In den letzten Wochen wurden zahlreiche Besetzerinnen und Besetzer in den frühen Morgenstunden unsanft von der Polizei geweckt.
Die Unileitungen holten sich die Staatsgewalt zur Seite, um die eigenen Studierenden aus den besetzten Hörsälen zu bekommen und den dort geführten Diskurs über bessere Bildungsbedingungen zu unterbinden. Damit demonstrierten sie anschaulich die eigene Hilflosigkeit gegenüber dem gescheiterten Bolognaprojekt und die Unfähigkeit, Konsequenzen aus dem Scheitern zu ziehen und gemeinsam mit allen Universitätsmitgliedern die Uni nach deren Bedürfnissen umzugestalten.
Die Polizei kam selbstverständlich nicht ohne Grund am Morgen, sondern wählte die Zeit des geringsten Widerstandes. Dieses Kalkül ging weitgehend auf. Die meisten Räumungen liefen daher „friedlich, aber nicht freiwillig“ ab, wie es von BesetzerInnen betont wurde, was bedeutet, dass sie der Aufforderung der Polizei, das Gebäude zu verlassen, nachkamen. In einigen Städten kam es dennoch zu einer Eskalation seitens der Polizei. Ins besetzte Frankfurter Casino (Uni Mensa) kam die Polizei am frühen Abend. Die dort Anwesenden, die gerade an einem Seminar teilnahmen, weigerten sich, den Anweisungen der Polizei und des Präsidenten nachzukommen, und leisteten (passiven) gewaltfreien Widerstand. Die Räumung folgte anschließend brutal: PolizistInnen zogen die Vorhänge zu, damit die Presse nicht dokumentieren konnte. Das Heraustragen wurde teils von Schlägen und Tritten sowie „sexistischen Übergriffen“ begleitet. Nach der Räumung berichten Studierende von einer „Hetzjagd“, bei der sechs Menschen (Protestierende) so schwer verletzt wurden, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten.
Diese körperliche Gewalt war allerdings nicht die Regel. Andere Rektorate gingen subtiler vor. Einige stellten im besetzten Raum Strom und Wasser ab, in Münster wurde versucht, durch Täuschungen die Besetzung zu beenden. Besonders kritisch ist das Vorgehen des Präsidiums der Uni München zu betrachten. Als trotz der Winterferien die Besetzung weiterging, verweigerte die Universitätsleitung den Eintritt in das besetzte Audimax sowie die Zufuhr lebensnotwendiger Dinge wie Nahrungsmittel. Als diese „stille Räumung“ erfolglos blieb, kam wieder die Polizei.
Auffällig ist, dass ein Gros der Räumungen in Nordrhein-Westfalen stattfand (Bielefeld, Dortmund, Duisburg, Bochum, Münster, Düsseldorf, Köln, Bonn). Dies könnte mit dem so genannten „Hochschulfreiheitsgesetz“ des Landes zusammenhängen. Durch dieses Gesetz entscheiden die Unis selbst über die Erhebung und die Höhe der Studiengebühren. Somit ist der Konflikt zwischen Unileitung und Studierendenschaft schon älter als an manch anderer Hochschule und die Fronten sind verhärteter, was Duldung und Diskussionen erschweren dürfte.
Ein Problem früherer Studiproteste war, dass der Protest über die Winterferien abebbte und sich im neuen Jahr nicht reaktivieren ließ. Hier muss sich die Bewegung nun beweisen, wie ernst es ihr ist, und ob sie den Protest fortsetzt. Einige Besetzungen wurden über die Ferien aufrecht erhalten und man feierte im Hörsaal, andere pausierten, wollten aber im neuen Jahr mit gestärkten Kräften weitermachen. Die Hochschulleitungen hofften auf eine Schwächung des Protests zur Weihnachtszeit und ließen kurz vor oder nach den Feiertagen räumen.
Egal wann geräumt wird, wichtig ist, es nicht als Ende und Auflösung des Konfliktes zu betrachten, sondern im Gegenteil als Zuspitzung. Einige Studierende der früh geräumten Unis wie Münster oder Bonn erkannten das und besetzten gleich wieder.
Nur durch Ausdauer, weitere Aktionen sowie der Ausweitung des Protests auf andere gesellschaftliche Ebenen wird es möglich sein, langfristig etwas zu ändern.
Anmerkungen
Maurice W. (21) studiert an der Uni Osnabrück, hat ein GWR-Praktikum absolviert und engagiert sich u.a. im bundesweiten Bildungsstreik.