Liebe Leserinnen und Leser,
im Sommer 1972 erschien die Nullnummer der Graswurzelrevolution. 33 Jahre später, im Juni 2005, wird die 300ste Ausgabe des langlebigsten Organs des deutschsprachigen Anarchismus erscheinen. Aus diesem Anlass soll die GWR ein neues Kleid bekommen. Wir arbeiten an einem anderen Layoutkonzept, das ab GWR 300 verwirklicht werden soll. Bis dahin müsst Ihr euch noch mit der „Bleiwüstenrevolution“ zufrieden geben. Ich hoffe, dass die GWR lesbarer wird. Von daher war ich erstaunt folgendes in dem Ende 2004 im Campus-Verlag in Frankfurt/M. erschienenen Buch „Der Krieg in den Medien“ zu lesen:
„Manche (Medien der Friedensbewegung) verfolgen durchaus bewusst ein redaktionelles Konzept, das eine weitere Verbreitung hemmt, z.B. die Zeitschrift ‚Graswurzelrevolution‘ mit ihren berühmt-berüchtigten ‚Bleiwüsten‘. Redakteur Bernd Drücke begründet dies mit Bezug auf Chomsky damit, dass ‚kurze Nachrichten den herrschenden Konsens (fördern). Abweichende oder den Konsens durchbrechende Nachrichten haben keine Chance, weil sie in der Kürze der Zeit nicht begründet werden können.‘ (Drücke, B.: Alternative Medien als Gegenpol zur veröffentlichten Meinung? Chancen und Grenzen. Thesenpapier zum Medienkongress ‚Vom Fernsehbild zum Feindbild? Journalismus zwischen Kriegspropaganda und Friedenskultur‘, Münster 2001) Die Vielfalt der Alternativmedien hält er im Sinne der Gegenöffentlichkeit für absolut wünschenswert, weil nur diese gewährleiste, dass jede neue Idee zumindest die Chance habe, von ein paar Menschen wahrgenommen zu werden. Die Stärke alternativer Presseerzeugnisse liegt also vor allem in der Vernetzung bereits politisch aktiver Menschen, im Austausch von Ideen, Konzepten und Erfahrungen.“ (S. 193).
Ups. Liebe Kathrin Vogler, Layout ist nicht meine Stärke, aber dass ich „bewusst“ ein Bleiwüsten-Konzept verfolge, „das eine weitere Verbreitung hemmt“, war mir bisher nicht bewusst.
Zur GWR 297
Die aktuelle Ausgabe hat einen antirassistischen Schwerpunkt. Anknüpfend an den GWR 296-Artikel über den infolge eines Brechmitteleinsatzes der Bremer Polizei im Januar 2005 gestorbenen Layé Konde, analysiert das Antirassismusbüro Bremen die Debatte um Brechmittelfolter und Rassismus (S. 1, 6 f.). Claudius Voigt vom Flüchtlingsrat NRW und Wolfgang Hauptfleisch beleuchten in den Artikeln „Zehn Zeilen Ausgrenzung. Das neue Zuwanderungsgesetz“ (S. 6) und „Ausreisezentren, Arbeitsverbot, Aushungern. Mit dem Zuwanderungsgesetz erhöht sich der Druck auf geduldete Flüchtlinge“ die Auswirkungen des am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Zuwanderungsgesetzes. Betroffen von diesem Gesetz ist auch der türkisch-kurdische Kriegsdienstverweigerer Zeynettin Er. Mit ihm sprachen die GWR-MitherausgeberInnen Heike und Frank (S. 3). Weitere Beiträge zum antirassistischen Schwerpunkt: „Uhura – Vom Ende eines Modells„; „Schwimmlehrerinnen und andere deutsche Katastrophen“ (S. 2); „Groß- oder Kleinungarn? Die ungarische Opposition träumt von alter Größe“ (S. 4); „Dogan Güven im Hungerstreik“; „Anklage wegen Online-Demo“ (S. 5); „Rassismus. Ein historischer Abriss“; „Die Kölner Edelweißpiraten und ihre Lieder“ (S. 19), …
Christian Axnick (DFG-VK Marburg) analysiert den „Modernen Militarismus“ (S. 1, 9) und die Irak-Politik deutscher Antiimps (S. 8 f.).
Bernd Löffler, der schon in der DDR unter dem Dach der Offenen Arbeit Erfurt als Graswurzelrevolutionär aktiv war, hat den christlichen Anarchisten Arnold interviewt: „Anarchie und Religiosität?“ (S. 10 f.). Interessant ist auch sein zusammen mit Uwe Flurschütz verfasster Bericht vom Weltsozialforum 2005 in Porto Alegre (S. 1, 13).
Weitere Themen: Anti-Atom und Antimilitarismus, Repression und Berufsverbot (S. 4 f.); „Concert for Anarchy: Geigerzähler – Der musikalische Arm des Klassenkampfes“; „Agenda 2010 Trouble“ (S. 18), „Mogel-Packung Job-Wunder. Wie viele Ein-Euro-Stellen verträgt das Gesundheitswesen?“ (S. 12) …
Thomas Wagner beschäftigt sich mit dem „Irokesenbund als egalitäre Konsensdemokratie“ (S. 16 f.). Eine Fortsetzung erscheint in der nächsten GWR, in der das Thema „Konsens und Anarchie“ vertieft werden soll. Fortgesetzt wird in GWR 298 auch die in GWR 296 begonnene und in dieser Ausgabe (S. 14 f.) weiter geführte Beschäftigung mit dem Algerienkrieg.
Übrigens: Der Protest gegen den großen „Verlagsstand“ der Bundeswehr auf der Leipziger Buchmesse 2004 (vgl. GWR 289) war erfolgreich. Die Militärs werden diesmal ihre Kriegspropaganda dort nicht betreiben.
Der Verlag Graswurzelrevolution ist dagegen vom 17. bis 20. März wieder auf der Leipziger Buchmesse zu finden: Halle 3, Stand A 206. Über Euern Besuch würden wir uns freuen.
Li(e)bertäre Grüße,
Die Repräsentation ethnischer Minderheiten kann nicht alles sein
Interview mit dem kurdisch-türkischen Kriegsdienstverweigerer Zeynettin Er
Mit dem Zuwanderungsgesetz erhöht sich der Druck auf geduldete Flüchtlinge
Im VSA-Verlag ist ein grundlegender Sammelband zur Agenda 2010 erschienen