Unter einem Archiv stellt man sich häufig im wesentlichen einen Stapel Papiere vor. Die lagern natürlich auch im Archiv Aktiv, vor allem zur Geschichte der Graswurzelbewegung, doch das Archiv ist auch ganz schön aktiv - und darin liegt kein Widerspruch. (Red.)
1996 war für das Archiv Aktiv für gewaltfreie Bewegungen wieder ein arbeitsreiches Jahr. An bezahlte Arbeit war aus finanziellen Gründen nicht zu denken, alles wurde ehrenamtlich geleistet. Dagegen hat das Minimalkonzept funktioniert, das die Mitgliederversammlung im Januar 1996 beschlossen hatte (1). D.h. die Spenden und Beiträge reichten knapp für Miete, Telefon, Porto-, Kopier- und Fahrtkosten.
Dabei nahmen die Aktivitäten des ‚Archiv Aktiv‘ weiter zu. Die Themen Gorleben (Gewaltfreie Aktionen gegen CastorTransporte) und FREIe HEIDe (Widerstand gegen das geplante NATO-Bombodrom in Brandenburg) waren deutlich Schwerpunkte der Anfragen. Dazu kamen vielfältige Serviceleistungen für gewaltfreie Aktionsgruppen wie für StudentInnen, die das Archiv nutzten. Die Wochenseminare kamen gut an: wie jedes Jahr ein Gorlebenseminar im Wendland, sowie eine Reise an die Obere Loire, um die Arbeit der Initiative „SOS Loire Vivante“ aus erster Hand kennenzulernen, die den Bau des Staudamms Serre de la Farre bei Le Puy durch fünf Jahre (!) Platzbesetzung verhinderte. Diese Seminarreihe soll unter dem Motto „Lernorte für gewaltfreien Widerstand“ ausgebaut werden: Larzac, FREIe HEIDe…
In Köln fand vom 22.-24.11. ein Archiv – Aktiv – Wochenende statt: am Freitagabend ein Austauschtreffen mit befreundeten Projekten, am Samstag ein ganztägiger Studientag. Dabei beschäftigte uns der in letzter Zeit inflationäre Gebrauch des dadurch verflachten Begriffes Gewaltfreiheit, das Forschungsprojekt ‚Gewaltfreie Einmischung in Krisen und Krieg‘ des ‚Instituts für Friedensarbeit und Gewaltfreie Konfliktaustragung‘ sowie Anmerkungen aus dem Vergleich der Anfänge gewaltfreier Bewegung im Nachkriegsdeutschland mit der Situation der Bewegung heute. Die TeilnehmerInnen waren von den vorgetragenen Inhalten und der niveauvollen Diskussion spürbar angetan, die Vorträge werden schriftlich dokumentiert.
Am Sonntag fand die Mitgliederversammlung statt, zwar mit kleiner Besetzung aber mit hoffnungsvollen Ergebnissen. Wir planen weitere Studientage, um mehr Gelegenheit zu bieten, die Arbeit von Archiv Aktiv kennenzulernen: am 12. April 1997 in Heidelberg, im Oktober in Berlin und im Frühjahr 1998 in Bremen. Ausführliche Informationen folgen im nächsten ‚Archiv Aktiv Aktuell‘, das ebenso in Vorbereitung ist wie eine ausführlichere Selbstdarstellung des Archiv Aktiv – Konzeptes und eine Reprint-Broschüre über Dr. Theodor Michaltscheffs Wirken in der IdK (Internationale der Kriegsdienstgegner) 1946-1966.
Am 26.11. führten wir in Netzeband am Rande der FREIen HEIDe mit der dortigen BI eine Veranstaltung durch, bei der Hervé Ott den erfolgreichen Widerstand gegen den Truppenübungsplatz Larzac anschaulich darstellte. Im Herbst soll, in Zusammenarbeit mit ‚Umbruch – Bildungswerk für gewaltfreie Veränderung‘, eine Studienreise in diese südfranzösische Region führen, um vor Ort Auswertungen und Anregungen für gewaltfreie Aktionen, u.a. in der FREIen HEIDe zu erarbeiten.
Daneben gehen, wegen der schmalen personellen Basis auf kleiner Flamme, die Auswertungsprojekte weiter. StudentInnen sollten die besonderen Möglichkeiten, die das ‚Archiv Aktiv‘ bietet, für Praktika oder für Semester-, Magister- oder Diplomarbeiten mehr als bisher nutzen. Es wäre gut, wenn neben den 50er und 60er Jahren allmählich auch die 70er und 80er Jahre der Bewegung für gewaltfreie Gesellschaftsveränderung untersucht, ausgewertet und beschrieben würden. Wer von den Jüngeren in den heutigen Initiativen weiß schon Näheres von den Anfängen der Graswurzelbewegung? Die aktive Mitwirkung gewaltfreier Aktionsgruppen in der Ökologie- und Friedensbewegung von Wyhl bis Gorleben und von den ersten Totalverweigerern bis Großengstingen und Mutlangen bieten eine Fülle von interessanten Kapiteln unserer gemeinsamen Geschichte, die noch geschrieben werden sollten.
In Hamburg wächst die Zahl der Menschen, die sich dem nächsten Castor-Transport gewaltfrei querstellen wollen. Daneben gibt es eine ganze Reihe weiterer gewaltfreier Initiativen und EinzelkämpferInnen, die kaum Kontakt untereinander haben. Es wird Zeit, daß in einer Großstadt wie Hamburg die gewaltfreien Alternativen öffentlich sichtbarer werden. Das Archiv will dazu beitragen, daß die Gruppen mehr voneinander erfahren, um mehr gemeinsam tun zu können….
Im Archiv lagern viele Doubletten von Zeitschriften und Broschüren, die auf „LiebhaberInnen“ warten, nicht zuletzt eine größere Menge Ausgaben der graswurzelrevolution seit 1972.
(1) siehe 'Archiv Aktiv Aktuell' Nr. 2 , Sommer ´96, das gegen DM 3.- in Briefmarken bestellt werden kann.
Kontakt
Archiv Aktiv für gewaltfreie Bewegungen
Sternschanze 1
20357 Hamburg
derzeit keine festen Öffnungszeiten, Termine vereinbaren unter Tel: 040/4302046