsten Ränge. General Than Shwe übernahm den Oberbefehl, nachdem mehrere Kommandeure seine Einsatzbefehle verweigert hatten. Der britische „Guardian“ veröffentlichte einen Brief unzufriedener Offiziere, welche die „gewaltfreie Aktion der buddhistischen Mönche und der Öffentlichkeit und ihren friedfertigen Ausdruck“ unterstützten. (2)

Am 28.9. waren die Straßen Ranguns erstmals menschenleer. Doch nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen hatten „Soldaten der 66. leichten Infanterie-Division ihre Waffen gegen andere Regierungstruppen und (…) Polizei im Stadtteil Nord Okkalappa von Rangun gerichtet und verteidigen die DemonstrantInnen“.

Soldaten der 33. Division in Mandalay hatten Befehle verweigert und blieben in den Kasernen. Ersatzeinheiten seien unterwegs nach Mandalay. (3)

Noch am 29.9. konnten 5.000 Menschen ohne Zwischenfall in Mandalay demonstrieren.

Auch aus Mandalay kamen vom selben Tag Nachrichten, nach denen Soldaten der Kopf geschert und sie in Mönchskutten gesteckt worden seien. Am 30.9. floh Colonel Hla Win, ein zentrales Mitglied der Militärjunta, ins Karen-Guerillagebiet und wollte Asyl in Norwegen beantragen. Noch am 1.10. demonstrierten rund 5.000 in Man Aung/Rakhine-Staat, wohin noch am 7.10. neuerlich Truppen entsandt wurden. Ansonsten war die gewaltlose Revolte am Ende der ersten Oktoberwoche niedergeschlagen. Am 8.10. wurde U Auung Kyi offiziell als Verhandlungsführer der Junta für künftige Gespräche mit Aung San Suu Kyi ernannt. Am 10.10. wurde bekannt, dass fünf hohe Generäle und 400 Soldaten nahe Mandalay wegen Befehlsverweigerung während des Aufstands verhaftet worden sind.

Am 12.10. verhaftete die Junta die letzten noch als frei geltenden StudentInnen der „88 Generation Students“, darunter die bekannte Aktivistin Thin Thin Aye (auch bekannt unter: Mie Mie).

Die Opferzahlen variieren je nach Quelle beträchtlich: Die burmesische Junta gibt 13 Getötete zu; Democratic Voice of Burma, der Oppositionssender in Oslo/Norwegen, spricht von 138 belegten Fällen; aber ein Bericht in der englischen Zeitung „Daily Mail“ spricht von „Tausenden Protestierenden, die tot sind, und Körpern von Hunderten exekutierter Mönche, die in den Dschungel geworfen wurden. (…) Viel mehr Menschen sind in den letzten Tagen ermordet worden, als Sie gehört haben. Die Kadaver zählen nach mehreren Tausend.“

Der Bericht stützt sich auf Angaben des übergelaufenen Junta-Mitglieds Hla Win. (4)

Erste Einschätzung

Die unmittelbare Auseinandersetzung scheint die Junta gewonnen zu haben. Doch die Protestierenden haben gegenüber 1988 auch gelernt, dass es nichts bringt, sich wahllos abschießen zu lassen. Sie haben zu einem frühen Zeitpunkt mit den Protesten aufgehört und dadurch Massaker in den eigenen Reihen so weit wie möglich vermieden. Dadurch können die Proteste vielleicht nach einiger Zeit wieder aufgenommen werden. Auch ist es der Junta wohl nicht möglich, alle organisierten Mönche lange hinter Gittern zu halten, so dass auch von dort intakte Strukturen übrig blieben, die reaktiviert werden können. Denn das Regime ist vollständig entlegitimiert.

Gleichzeitig scheinen die Meldungen über Befehlsverweigerungen und Meutereien bis in höhere Offiziersränge hinein so zahlreich, dass das Regime wohl tatsächlich kurzfristig wankte und solch eine Situation sicher nicht noch einmal erleben möchte. Die durch die Revolte freigelegten Risse und Spaltungen im Militärapparat könnten der Opposition zugute kommen und Verhandlungsmöglichkeiten eröffnen. Gleichzeitig zeigte die Erfahrung von 1988-90, dass das Militär dabei auf Zeit spielen kann, um die eigene Macht wieder zu festigen.

