Titelseite GWR 403

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

auf freitag.de wirbt Mopperkopp, Mitarbeiter der linken Wochenzeitung Freitag, für die Graswurzelrevolution „und weitere kleine alternative Projekte, die sich unabhängiger Aufklärung verschrieben haben“ (1). Er schreibt: „die FAZ (…) ist eher etwas für Rezipienten, die sich politisch instrumentalisieren lassen. Ähnliches gilt natürlich auch für die Zeit, die Welt und andere Zeitungen oder Zeitschriften. Ausnahmen bilden nur kleine Medien-Nischen-Produkte wie DA, graswurzelrevolution, konkret, Widerspruch und einige andere, die jeden Cent wert sind, den der Kunde über die Theke schiebt.“ (2)

Herzlichen Dank! Das freut und bestärkt uns.

Manchmal ist es für eine kleine alternative Monatszeitschrift gar nicht so einfach den eigenen redaktionellen Ansprüchen an unabhängige Aufklärung gerecht zu werden. So hatten wir für diese Ausgabe eigentlich einen Artikel und ein Interview mit der Buchautorin Anett Keller zu „Indonesien 1965ff.“ eingeplant. Beides kann nun erst in der GWR 404 erscheinen. Ein weiterer eingeplanter GWR 403-Schwerpunkt sollte sich intensiv mit den Entwicklungen in der Türkei beschäftigen. Das hat nur bedingt geklappt, weil der eigentlich als Leitartikel angedachte Bericht einer befreundeten gewaltfreien Anarchistin aus der Türkei nicht rechtzeitig für diese Ausgabe fertig wurde. Sie war Teilnehmerin der Friedensdemonstration am 10. Oktober 2015 in Ankara, welche durch zwei Bombenanschläge für mehr als 100 TeilnehmerInnen tödlich endete.

Ebenso für diese GWR eingeplant waren unter anderem auch weitere Artikel zur Situation geflüchteter Menschen in Europa, über die Verschärfung der Asylgesetze und über Dresden nach dem Wiedererstarken der rassistischen PEGIDA-Märsche.

Wir sind zuversichtlich, dass die Artikel noch rechtzeitig bis zum GWR 404-Redaktionsschluss (10.11.) kommen und wir sie Euch dann im Dezember in der nächsten Ausgabe präsentieren können.

Dadurch, dass diesmal so viele tagespolitisch aktuelle Beiträge nicht rechtzeitig eingetrudelt sind, können wir Euch nun einen größeren „Feuilleton“-Teil mit Film- und Buchbesprechungen präsentieren (siehe Seite 18 ff.). Und das ist durchaus lecker.

TTIP, CETA, TISA & Co.

In der GWR 402 hatten Anete Wellhöfer und Ginny Irish den Widerstand gegen TTIP und CETA in den USA unter die Lupe genommen. Der Artikel war auf Seite 1 platziert, auch um zur Demo am 10. Oktober in Berlin zu mobilisieren. KeineR von uns hat erwartet, dass die Demonstration gegen TTIP und CETA dann mit 250.000 TeilnehmerInnen die größte in Deutschland werden würde, seit am 15. Februar 2003 etwa 500.000 Menschen in Berlin gegen den Irak-Krieg demonstriert haben. Die Demo wäre für GraswurzelrevolutionärInnen eigentlich eine gute Gelegenheit gewesen, die GWR im Handverkauf massenhaft unter die Leute zu bringen und ganz nebenbei durch den Wiederverkaufsrabatt (ab 30 Stück 50% Rabatt) die Arbeit der eigenen politischen Gruppe zu unterstützen. Früher haben das viele gemacht. Wir würden uns freuen, wenn diese Bewegungs-Tradition des GWR-Handverkaufs auf Demos und bei anderen Gelegenheiten, zum Beispiel auch in linken Kneipen und Cafés, wieder „in Mode“ käme. Interesse? Siehe Schnipsel auf Seite 24.

TTIP, CETA und Co. sind Themen der GWR 403, wie unter anderem auch Anarchismus, Gewaltfreiheit, Anti-Atom, Lieben ohne Bevormundung, die Wahl in Wien, der Kampf um Freiräume und die wunderbare Besetzung des „Zollamtes“.

Leider wurde das besetzte „Zollamt“ in der Sonnenstraße 85 in Münster nach 16 Tagen gelebter Utopie am 26. Oktober 2015 u.a. von einer Hundertschaft aus Dortmund geräumt. In den „Westfälischen Nachrichten“ vom 27.10.2015 heißt es dazu u.a.: „Die angespannte Wohnungslage in Münster sei noch lange keine Rechtfertigung, fremdes Eigentum zu besetzen, meint AfD-Ratsherr Martin Schiller. Der Politiker: ‚Es ist höchste Zeit, dass der Staat seine Autorität endlich durchsetzt und diesem anarchistischen Treiben ein Ende setzt.'“ In einem ausgiebigen GWR-Interview äußern sich drei BesetzerInnen über ihre Beweggründe für die Besetzung und ihre Vorstellungen von einem selbstbestimmten Leben (Seite 13 f.).

Diese Ausgabe widmen wir unserem langjährigen Mitherausgeber, geliebten Freund und Genossen Wolfgang Zucht. Wolfgangs Beerdigung am 2. Oktober in Kassel war eine bewegende Trauerfeier. Etwa 130 Freundinnen und Freunde kamen und viele teilten ihre Erinnerungen an diesen warmherzigen Graswurzelrevolutionär (siehe Seite 16 f.).

Wolfgang hat viele von uns mit geprägt. In seinem Sinne wollen wir unseren Kampf für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft weiter führen.

(1) www.freitag.de/autoren/mopperkopp/angriff-der-spalter, 24.10.2015

(2) www.freitag.de/autoren/mopperkopp/der-preisbrecher, 18.9.2015

Veranstaltungen mit GWR-Beteiligung im November 2015:

5.11., 20 Uhr, IKuWo Goethestr.1, Greifswald: "Kommen Sie da runter!". Lesung mit Cécile Lecomte. Infos: www.eine-welt-mv.de/ep-tage-2015/kommen-sie-da-runter/

8.11., Cum Laude, Humboldt-Universität, Am Festungsgraben, Berlin: Anarchie. Referent: Bernd Drücke. Infos: www.peira.org/veranstaltungen/

14. - 15.11., Schlatterhaus, Österbergstr. 2, Tübingen: IMI-Kongresses "Militärische Landschaften: Diskurse - Räume - Strategien". Infos: www.imi-online.de/2015/10/15/militaerische-landschaften-diskurse-raeume-strategien/

22.11., 13 Uhr, Cinema, Warendorfer Str. 45, Münster: Filmpremiere "Ein Kessel Buntes, SOZIALPALAST", u.a. auch mit den GWR-AutorInnen Ulrike Löw, Michael Sturm, Bernd Drücke, Volker Maria Hügel und Cécile Lecomte. Infos: http://sozialpalast.de/kunst/sozialpalast13.html

24.11., 19 Uhr, Julius-Lehlbach-Haus, Kaiserstraße 26-30, Mainz, Gelebte Utopie. Soziale Bewegungen, Alternativmedien und Perspektiven für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft. Referent: Bernd Drücke. Infos: www.Linkswärts.de

25.11., 19 Uhr, Infoladen, Blücherstraße 46, Wiesbaden, Gilt in der Anarchie die Straßenverkehrsordnung? Referent: Bernd Drücke. Infos: http://linksnavigator.de/node/6997