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The workers are not all right!

Die Landtagswahlen in Österreich und der Abschied von der Arbeiterklasse

| Oskar Lubin

Das Bedürfnis der Emanzipation könne nur entstehen, schreibt der libertäre Marxist John Holloway, sofern wir die Arbeiterklasse sind. Diese Identifikation sei einerseits notwendig, müsse andererseits aber, so Holloway in seinem zum Klassiker der globalisierungskritischen Bewegung avancierten Buch Die Welt verändern, ohne die Macht zu übernehmen, gleich wieder überwunden werden. Notwendig, um sich bewusst zu werden, überwinden, weil die Identifizierung und Klassifizierung Teil des Problems sei, sie verhindere Emanzipation. Vor allem der zweite Teil der Aufforderung bekommt nun neue Brisanz.

Die Landtagswahlen in Österreich. Nehmen wir sie als einzelnes Ereignis oder als Tendenz dafür, wie bestimmte Milieus auf die Krise reagieren – sie scheinen so oder so das Zeug zu einem Präzedenzfall zu haben. „Wir, die Arbeiterklasse“ (Holloway) – die Zeiten sind vorbei! Nachdem bei den letzten Wahlen zum Parlament, den Nationalratswahlen 2008, bereits die österreichischen WählerInnen im Alter zwischen 16 und 30 Jahren die rechtsextreme FPÖ zur stärksten Partei in ihrer Altersgruppe gemacht haben, rücken nun die ArbeiterInnen nach rechts. Bei den Landtagswahlen in den Bundesländern Salzburg und Kärnten am 01. März 2009 haben sie nicht nur für die hohen Verluste der Sozialdemokratischen Partei gesorgt.

Ihr Wahlverhalten müsste letztlich sowohl die Arbeiterbewegungsforschung als auch den Aktivismus umkrempeln.

Die rechtsextremen Parteien, in Österreich verharmlosend das „freiheitliche“ oder „dritte Lager“ genannt, sind die Gewinner der österreichischen Landtagswahlen: Das BZÖ holte in Kärnten mit 45,5 Prozent der WählerInnenstimmen die Mehrheit, die FPÖ konnte in Salzburg als einzige Partei Stimmen hinzugewinnen (4,4 Prozent) und wurde mit 13 Prozent drittstärkste Kraft. Beide Parteien erhielten großen Stimmenzuwachs von enttäuschten SPÖ-WählerInnen. Nach Informationen des ORF wählten die ArbeiterInnen in Kärnten zu 68 Prozent das BZÖ, in Salzburg wurde die FPÖ mit 41 Prozent der Stimmen aus der Arbeiterschaft zur stärksten Arbeiterpartei.

Das BZÖ hatte sich 2005 unter dem damaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider von der FPÖ abgespalten. Die Partei war bis 2007 in der Bundesregierung, konnte aber seitdem außer in Kärnten bundesweit kaum punkten. Hier baute die FPÖ unter Heinz-Christian Strache ihre Stimmen aus.

Der Nachfolger des im vergangenen Oktober bei einem Autounfall ums Leben gekommenen Rechtspopulisten Haider, Gerhard Dörfler (BZÖ), hatte im jetzigen Wahlkampf vor allem mit einem Witz über eine schwarze Frau („Negermama“) bundesweites Raunen ausgelöst. Im Kärntner Karneval hatte er sich kurz vor der Wahl mit zwei schwarz bemalten und mit umgehängten Brüsten ausgestatteten Scherzbolden fotografieren lassen. Die noch von Haider angeordnete, widerrechtliche Unterbringung von AsylbewerberInnen auf einer abgelegenen Alm („Saualm-Affäre“) wurde von Dörfler im Wahlkampf verteidigt. Auch der Salzburger FPÖ-Chef Karl Schnell hatte über die Position seiner Partei im politischen Spektrum keine Zweifel gelassen: Bei einer Veranstaltung der deutschen „Republikaner“ im vergangenen August hatte er vor den „Rechtsparteien der Mitte“ (CDU, CSU und ÖVP) gewarnt. Denn nur deretwegen käme es mittlerweile dazu, dass „der Schwarzafrikaner in Lederhose in München als Kellner die Maß Bier“ bringe. „Heimatland in Heimathand“ war dementsprechend auch der Wahlslogan der „freiheitlichen“ Weißeuropäer in Salzburg.

Was aber zieht man nun für Schlüsse daraus, dass die rassistischen Denkmuster gerade bei ArbeiterInnen so weit verbreitet sind? Die sozialdemokratische Strategie, diesen Ressentiments unter dem Motto „die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen“ auch noch entgegen zu kommen, kann definitiv als gescheitert gelten. Die erste Schlussfolgerung müsste also lauten: Die Ängste der Bevölkerung gehören bekämpft und nicht „ernst genommen“!

Die Bewegungsforschung, die implizit immer noch davon ausgeht, dass es sich bei ihrem Gegenstand, den ArbeiterInnen, um fortschrittliche Kräfte handelt, braucht einen Paradigmenwechsel. Den hatte der Cultural Studies-Theoretiker Stuart Hall bereits Ende der 1970er Jahre angesichts der Wahlerfolge Margaret Thatchers bei den britischen ArbeiterInnen gefordert. Auch Ernesto Laclau und Chantal Mouffe hatten in ihrem Buch Hegemonie und radikale Demokratie argumentiert, dass kein logisches und notwendiges Verhältnis zwischen sozialistischen Zielen und den Positionen sozialer AgentInnen in den Produktionsverhältnissen bestehe.

ArbeiterInnen seien, wie auch AkteurInnen der neuen sozialen Bewegungen, nicht automatisch fortschrittlich. Welche Richtung ihre Artikulationen und ihr Kampf annähmen, ergebe sich aus der konkreten hegemonialen Situation. Und hegemonial ist sozialistisches Denkens und Fühlen heute ganz offensichtlich nicht – trotz der Diskussionen um Verstaatlichungen.

Was die leninistische Schlüsselfrage „Was tun?“ betrifft, so sollte nun auch jeglicher trotzkistische Entrismus, der Versuch, die Abeiterparteien von Innen zu revolutionieren, jäh in seine Schranken gewiesen sein. Wenn die stärksten Arbeiterparteien inzwischen rechtsextrem sind, ist die Unterwanderungsstrategie nicht nur illusorisch, sondern auch gefährlich.

Solidarisches Handeln, um dem rechten Sozialdarwinismus das Wasser im Alltag abzugraben, direkte gewaltfreie Aktion, um die Hoffnung auf die parteiförmige Repräsentationen zu unterlaufen – das sind sicherlich nur kleine Taktiken und keine Strategien gegen den rassistischen Normalzustand. Zunächst bleibt wohl vor allem festzuhalten: Die Einsicht der linken Poptheorie, dass der The Who-Songtitel „the kids are all right“ angesichts konservativer Einstellungsmuster unter Jugendlichen einfach daneben liegt, kann angesichts der österreichischen Realitäten jedenfalls getrost ausgeweitet werden: the workers auch nicht.