50 Jahre 68 und die neuen Frauenbewegungen
Vom Tomatenwurf zu Netzfeminismus und #MeToo. Ein Interview mit Gisela Notz
Liebe Leserinnen und Leser,
offenbar inspiriert durch die braun-blaue Hetze von AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen gegen ein „links-rot-grün versifftes 68er-Deutschland“ schrieb der geistesverwandte CSU-Politiker Alexander Dobrindt im Januar 2018: „Fünfzig Jahre nach 1968 wird es Zeit für eine bürgerlich konservative Wende in Deutschland.“ Laut Dobrindt gelte es, „Patriotismus, Familie, Sicherheit und Privateigentum“ zu schützen. (1)
Wenn extrem Rechte so geifern, dann kann nicht alles falsch gewesen sein an der globalen 68er-Revolte, am feministischen Aufbruch (siehe Seite 3f.) und dem Anarchismus, der nach der Zerschlagung durch zwölf Jahre Nazidiktatur in Deutschland erst 1968 eine Renaissance erleben sollte. (2)
Die Gründung der Graswurzelrevolution 1972 ist im Kontext von Neoanarchismus und „68“ zu verstehen, auch wenn ihre Wurzeln weiter zurückreichen und eine GWR-Vorläuferin in der vom langjährigen GWR-Mitherausgeber Wolfgang Zucht (1929-2015) im April 1965 mitgegründeten „Direkte Aktion – Blätter für Anarchismus und Gewaltlosigkeit“ zu sehen ist. (3) Dreizehnmal erschien die gewaltfrei-anarchistische „Direkte Aktion“ in Hannover, bis sie 1966 eingestellt wurde.
Die GWR wurde damals auch in klarer Abgrenzung zu anderen Bewegungsmedien gegründet, einerseits zur 1969 von Theodor Ebert gegründeten pazifistischen, aber nicht anarchistischen Zeitschrift „Gewaltfreie Aktion“ und andererseits zu vielen seit 1968 entstandenen Anarchoblättern. Letztere betrieben oft einen machistischen Militanzfetisch – und die 1968 gegründete „agit 883“ schreckte sogar vor dem Abdruck von antisemitischen Pamphleten von Dieter Kunzelmann nicht zurück!
Anders als „agit 883“ und vergleichbare, linksradikale Flugblattsammlungen war die GWR von Anfang an ein gewaltfrei-anarchistisches Alternativmedium mit redaktionellem Konzept. Eines ihrer erklärten Ziele war und ist es, den Zusammenhang zwischen Gewaltfreiheit und freiheitlichem Sozialismus aufzuzeigen und dazu beizutragen, „daß die pazifistische Bewegung libertär sozialistisch und die linkssozialistische Bewegung in ihren Kampfformen gewaltfrei“ (4) werde.
Dieses Sprachrohr emanzipatorischer Bewegungen hat dem Thema „68“ schon viele Artikel gewidmet, die wir zum Nachlesen empfehlen. (5)
„68“ war auch ein Aufbruch der Antikriegsbewegungen, besonders durch den weltweiten Widerstand gegen den Vietnamkrieg. Wir erinnern in dieser GWR an ein wichtiges, fast vergessenes Folgekapitel dieses Aufbruchs: den antimilitaristischen Widerstand gegen die Kriegsdienstpflicht und die Wehrpassverbrennungen in den Siebzigerjahren (S. 9 ff.).
Das vielschichtige Thema „68“ können wir in dieser Ausgabe nicht wirklich angemessen darstellen. Dazu fehlt schlicht der Platz. Aber wir werden in diesem Jahr weitere Artikel dazu veröffentlichen und empfehlen zudem die mehrteilige arte-Doku „1968 – Die globale Revolte“ (6), auch wenn dort der ehemalige Anarchist und 68er Daniel Cohn-Bendit fälschlich als „Maoist“ bezeichnet und das Thema Neoanarchismus eher umschifft wird.
„50 Jahre 68“ ist nicht das einzige Thema der GWR 430. Ein weiterer Schwerpunkt sind die aktuellen Entwicklungen in Syrien und in der Türkei. Außerdem bietet die Sommernummer Bewegungsberichte u.a. aus Griechenland, Frankreich, der Schweiz, Vietnam und Deutschland.
Die GWR 431 erscheint nach der alljährlichen GWR-Sommerpause zum 1. September. Redaktionsschluss: 10. August. Bis dahin sind das GWR-Redaktionsbüro in Münster sowie GWR Abo und Vertrieb Freiburg nicht immer zu erreichen. Es kann also manchmal etwas dauern, bis Eure Mails und Anfragen beantwortet werden.
Ich wünsche Euch und uns Liebe, Kraft und einen schönen Sommer der Anarchie,
Bernd Drücke (GWR-Koordinationsredakteur), 3. Juni 2018
(1) Zitiert nach: https://www.berliner-zeitung.de/29434092
(2) Vgl. 1968 - ein anarchistischer Aufbruch? Vor 40 Jahren: die Renaissance des Anarchismus und das Entstehen neuer libertärer Medien in der Bundesrepublik, Artikel von Bernd Drücke, in: GWR 329, Mai 2008, www.graswurzel.net/329/1968a.shtml
(3) Siehe: www.dadaweb.de/wiki/Wolfgang_Zucht_-_Gedenkseite und Bernd Drücke, Zwischen Schreibtisch und Straßenschlacht? Anarchismus und libertäre Presse in Ost- und Westdeutschland, Verlag Klemm & Oelschläger, Ulm 1998
(4) zit. n. Graswurzelrevolution Nr. 0, Juni 1972
(5) Siehe z.B. diverse Artikel auf: www.graswurzel.net/329/index.html
(6) https://www.arte.tv/de/videos/072424-001-A/1968-die-globale-revolte-1-2/
Videos in eigener Sache:
Das Internetportal MünsterTube hat in den letzten Wochen Demo-Redebeiträge und Veranstaltungen u.a. auch von Graswurzelrevolutionär*innen dokumentiert, die wir Euch empfehlen möchten. Siehe: https://www.youtube.com/channel/UCmebupCownKgBGJoDo7JbjQ/videos
Rede von GWR-Redakteur Bernd Drücke zum Jahrestag der Befreiung am 8. Mai 1945 in Münster: https://www.youtube.com/watch?v=6qN2mu6gqJQ
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