Internationaler Druck bis zum Olympia-Boykott?

Der wichtigste Wirtschaftspartner der Junta ist China, gefolgt von Indien. China will eine 2380 Kilometer lange Öl- und Gaspipeline von Burmas Arakan-Staat bis nach Kunming in Chinas Südprovinz bauen und dadurch strategisch den Weg vom Persischen Golf nach China um die Hälfte verkürzen.

Drohungen mit einem Olympia-Boykott könnten die Haltung Chinas gegenüber der Junta sicher beeinflussen. Der Druck auf Aktionäre und mittels Konsumboykott-Kampagnen von exilburmesischen Gruppen und Menschenrechtsorganisationen hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass viele westliche Firmen ihre Geschäfte mit Burma eingestellt haben, vor allem in der Bekleidungs- und Schuhindustrie. Burma hat ein Zwangsarbeitssystem, bei dem jede Familie eine unbezahlte Arbeitskraft einem Staatsbetrieb abstellen muss. Dafür droht dem Regime seit November 2006 von der ILO (International Labour-Organisation) der UN eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof von Den Haag.

Doch zahlreiche westliche Firmen produzieren weiter in Birma, vor allem die Ölmultis. Die französische Firma „Total“ und die US-amerikanische „Chevron“ betreiben eine Gaspipeline von Yadana/Burma nach Thailand und werden von der Sanktionspolitik ausgenommen. Das ist typisch für staatliche Sanktionspolitik. „Total“ wird bereits vor französischen und belgischen Gerichten wegen Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen entlang der Pipeline angeklagt. (5)

Und Deutschland? 1981 hat die Firma Heckler & Koch in Rangun eine Gewehrfabrik für ihr G-3-Gewehr aufgebaut – mit Genehmigung der damaligen Bundesregierung. Seither produziert Heckler & Koch in Lizenz für das burmesische Regime Gewehre für den Massenmord an burmesischen BürgerInnen. (6)

Es wird Zeit, etwas dagegen zu tun!

(1) Nach Update-Artikel: 2007 Burmese anti-government protests, englische Wikipedia-Seite: http://en.wikipedia.org/wiki/2007_Burmese_anti-government_protests. Außerdem: Angaben nach Burma-Initiative Uppsala/Schweden & Democratic Voice of Burma, Oslo.

(2) Ebenda. Der "Guardian" konnte allerdings die Authentizität des Briefes nicht zweifelsfrei überprüfen: www.guardian.co.uk/burma/story/0"2178428,00.html

(3) Ebenda. Als Quelle wird eine deutsche Organisation "Helfen ohne Grenzen" angegeben: www.newsdeskspecial.co.uk/2007/09/army-mutiny-rep.html

(4) Ebenda. Der Artikel erschien in der "Daily Mail" vom 1.10.2007.

(5) Quelle: Politics of Burma. SPDC-era. Englischsprachige Wikipedia-Seite: http://en.wikipedia.org/wiki/Politics_of_Myanmar

(6) Quelle: Walter Schwenninger, Ex-MdB und Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Internationales, Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg. Angabe nach einem Leserbrief Schwenningers auf einen Artikel in Die Tageszeitung: "Birmas paranoider Machthaber" vom 4.10.2007. Information auch belegt im Reader zum Film "Südfrüchte aus Oberndorf" von Wolfgang Landgreber, BUKO, Bonn 1986, S. 42, 49.

Weitere Infos

Aktuelle Infos über Burma aus oppositionellen Kreisen:

Mizzima News: www.mizzima.com / in Indien ansässige Nachrichtenagentur von Exil-DissidentInnen.

Democratic Voice of Burma: www.dvb.no / in Norwegen ansässiger Radio- und TV-Sender, der unabhängig und authentisch über Oppositionsgruppen in Burma berichtet.

Burma-Myanmar Genocide 2007 http://burmamyanmargenocide.blogspot.com / übersetzt burmesische Blogs ins Englische.