Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

als die Bundesregierung während des Vietnamkriegs ein Sanitätsschiff zur Unterstützung der US-Militärs nach Indochina schickte, kam innerhalb der Linken niemand auf die Idee, dies als „humanitär“ zu charakterisieren. „Auch Zivildienst ist Zuvieldienst“, ein Motto der antimilitaristischen Bewegung, das u.a. klar machen sollte und soll, dass im Kriegsfall auch ein Zivildienstleistender, der verletzte Soldaten für den Krieg fit macht, Kriegsdienst leistet. Das sieht Stefan Wirner anders. Der Redakteur der Jungle World reißt Zitate aus der GWR 276 (Februar 2003) (1) aus dem Zusammenhang und vermischt sie mit Unterstellungen und Diffamierungen gegen einen Autor, der aufgrund der bellizistischen Ausrichtung der Wochenzeitung seit dem 11.09.2001 nicht mehr für die Jungle World schreibt: „Alfred Schobert kritisiert in der graswurzelrevolution den Verteidigungsminister Peter Struck dafür, dass er »das Ausfliegen verletzter US-Soldaten nach Deutschland« anbot. Die Deutschen sollten offenbar verletzte Yankees lieber im Wüstensand liegen lassen. Solche Kritik stärkt den Antiamerikanismus und führt zum deutschnationalen Overkill der Friedensbewegung.“ (2)

Um den „Overkill“ der nicht nur von Wirner vertretenen „antideutschen“ Ideologie geht es auf Seite 8 dieser GWR: „Die Freude der richtigen Seite„.

Weitere Themenschwerpunkte dieser Ausgabe sind „die soziale Frage“ (S. 10-11), der Anti-Rassismus (S. 15-17, 20), die deutsche „Folterdebatte“ und der Istanbuler Prozess gegen Frauen, die ihre Vergewaltigung auf Polizeistationen öffentlich gemacht haben (S. 1, 12-13). Ein Hauptthema ist der transnationale Antimilitarismus und die Analyse der Lage nach dem „Siegfrieden“ im Irak (S. 1-9). Sehr lesenswert auch das Grenzgänger-„Concert for Anarchy“ und die Artikel über die Machnobewegung (S. 18) und Rudolf Bahro (S. 14 f.).

Außerdem gibt es ein neues Titelseitenlayout. Ob das aber die Staatsschutzbehörden, Jungle World-Redakteure und Jörg Bergstedts dieser Welt davon abhält, weiterhin Quark über die graswurzelrevolution zu verbreiten? Während Bergstedt in seinen Verschwörungsbüchern (3) die böse, weil gewaltfreie (und „elitäre“) GWR mit ÖDP, Greenpeace u.a. gleichsetzt und verrührt, schreibt Wolfgang Rösemann, Kriminaldirektor, Leiter der Fachgruppe 3 (Kriminalistik/Kriminologie) des Bildungsinstitutes der Polizei Niedersachsen, in der Zeitschrift Kriminalistik in dem sechsseitigem Artikel „Die Graswurzelbewegung im Licht der freiheitlich demokratischen Grundordnung“:

„Durch ihre Befürwortung von militanter Gewalt – wenn auch beschränkt auf die Gewalt gegen Sachen, bei denen niemals eine Gewähr dafür übernommen werden kann, dass nicht doch auch Menschen zu Schaden kommen können – können die Anhänger der Graswurzelbewegung insofern als militante Extremisten bezeichnet werden.“ (4)

Ja, was denn nun?

Bildet Euch selbst ein Urteil, surft mal durch unsere Homepage: www.graswurzel.net.

Viel Spaß auch beim Lesen der neuen GWR und li(e)bertäre Grüße,

(1) Alfred Schobert: "Blinde Flecken bei Teilen der Friedensbewegung", GWR 276, S. 13 bzw. S. 4 der NO WAR-Aktionszeitung

(2) Stefan Wirner: "Deutscher Friede", Jungle World 15, 02.04.2003

(3) J. Bergstedt: Nachhaltig, modern, staatstreu?, Raiskirchen-Saasen 2003; Agenda, Expo, Sponsoring, Raiskirchen-Saasen 1999

(4) Kriminalistik 3/02, S. 167-172; hier S. 172