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Editorial

Liebe Leser:innen,

die Zeitschrift „M – Menschen Machen Medien“ ist das medienpolitische ver.di-Magazin und erreicht mit einer Auflage von 50.000 viele Journalist*innen in Deutschland. Wir haben uns sehr über den Artikel „Schon entdeckt: Graswurzelrevolution“ (1) in der Oktober-Ausgabe der M gefreut. Dort ist u.a. zu lesen: „Seit über 50 Jahren gibt es die Zeitung Graswurzelrevolution, die sich für strikte Gewaltfreiheit einsetzt. Gerade in kriegerischen Zeiten ist ein solches Medium unverzichtbar. (…) Heute ist nicht nur die Zeitungsproduktion technologisch auf dem neuesten Stand. Auch die Debatten, die in der Zeitung geführt werden, greifen aktuelle Themen auf. Es geht um Feminismus, Antifaschismus, gewerkschaftliche Kämpfe, Klimagerechtigkeit und wie soziale Bewegungen zusammenarbeiten können.“
Herzlichen Dank für diesen solidarischen Artikel! Leider wird im M-Text das wunderbare Wort „Anarchie“ vermieden. Dabei ist die GWR ein Organ des Anarchismus und ihr Ziel ist die Anarchie, also nicht Chaos, sondern eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft. Der Gewaltfreie Anarchismus ist sozusagen ein „Markenkern“ der Graswurzelrevolution. Neben GWR-Gründer Wolfgang Hertle werden in M auch Helga Weber und Wolfgang Zucht als GWR-Gründer*innen genannt. Tatsächlich haben die beiden die GWR mitgeprägt, sind aber „erst“ 1974 zur GWR gestoßen. Helga ist heute 89 und älteste GWR-Mitherausgeberin.

GWR 493

Ein weiterer „Markenkern“ der GWR ist der Antimilitarismus. So hat auch die GWR 493 wieder einen Schwerpunkt „Die Waffen nieder!“. Die Antikriegsgruppe Berlin fragt auf Seite 3: „Wie kommen wir in die Initiative?“ Sie würzt ihren sozialrevolutionären Beitrag mit Anarchismus und liefert eine queere, feministische und antimilitaristische Analyse von Krieg und Militarisierung, wie sie weder in den Massenmedien noch auf „Friedensdemos“ von Putin-Fans und autoritären Wagenknechten zu finden ist. Olga Karatch zeigt mit ihrem Artikel „Der Krieg in der Ukraine und die Krise der Männlichkeit“ (S. 4), dass die Militarisierung in der Kriegsregion zu einer Idealisierung toxischer Männlichkeit geführt hat. Barbara Renz nimmt das Buch „Sterben und sterben lassen – Der Ukrainekrieg als Klassenkonflikt“ unter die Lupe (S. 2). Otmar Steinbicker zeigt mit „Neue Marschflugkörper und Aufrüstungspläne“ (S. 5), dass durch den beschleunigten Rüstungswettlauf Atomkriegsszenarien realistischer werden. Für Swetlana Nowoshenowa von den Palestinians and Jews for Peace sind „die Freiheit und Sicherheit Israels und Palästinas“ (S. 6) untrennbar miteinander verflochten. Franz Nadler beschäftigt sich in drei Beiträgen mit Deserteuren des Zweiten Weltkriegs (S. 7 ff.). Peter Ohlendorf erzählt im Interview über ein Frauenprojekt in Afghanistan (S. 24).
Gisela Notz’ Artikel über Zenzl Mühsam (S. 10) ist der Auftakt einer Serie über unbekannte und bekannte Anarchistinnen, die in den nächsten Ausgaben fortgesetzt wird.
GWR-Mitherausgeberin Silke hat ein Interview mit Jadzia von der Kampagne „Abtreibungen legalisieren – jetzt!“ geführt (S. 11). Das Thema wird in der GWR 494 mit einem Beitrag über „Abtreibung und US-Wahl“ vertieft.
Weitere Schwerpunkte der GWR 493 bilden Texte zu den Themen Antifaschismus und Antirassismus in Österreich, Frankreich, Griechenland und Deutschland (S. 13 ff.) sowie zu Anarchismus und sozialen Bewegungen auf den Philippinen, in Frankreich und Deutschland (S. 19 ff.).

Solidarität mit Pınar Selek

Seit über zwanzig Jahren wird die ökofeministische Antimilitaristin Pınar Selek von der türkischen Justiz verfolgt und mit Gerichtsverfahren überzogen (die GWR berichtete). Für den 7. Februar 2025 wurde ein weiterer Prozesstermin gegen sie vor dem Obersten Gerichtshof der Türkei in Istanbul anberaumt. Der türkische Staat fordert die Auslieferung der im französischen Exil lebenden gewaltfreien Anarchistin. Im Rahmen der GegenBuchMasse zur Frankfurter Buchmesse veranstaltete die GWR am 18. Oktober zusammen mit der DFG-VK Frankfurt und dem DFG-VK Bildungswerk Hessen e.V. eine Lesung aus dem im Verlag Graswurzelrevolution erschienenen Buch „Die Unverschämte. Gespräche mit Pınar Selek“. Zum Abschluss fanden sich einige der Anwesenden zusammen, um ein Zeichen der Solidarität mit Pınar zu setzen (siehe Foto).

Solidarität mit Gerd Büntzly

Gerd Büntzly ist aktiv bei Lebenslaute, dem Netzwerk von Musiker*innen, das sich mit Konzertblockaden u.a. gegen Rassismus, Naturzerstörung, Rüstungs- und Kohleindustrie richtet. Er ist Mitherausgeber des im Verlag Graswurzelrevolution erschienenen Buches „Widerständige Musik an unmöglichen Orten. 33 Jahre Lebenslaute“. Am 8. Mai 2023 hatte er sich an einer gewaltfreien Aktion auf dem Gelände des Atomwaffenstützpunkts Büchel beteiligt. Im Prozess am 4. März 2024 wurde er deswegen wegen Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe verurteilt. Da er die Geldstrafe nicht bezahlt, hat er am 14. Oktober eine Ersatzfreiheitsstrafe angetreten. Sein fünfter Gefängnisaufenthalt wegen Aktionen zivilen Ungehorsams wird bis zum 28. November dauern.
Gerd: „Ich freue mich auf Briefe und Postkarten. Diese sind nicht nur eine Ermutigung für mich, sondern auch ein Zeichen an die Gefängnisverwaltung (und ans Ministerium), dass es Widerstand gegen die atomare Bewaffnung gibt.“ Bitte schreibt ihm. (2)

Solidarische Grüße, Anarchie und Sonnenschein,
Bernd Drücke (GWR-Koordinationsredakteur)

(1) https://mmm.verdi.de/schon-entdeckt/schon-entdeckt-graswurzelrevolution-99313/
(2) Gefängnisadresse: Gerd Büntzly, JVA Ummeln, Postfach 120203, 33632 Bielefeld