Das älteste AKW in Frankreich
Warum wird Reaktor 2 in Fessenheim trotz hohem Risiko für die Bevölkerung wieder "hochgefahren"?
Liebe Leserinnen und Leser,
„Tichys Einblick“ bezeichnet sich als „liberal-konservatives Meinungsmagazin“. Inhaltlich liefern der Kopp-Verlag, „Welt“-Onlineforen und besorgtbürgerliche Facebook-Gruppen „das Gleiche weniger verschwiemelt und amüsanter“, so „Titanic“-Redakteur Tim Wolff treffend über das AfD-nahe Blatt.
Unter dem Titel „Zeit(ungs)reise. Auf der Buchmesse nach links geblättert“ wettert Frank Hennig in „Tichys Einblick“ vom 20. März 2018 über die auf der Leipziger Buchmesse „standörtlich konzentrierten Erzeugnisse der vereinigten aber uneinigen links-Blätter mit marxistischer, stalinistischer oder anarchistischer Ausrichtung, zu denen sich auch die taz gesellt“. Nachdem er sich u.a. über „Le Monde diplomatique“, UZ, ND, taz und „junge Welt“ ereifert, kommt am Ende auch die GWR an die Reihe:
„Wer denkt, weiter links geht nicht, sieht bei graswurzelrevolution, dass es doch geht. ‚Der Pestgeruch des Faschismus zieht durchs Land und durch das Reichstagsgebäude‘, heißt es in einer Ausgabe vom Oktober 17. Viel wird über anarchistische Projekte gesprochen, oft mit dem Verweis auf Gewaltlosigkeit, die in diesen Kreisen nicht selbstverständlich und wohl auch nicht so gemeint ist, wenn man die Berichterstattung zur ‚Rote-Linie-Aktion‘ am Hambacher Forst liest. Hier brütet das geistige Hinterland der gewalttätigen Aktionen mangels Castor-Transporten gegen die Braunkohle in Eintracht von Kapitalismus- und Klimaschutz.“ (1)
Na, da „brüten“ wir doch gerne weiter. Wenn sich ein neoliberal-rechtsnationalistisches Organ von „Salonhetzern“ (Spiegel) so über die GWR mokiert, dann haben wir als antirassistisches Bewegungssprachrohr ja alles richtig gemacht.
Gefreut haben wir uns über die erste Ausgabe der neuen Schriftenreihe „DadA-Studien“ von Günter Hoerig: „Deutschsprachige anarchistische Periodika heute. Ein Bericht zum digitalen Medienwandel“. (2) Über die GWR heißt es dort u.a.: „Seit 1972 ist die Monatszeitschrift Graswurzelrevolution eine feste Größe in der deutschsprachigen anarchistischen Presselandschaft. Sie versteht sich als Teil der internationalen Graswurzelbewegung und setzt sich ‚für eine gewaltfreie herrschaftslose Gesellschaft‘ (Untertitel) ein. (…) Inhaltliche Schwerpunkte bilden die Themenbereiche Gleichberechtigung, Antimilitarismus und Ökologie. Darüber hinaus werden viele Artikel zu historischen Themen, kulturellen Aktivitäten und aktuellen Entwicklungen veröffentlicht. Mit dieser thematisch breiten Aufstellung und der ethischen Orientierung an der Gewaltfreiheit wird die Zeitschrift weit über den engen Kreis anarchistischer Gruppierungen hinaus als gesellschaftskritische Stimme wahrgenommen. Die Graswurzelrevolution ist die langlebigste und einflussreichste anarchistische Zeitschrift in der deutschen Nachkriegszeit. Entscheidend dafür ist sicher auch nicht zuletzt die professionelle Arbeitsweise mit einem großen Beirat und ein bis zwei bezahlten Stellen für diverse Arbeiten in den Bereichen Druck, Layout und Redaktion.
Die Zeitschrift erscheint über die Jahre in unterschiedlichen Formaten, jedoch bis heute konsequent auf Papier. Es kann aber eine Entwicklung von einem eher textlastigen Erscheinungsbild zu einem modernen Design im Zeitungsformat (…) festgestellt werden. (…) Schon auf der Titelseite zeigt sich das aufgeräumte und übersichtliche Layout, das eine schnelle Orientierung über die behandelten Themen ermöglicht. Direkt unter dem Kopf der Zeitschrift wird mit Titel und Untertitel auf wichtige Artikel im Heft hingewiesen, so dass die Themenbreite auf einen Blick ersichtlich wird. Das Schwerpunktthema der Ausgabe mit mehreren Beiträgen (…) wird durch ein Farbfoto angezeigt, das etwa die Hälfte der Titelseite einnimmt. Den danach folgenden Artikelanfängen sind jeweils einige Sätze vorangestellt, die genauer beschreiben, um was es in den jeweiligen Texten geht. Diese auf Verwendung von Bildern und den Einsatz von Textmarkierungen basierenden Gestaltungs- und Strukturierungsprinzipien werden in der gesamten Ausgabe durchgehend eingesetzt. Auch wenn sich das komplette Durchlesen der Zeitschrift auf jeden Fall lohnt und sicher gewollt ist, werden die oben beschriebenen Designprinzipien, die für elektronische Medien in noch stärkerem Maße sinnvoll sind, im Zeitungsformat der Graswurzelrevolution konsequent genutzt. (…) Zusammenfassend muss gesagt werden, dass die Webpräsenz der Graswurzelrevolution erheblich hinter die professionell und mediengerecht aufgemachte Papierausgabe zurückfällt.“
Gerade die GWR und die DA haben, so Günter Hoerig, „mit dem professionellen Layout ihrer Druckausgaben sicher gute Erfahrungen gemacht, die auf den Onlinebereich übertragen werden sollten“. In der Studie erwähnt der Anarchismusforscher auch eine Podiumsdiskussion zu Fragen der Medienproduktion, die anlässlich des zehnjährigen Bestehens der anarchistischen Zeitschrift „Feierabend!“ mit Vertretern unter anderem der DA und der GWR 2013 stattfand: „Dabei wurde die provokante Frage aufgeworfen: ‚Wozu brauchen wir heute noch libertäre Printmedien?‘ (…) Das einhellige Fazit dazu: Um der ‚digitalen Demenz‘ entgegenzuwirken, braucht es weiterhin Printmedien. ‚Periodizität der Erscheinungsweise, Gewichtung und Konzentration der Themen bleiben wichtige Wesensmerkmale gedruckter Presse, die das Internet kaum zu bieten vermag.'“
Wir werden diese spannende Studie beim nächsten GWR-Herausgeber*innentreffen diskutieren und die vielen darin enthaltenen Anregungen auch für den noch für 2018 geplanten Relaunch der Internetseite www.graswurzel.net nutzen.
