Titel

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

in der Vergangenheit hat die GWR-Redaktion einige Drohbriefe bekommen. So erreichte uns beispielsweise als Reaktion auf antimilitaristische GWR-Artikel zum Afghanistankrieg am 14. März 2008 von „bizet20@gmx.de“ unter dem Titel „Beschwerde“ folgende Mail (inklusive Tippfehler):

„Ihr Affen, solche Leute wie euch sollte man einsperren, nie gedient, nie erlebt was es heißt im Krieg zu sein und dann solche Sprüche. An die Wand und wech mit euch. Schafft doch das Militär ab, mal sehen wielange ihr pisser noch lebt. MFG“ [sic!]

Nach interner Diskussion im GWR-HerausgeberInnenkreis entschieden wir uns damals, die Mail nicht öffentlich zu machen. Sinnvoller wäre vielleicht gewesen, wenn wir darauf reagiert hätten. So wie es im Februar 2015 fünf Dortmunder Journalisten gemacht haben, nachdem Neonazis versucht hatten, sie mit falschen Todesanzeigen einzuschüchtern. In den schwarz umrandeten Anzeigen, die wahrscheinlich von Mitgliedern der Nazipartei „Die Rechte“ stammen und im Internet kursieren, heißt es beispielsweise: „Journalist Felix Huesmann – in unseren Herzen lebst du auf keinen Fall weiter. Bald ist es Zeit zu gehen.“

Felix Huesmann ist für GWR-LeserInnen kein Unbekannter. Im Januar 2009 schrieb der damals 16jährige Schüler an die GWR-Redaktion: „Liebe Graswurzelrevolution, die GWR ist jugendgefährdend! Zumindest findet das die Jugendschutzsoftware an unseren Schulcomputern. Die hat mir angezeigt, dass www.graswurzel.net in ‚mindestens einen für mich gesperrten Themenbereich fällt‘.“

Monatelang konnte damals die GWR-Homepage an Tausenden Schulen, die den „Schulfilter plus“ auf ihren Rechnern installiert hatten, nicht aufgerufen werden, da sie unter „Hass/Diskriminierung/politisch extrem“ kategorisiert wurde. Dank der Information von Felix konnten wir das öffentlich machen und letztlich erreichen, dass graswurzel.net nicht mehr zensiert wird.

Felix Huesmann begann seine journalistische Laufbahn als 16-jähriger GWR-Praktikant und im Anschluss als Redakteur bei der – 21-mal von 2007 bis 2011 im Verlag Graswurzelrevolution erschienenen – Jugendzeitung utopia. Es freut uns sehr, dass der heute 23-Jährige seine Arbeit als Journalist so couragiert fortsetzt.

„Ich werde mich nicht einschüchtern lassen und mache weiter wie bisher. Aber ein bisschen mulmig ist es schon, wenn ich das Haus verlasse“, so Felix im Gespräch mit der GWR. In einem Artikel für das Magazin Vice schreibt er: „Die Nazis gehen mit diesen Morddrohungen tief unter die Gürtellinie. … Um Menschen zu entlarven, die über die Ermordung Anne Franks lachen, reicht es vollkommen aus, sie als das zu bezeichnen, was sie sind: Nazis. Und das werde ich auch tun. Immer wieder.“

Solidarität mit Felix und allen Betroffenen! Mehr zum Thema findet Ihr voraussichtlich im April in der GWR 398.

Die Euch vorliegende GWR 397 hat die Schwerpunkte Anti-Rassismus, Ökologie und Ukraine-Krieg. Außerdem liegt ihr eine neue Ausgabe der Libertären Buchseiten (LiBus) bei. Die LiBus gibt es zudem als Extrablatt, u.a. vom 12. bis 15. März an unserem Buchverlagsstand auf der Leipziger Buchmesse: Halle 5, Standnummer C 411. Wer LiBus in seiner Stadt verteilen möchte, kann sie dort abholen oder gegen Portospende bei abo@graswurzel.net bestellen, bis die 5.000er Auflage vergriffen ist.

Mit der Euch vorliegenden GWR 397 präsentieren wir ein noch nicht perfektes, neues Layout. Wie gefällt es Euch? Habt Ihr Verbesserungsvorschläge?

Wie schon in der GWR 396 angekündigt, erscheint die GWR ab jetzt mit einem Umfang von 24 statt 20 Seiten im Berliner Tageszeitungsformat und zum Verkaufspreis 3,80 statt 3 Euro. Die erste GWR-Preiserhöhung nach neun Jahren war notwendig, damit wir die jährliche Deckungslücke von über 8.000 Euro schließen und die gestiegenen Kosten ausgleichen können. GWR-AbonnentInnen, die sich den neuen Preis nicht leisten können, haben die Möglichkeit, sich bei GWR Abo und Vertrieb Freiburg (abo@graswurzel.net) zu melden. Sie bekommen die GWR dann zum alten Preis.

Wir widmen diese Ausgabe unseren Freunden Jochen Fürst und Christian Sigrist. Der antimilitaristische Aktivist Jochen Fürst ist im Januar im Alter von 49 Jahren gestorben. Einen Nachruf auf ihn findet Ihr auf Seite 8. Der Soziologieprofessor Christian Sigrist ist am 14. Februar gestorben, kurz vor seinem 80. Geburtstag. In der GWR 398 erscheint ein Nachruf auf unseren lieben Freund, Genossen und Mentor.

Li(e)bertäre Grüße,

PS: Der sehenswerte, beim Internationalen Filmfestival im Cineplex Münster uraufgeführte Dokumentarfilm "Widerstand und Lokalpolitik. 40 Jahre Umweltbewegung Münster" (40 Min.) von Reinald Döbel erzählt die Geschichte der Münsteraner Umweltbewegung aus der Sicht der Beteiligten. Zu Wort kommen u.a. auch die GWR-Autoren Matthias Eickhoff, Bernd Drücke und Jens Damnig. Musik: Isabel Lipthay/Martin Firgau. Preis: 9,90 Euro (plus 3 Euro Versand) bei: Filmwerkstatt, Gartenstraße 123, 48147 Münster, film@muenster.de