Prickelndes Marseille
Die Streiks in Frankreich am Beispiel einer Hafenstadt mit strategischer Bedeutung
Liebe Leserinnen und Leser,
die kreativen Proteste und gewaltfreien Aktionen gegen den 12. Castor-Transport ins wendländische Zwischenlager Gorleben sorgen für Begeisterung. 50.000 Menschen haben am 6. November 2010 in Dannenberg demonstriert. Es war eine großartige, vielfältige Demo. Ausgesprochen erfreulich fand ich, dass die meisten Rednerinnen und Redner während der Kundgebung nicht mit Kritik auch an der vermeintlichen „Anti-Atom-Politik“ von SPD und Grünen gespart haben, welche während ihrer Regierungszeit nichts weiter als eine Bestandsgarantie für deutsche AKWs ausgehandelt und das dann als „Ausstieg“ verkauft hatten.
Mit anderthalb Tagen Verspätung hat der Castor sein Ziel erreicht. Es gab zahlreiche Blockade-, Schotter-, Ankett- und Kletteraktionen, die seine Ankunft verzögerten.
„Wer die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängert, muss auch mit verlängerten Laufzeiten für Atommülltransporte rechnen“, resümiert die BI Lüchow-Dannenberg.
Die Massenproteste zum Tschernobyljahrestag, die Großdemos in Berlin, München und Dannenberg zeigen, dass der atommafiöse Regierungskurs keinen Rückhalt in der Bevölkerung hat.
„Die Merkel-Regierung sichert den vier Atomstrom-Oligopolen ihre Profite, der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird blockiert, die Menschen haben das Vertrauen in die Politik verloren“, konstatiert Kerstin Rudek (BI Lüchow-Dannenberg). Im Fokus des Protests steht Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), der alle fachwissenschaftlichen Einwände gegen den Salzstock Gorleben ignoriert und das Moratorium zum 1. Oktober aufhob. BI-Sprecher Wolfgang Ehmke: „Er spricht von Dialog und Transparenz, outete sich aber im Schnelldurchgang als Basta-Politiker – Gorleben soll als Atommüll-Endlager ausgebaut werden, ohne Vorgespräche, alternativlos, ohne eine formale rechtliche Beteiligung der Bevölkerung, das nennen wir institutionelle Gewalt.“
Aus Protest gegen den Atom-Kurs der Bundesregierung hatten sich in den Tagen nach der Großdemo in Dannenberg Tausende an den direkten gewaltfreien Aktionen zum Stopp des Transports beteiligt.
Das besonnene Verhalten der DemonstrantInnen hat dazu geführt, dass die von Focus, Bild und Co. schon vor den Aktionstagen herbeiphantasierte „Schlacht um Gorleben“ nicht stattgefunden hat. Erschreckend ist allerdings, mit welcher Brutalität viele PolizistInnen mit Knüppeln, Pfefferspray und Wasserwerfern gegen gewaltfreie AktivistInnen vorgegangen sind. Mehr als 1.000 Menschen wurden nach Angaben des Ermittlungsausschusses von der Polizei verletzt. Betroffen waren vor allem Menschen, die sich an den „Castor schottern“-Aktionen beteiligt haben, was z.B. in einem auf www.graswurzel.tv dokumentierten Video zu sehen ist.
Tausende Anti-Atom-AktivistInnen versuchten an verschiedenen Stellen, die Castor-Gleise zu unterhöhlen (schottern) oder setzten sich aufs Castor-Gleis. Bauern umzingelten mit ihren Treckern Polizei-Wasserwerfer und behinderten durch diese gewaltfreie Aktion den gewalttätigen Einsatz der Staatsmacht.
Kurz nach dem Transport haben AtomkraftgegnerInnen die offizielle Website des Deutschen Atomforums gehackt. Unbekannte platzierten auf der Startseite eine Grafik mit der roten Anti-Atomkraft-Sonne, die ein Streichholz in der Hand hält, und einem brennenden Computer. Darüber stand zu lesen: „Kernenergie. So sicher wie diese Webseite.“
Die Graswurzelrevolution ist ein Sprachrohr der sozialen Bewegungen. Und so ist es selbstverständlich, dass wir uns in dieser Ausgabe erneut schwerpunktmäßig mit dem Widerstand gegen die Atompolitik beschäftigen.
Weitere Schwerpunkte dieser GWR sind u.a. „Stuttgart 21“, Antimilitarismus, die Streiks in Frankreich und das Gelebte Leben der Anarchistin Emma Goldman.
Viel Spaß beim Lesen, Anarchie und Glück,
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