Emma Gonzalez, Schülerin an der High School in Parkland, an der ein Attentäter Mitte Februar 17 Menschen erschoss, hat uns mit ihrer Rede am 24. März auf dem March For Our Lives vor 800.000 Menschen in Washington tief bewegt. (3) Sie redete nur kurz, dann schwieg sie. Insgesamt 6:20 Minuten. So lange dauerte der Amoklauf an ihrer Schule. Die aktuelle GWR widmen wir den Hunderttausenden, die in den USA gegen die mächtige NRA-Waffenlobby auf die Straße gehen. Ihr seid Hoffnungsträger*innen! Das gilt auch für hunderttausende Frauen, die am Internationalen Frauentag trotz Verbot in Istanbul und anderswo auf die Straße gegangen sind, um für Emanzipation zu kämpfen. Ebenso nähren die vielen Frauen, die im März in Polen gegen die rechte PIS-Regierung und die Verschärfung der Abtreibungsgesetze demonstriert haben, die Hoffnung auf eine bessere Welt (mehr dazu in GWR 429).
Wir erinnern auf Seite 18ff. an den Friedensforscher, Staats- und Kriegskritiker, Freund und Autor u.a. von GWR-Artikeln sowie seiner Autobiographie „Lebensfäden“ im Buchverlag Graswurzelrevolution, Ekkehart Krippendorff. „Tot ist nur, wer vergessen wird.“ (Kant)
Bernd Drücke (GWR-Koordinationsredakteur)
(1) Siehe: https://www.tichyseinblick.de/feuilleton/medien/auf-der-buchmesse-nach-links-geblaettert/
(2) Von Günter Hoerig. DadA Berlin - Potsdam: DadAWeb.de, Dezember 2017 (= DadA-Studien; 1), 74 Seiten. Weitere Infos: http://dadaweb.de/wiki/Willkommen_im_neuen_DadAWeb_!
DOWNLOAD: http://dadaweb.de/images/6/6c/Hoerig-Deutschsprachige_anarchistische_Periodika_heute.pdf
(3) Siehe: https://t.co/0dncdxsiPs
Tipps in eigener Sache:
"Es ist ein Auf und Ab." Interview mit GWR-Mitherausgeberin Cécile Lecomte über Anti-AKW-Kampf, taz, 12.3.2018: https://www.taz.de/Cecile-Lecomte-ueber-Anti-AKW-Kampf/!5487962/
"Für Frieden und Anarchismus. Graswurzelrevolution", Interview aus: Ox Nr. 135, Dezember 2017, S. 54 f. Jetzt online: www.graswurzel.net/ueberuns/ox135.pdf
Geschichte des Häuserkampfes und der Wohnprojekte in Münster. Vortrag von GWR-Redakteur Bernd Drücke, gehalten am 2.3.2018 im Odak-Kulturzentrum: https://www.youtube.com/watch?v=OIn2jUT0Ab0
Paul Wulf - Geschichte des von den Nazis 1938 zwangssterilisierten Anarchisten. Vortrag von GWR-Redakteur Bernd Drücke, gehalten am 22.1.2018 in der Kulturkneipe Frauenstraße 24, Münster: https://www.youtube.com/watch?v=Ff23HmDZ6as
Warum wird Reaktor 2 in Fessenheim trotz hohem Risiko für die Bevölkerung wieder "hochgefahren"?
"Mazedonien ist unser!" Oder: Wer als Patriot einschläft, wird als Faschist aufwachen
Staatliche Repression gegen den Protest von Geflüchteten an den Außengrenzen der EU
Offener Brief der indonesischen Umweltaktivistin Gunarti an HeidelbergCement
Drei aktuelle, politische Alben kurz besprochen und kritisiert wo nötig
geboren am 22. März 1934 in Eisenach - gestorben am 27. Februar 2018 in Berlin
Brennelemente "Made in Germany" für ein neues finnisches Atomkraftwerk