Titelseite Gwr 426

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

auf dieser Seite findet Ihr neben einem Kommentar und dem Editorial fast immer auch eine für die GWR angefertigte Zeichnung, in der Regel von Roy Brick, Findus oder Andi Wolff. Diese Cartoons sind unabhängig vom Text als eigenständige politische Kommentare zu verstehen. Besonders aufwendig gemacht sind die Bilder, die uns seit einigen Jahren der Klever Künstler Wilfried Porwol zur Verfügung stellt. Seine obige Grafik (Linolschnitt von zwei Druckplatten) zum Jahreswechsel verdeutlicht die Atomkriegsgefahr, die im Jahr 2018 keineswegs gebannt ist.

Hier möchte ich mich bei den Künstler*innen, Fotograf*innen, Autor*innen und allen anderen Menschen bedanken, die dazu beitragen, dass wir mit der Graswurzelrevolution kollektiv und basisdemokratisch organisiert Gegenöffentlichkeit und einen Beitrag zur Weiterentwicklung gewaltfreier und anarchistischer Ideen schaffen.

Der GWR-Herausgeber*innenkreis ist bunt und besteht momentan aus etwa 30 Menschen zwischen 20 und 83, die diese Zeitschrift zu einem generationsübergreifenden Projekt machen. Als kleine Monatszeitschrift stoßen wir dabei allerdings immer wieder an unsere Grenzen. Auf vieles, was uns unter den Nägeln brennt, können wir, anders als eine Tageszeitung, nicht unmittelbar reagieren.

Während ich diese Zeilen schreibe, hat die türkische Armee angefangen, großflächig die selbstverwalteten kurdischen Gebiete in Syrien zu bombardieren. Proteste aus dem Westen blieben weitgehend aus. Die deutsche Regierung äußerte „Besorgnis“, was nichts anderes als Hohn ist. Wie der islamistische Folterstaat Saudi-Arabien im Jemen, so führt jetzt die Türkei ihren Angriffskrieg gegen die kurdische Bevölkerung in Syrien mit deutschen Waffen.

Allein zwischen 2005 und 2013 hat der deutsche Staat der türkischen Armee 400 Leopard-1-Panzer und 352 Leopard-2-Panzer geliefert, die nun zum Teil im Krieg gegen die Kurden eingesetzt werden. Die nächsten Waffendeals an das Erdo?an-Regime sind bereits eingefädelt.

Dazu ein Exkurs: Am 18. Januar 2018 wurde Philipp K. u.a. wegen fahrlässiger Tötung zu einer siebenjährigen Haftstrafe verurteilt. Er hatte dem neofaschistischen Münchner OEZ-Attentäter über das Darknet die Tatwaffe und Munition verkauft.

Nicht dass Ihr denkt, ich sei ein Anhänger des Knastsystems. Nein, das bin ich nicht. Aber ich möchte hier auf das Klassensystem hinweisen, in dem wir alle leben. Wäre die Justiz tatsächlich, wie immer wieder behauptet, unabhängig und würde also auch in Bezug auf Regierende und Waffenhändler ähnlich handeln wie das oben erwähnte Gericht, müssten Erzganove Gabriel und die Konzernchefs von Heckler & Koch, Rheinmetall, Krauss-Maffei und Co. ebenso in den Knast wie Philipp K.

Es ist unerträglich. Im Krieg gegen die Kurden kommen deutsche „Leos“ aus ehemaligen Bundeswehr-Beständen zum Einsatz. Geplant ist außerdem der Bau einer Rheinmetall-Panzerfabrik in der Türkei. Die Bundesregierung und die deutschen Waffenhändler sind dafür mitverantwortlich, dass im syrisch-kurdischen Afrin und in anderen Regionen Rojavas die Menschen vom türkischen Militär bombardiert und ermordet werden.

Die Versuche von Bundesaußenminister Gabriel, einen Waffendeal mit der Türkei auszuhandeln, angeblich um den immer noch als Geisel inhaftierten Journalisten Deniz Yücel freizupressen, sind makaber. Noch mehr Panzer bedeuten noch mehr Tote, das ist auch dem Waffenhändler Gabriel bewusst. Deniz hat sich in einem u.a. in der taz veröffentlichten Brief klar von Gabriels Geschäftsofferten an den türkischen Autokraten distanziert: „Für schmutzige Deals stehe ich nicht zur Verfügung!“

Wir fordern die sofortige bedingungslose Freilassung von Deniz Yücel und allen politischen Gefangenen! Wir fordern den sofortigen Stopp aller Waffenexporte!

Bernd Drücke (GWR-Koordinationsredakteur), 21.1.2017

Antimilitaristische Anmerkungen in eigener Sache:

1) MünsterTube-Interview vom 22.1.2018 mit Bernd Drücke zum Angriffskrieg der Türkei auf Afrin (Syrien): https://www.youtube.com/watch?v=z-d1LVHKmuM&feature=youtu.be

2) #FreeDeniz - Radio Q Live-Interview mit Bernd Drücke, vom 22.1.2018, 10:35 Uhr. Online dokumentiert auf: https://www.radioq.de/FreeDenizMuenster

3) Licht und viel Schatten. Kritische Anmerkungen zum DFG-VK-Bundeskongress, Artikel von Bernd Drücke, in: ZivilCourage - Das Magazin für Pazifismus und Antimilitarismus der DFG-VK, Nr. 01/2018. Online: https://www.dfg-vk.de/ueber-uns/verbandszeitung/201801/bernd-druecke