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Bewegungsgedächtnis

Das afas braucht unsere Solidarität

 

Liebe Leserinnen und Leser,

die vielen Publikationen, die der Graswurzelrevolution (GWR) seit ihrer Gründung 1972 aus aller Welt geschickt werden, waren der Grundstock, aus dem 1987 im Umfeld der damals in Hamburg sitzenden GWR-Redaktion das noch heute bestehende Hamburger ArchivAktiv aufgebaut wurde (1).

Nachdem Anfang 1999 das GWR-Redaktionsbüro in Münster angemietet und eingerichtet wurde, haben wir die hier täglich eintrudelnden Periodika im 1980 gegründeten Umweltzentrum-Archiv archiviert, in dem ich – mit Unterbrechungen – seit 1988 ehrenamtlich aktiv war. Im Laufe der Jahre wurde dieses Archiv der Sozialen Bewegungen zu einem der größten seiner Art. Anfang 2011 hat unser Umweltzentrum-Archiv-Verein das UWZ-Archiv dem befreundeten Archiv für alternatives Schrifttum (afas) in Duisburg angegliedert. (2) Seitdem landen die Kisten voller Austauschzeitungen aus dem GWR-Büro regelmäßig im afas, das heute das größte freie Alternativarchiv in der Bundesrepublik ist.

Am 24. Februar 2018 wurde die Eröffnung der neuen afas-Räumlichkeiten gefeiert. Neben dem Vizepräsidenten des NRW-Landtags und weiteren Redner*innen aus Politik und Kultur hatte ich die Freude, im Namen von GWR und UWZ-Archiv eine Rede halten zu dürfen. Abgerundet wurde die Veranstaltung durch Beiträge des Liedermachers Frank Baier. Die Zukunft des afas schien gesichert. Aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Die CDU/FDP-Landesregierung von NRW wollte dem afas die finanziellen Mittel für 2019 streichen. In einem Brief an die Unterstützer*innen des afas schreiben die afas-Archivar*innen Anne Niezgodka, Jürgen Bacia und Claudia Spahn am 13. Dezember dazu: „In den letzten drei Wochen gab es ein ständiges Auf und Ab: mal erreichten uns niederschmetternde, mal hoffnungsvolle Informationen aus dem Landtag und dem Kulturministerium. Was uns (…) sprachlos gemacht hat, war Eure (…) Solidarität! Wir möchten uns herzlich bei Euch allen bedanken für die aufmunternden und auch wütenden Worte, für die Pressearbeit, die Verbreitung in den sozialen Medien und die Protest-Schreiben an die Landtagsfraktionen. Hierdurch und durch den Offenen Brief, den der Verband deutscher Archivarinnen und Archivare am 5.12. veröffentlicht und an die Landtagsabgeordneten versandt hat, zeichnete sich ein Richtungswechsel bei CDU und FDP ab. Sie zeigten sich beeindruckt von der breiten Unterstützungswelle und haben die Kunde verbreitet, dass sie bereit seien, unseren Posten wieder in den Haushalt 2019 aufzunehmen.“

Tatsächlich wurde in der Haushaltssitzung des NRW-Landtags am 12. Dezember 2018 zugestimmt, dass das afas auch 2019 die Landesförderung erhält. Allerdings sieht der Antrag von CDU und FDP vor, das afas 2019 „letztmalig“ zu fördern. Das bedeutet, dass Teile der Landesregierung dieses einzigartige Bewegungsarchiv am liebsten abwickeln möchten. Das wäre eine Katastrophe für die unabhängige Geschichtsschreibung von unten, für Soziale Bewegungen und Alternativmedien, deren Gedächtnis auch das afas ist! (3) Die GWR solidarisiert sich mit dem afas und wird in der Nr. 436 ein Interview mit den Archivar*innen veröffentlichen.

Wir solidarisieren uns auch mit den linken Wohnprojekten und Autonomen Zentren, die im Raum Frankfurt in den letzten Wochen Opfer von (wahrscheinlich) faschistischen Brandanschlägen geworden sind, darunter das „Assenland“, die „Schwarze 7“, die „Au“ und das „Exzess“. Zum Thema findet Ihr auf unserer grunderneuerten, täglich um neue Texte erweiterten Homepage graswurzel.net ein Interview mit Anna Fuchs vom Wohnprojekt „Knotenpunkt“, das ebenfalls Ziel eines rechten Brandanschlages wurde. Lesenswert!

Empfehlen möchte ich Euch auch einen Besuch der Wanderausstellung „Demos, Discos, Denkanstöße – Die 70er in Westfalen“, die bis zum 7. April 2019 im Rock‘n‘Popmuseum Gronau zu sehen ist und auch alte Ausgaben der GWR zeigt. (4)

Ich wünsche Euch ein schönes und widerständiges Jahr 2019, Anarchie und Glück,

Bernd Drücke (GWR-Koordinationsredakteur)

Anmerkungen:

  1. vgl. „Ich brauche den Zweifel“ Ein Gespräch von Bernd Drücke mit Holger Isabelle Jänicke vom ArchivAktiv, in GWR 432, Oktober 2018, https://www.graswurzel.net/gwr/2018/09/ich-brauche-den-zweifel/

  2. vgl. GWR 356 und http://www.uwz-archiv.de/Umweltzentrum-Archiv.7.0.html

3) Weitere Infos: www.afas-archiv.de

4) Siehe: https://www.lwl-museumsamt.de/de/serviceleistungen/ausstellungen/demos-discos-denkanstosse-die-70er-westfalen/