Schacher um Simbabwe
Mugabes Regime verwaltet das rassistische Erbe des Kolonialismus
Liebe Leserinnen und Leser,
der provokant-ironische Titel des GWR 331-Leitartikels sorgt hoffentlich für Irritationen und Aufruhr auch an den Bahnhofskiosken. „Georgien siegt – überraschend“, das ist eine gelungene Persiflage auf die Kriegberichterstattung in der Mainstreampresse. Dass es in einem Krieg, abgesehen von den Herrschenden und der (Rüstungs-)Industrie, nur VerliererInnen gibt, sollte eigentlich allen klar sein. Ist es aber nicht. Das zumindest zeigt die Kriegsberichterstattung in vielen Medien. Christian Axnick demaskiert mit seinem Text die NATO-Propaganda insbesondere der taz. Seine Schlussfolgerung, dass Georgien gesiegt habe, ist eine pointierte Überspitzung als Gegenpol zur herrschenden Meinung.
Der Kriegsjournalismus, wie er z.B. von der taz und dem US-Nachrichtenmagazin TIME betrieben wird, verkauft dagegen Kriege als Lösung von Problemen. Er teilt die Welt in böse (Russen) und gute (Georgier) Kriegsparteien ein. Er entlarvt die Unwahrheiten der GegnerInnen bzw. der Anderen, fokussiert Leiden einseitig, benennt nur gegnerisches Unrecht, ist elite- und siegorientiert.
Mit der eindimensionalen Sichtweise vieler Linker, die sich bedingungslos entweder hinter die russische oder hinter die NATO-Kriegspolitik stellen, beschäftigt sich der nebenstehende Kommentar.
Wir orientieren uns an den Graswurzelbewegungen weltweit und lassen deshalb auch AntimilitaristInnen aus Georgien und Russland zu Wort kommen (siehe Seite 7).
Ein anderer Schwerpunkt dieser Ausgabe ist die Lage im Nahen Osten, wobei wir auch die Situation gewaltfreier und anarchistischer Bewegungen in Israel, in Jordanien, im Libanon, im Irak und im Iran vorstellen.
In dieser GWR findet Ihr u.a. eine neue Ausgabe der gewaltfrei-anarchistischen Jugendzeitung Utopia und einen weiteren Diskussionsbeitrag zum Thema „Bedingungsloses Grundeinkommen“. Henning Melber beschreibt den „Schacher um Simbabwe“, Sliding Stuhlfauth erinnert an den am 23. Mai verstorbenen Folksänger und Anarchisten Utah Phillips und Cécile Lecompte berichtet über Störfälle, Militärgeheimnisse und den Zivilen Ungehorsam im Atomland Frankreich.
Solidarität mit GWR-Autorin Cécile Lecomte!
Cécile wurde am 14. November 2007 zu 5 Euro Bußgeld verurteilt, weil sie sich 2006 an einer Demo gegen den bevorstehenden Castortransport auf der Schiene im Wendland beteiligt hatte. Sie weigert sich dieses Bußgeld zu zahlen. Gegen sie wurde am Amtsgericht Hannover Erzwingungshaft verhängt. Am 19. August sollte die 26-jährige Aktivistin die Haft in der Justizvollzugsanstalt Vechta antreten.
Dies hat sie nicht getan. In einem offenen Brief an das Gericht erklärt sie ihre Beweggründe. „Gehorsam kann man nicht erzwingen“, so die Lüneburgerin Graswurzelrevolutionärin. „Ich weiß wofür ich stehe. Ich halte den gewaltfreien Protest gegen eine menschenverachtende Technologie wie die Atomenergie für legitim und notwendig – auch wenn nicht legal.“ Cécile ist bereits auf Grund von zahlreichen politischen (Kletter)Aktionen des zivilen Ungehorsams bekannt (die GWR berichtete) und sie nimmt dabei die Folgen bewusst in Kauf. Freilich nicht, ohne sich dagegen zu wehren: „Nicht bezahlen, nicht freiwillig kommen, das ist mein Weg, meine Handlung politisch zu verteidigen, dazu zu stehen.“
Wann die Aktivistin verhaftet und nach Hildesheim gebracht wird, ist unklar. Ein Strafbefehl soll vermutlich in den kommenden Tagen erlassen werden.
Neben Graswurzelrevolution und Utopia haben mehr als 30 Gruppen und Organisationen, so wie über 90 Personen aus verschiedenen Ländern sich mit dem Vorgehen der französischen Aktivistin solidarisch erklärt, einige haben bereits Protestschreiben an das Gericht verschickt. Auf Grund der Unverhältnismäßigkeit der Erzwingungshaft für 5 Euro Bußgeld hat Cécile Verfassungsbeschwerde eingereicht. Mehr dazu in der nächsten GWR.
Neue Uniarbeit beschäftigt sich auch mit der Graswurzelrevolution
Mittlerweile gibt es etliche wissenschaftliche Arbeiten, die sich auch mit den Inhalten der Graswurzelrevolution beschäftigen. Einige davon findet Ihr auf: www.graswurzel.net/ueberuns
Am Germanistischen Institut – Abteilung für Sprachwissenschaft der Uni Münster hat Kerstin Wilhelms im Wintersemester 2007/08 im Hauptseminar „Sprachkritik“ eine mit 1,0 bewertete Hausarbeit zum Thema „Richtlinien zum geschlechtergerechten Sprachgebrauch – Ein Beitrag zum Sprachwandel oder reine Stilübung?“ vorgelegt. Darin wird auch die Graswurzelrevolution analysiert. Eine Kostprobe: „Die Zürcher Wochenzeitung (WoZ) war die erste deutschsprachige Zeitung, die 1983 das Binnen-I einführte. Danach übernahm es 1986 die taz. Heute muss schon etwas tiefer im Dschungel der Presselandschaft gewühlt werden, um eine Zeitung zu finden, die noch konsequent das Binnen-I, sowie Splitting und Neutralisierung verwendet. (…) Eine Zeitung, die versucht konsequent geschlechtergerecht zu formulieren, ist die Graswurzelrevolution, ein linkes Blatt, deren Redaktion in Münster beheimatet ist. In den Ausgaben von Februar und März 2008 tauchen durchschnittlich 6,7 Binnen-Is pro Seite auf. Hinzu kommen diverse Splittings und Neutralisierungen. Nach eigenen Angaben wurde bereits in den 80er Jahren, also kurz nach WoZ und taz, das große I in der Graswurzelrevolution Standard. Ziel der geschlechtergerechten Schreibweise (…) sei es, Frauen sprachlich sichtbar zu machen, um eine Unterdrückung durch patriarchalische Schreibweisen zu verhindern.“ (S. 16)
Die sehr lesenswerte, 24-seitige Uniarbeit haben wir für Euch dokumentiert unter:
www.graswurzel.net/ueberuns/sprachgerechtigkeit.pdf
Viel Spaß beim Lesen, Anarchie und Glück,
Veranstaltungshinweise in eigener Sache:
24.9., 19 Uhr, Buchhandlung Bücherkiste in Siegen-Weidenau: Anarchismus - Referent: Bernd Drücke
26.9., 19 Uhr, Buchhandlung Bücherkiste in Siegen-Weidenau: ANARCHIE - Referent: Horst Stowasser. Infos: www.rls-nrw.de
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