Amnesty International (ai) hat im August 2015 in Dublin beim International Council Meeting (ICM) einen Beschluss zum Umgang mit Prostitution getroffen. Die Menschenrechtsorganisation will sich künftig für die Entkriminalisierung der Prostitution weltweit einsetzen. Die EMMA-Herausgeberin Alice Schwarzer äußerte sich empört: "Amnesty will Zuhälter schützen." Die Entscheidung sei "das unrühmliche Ende einer Menschenrechts-Organisation".
Anders Johanna Weber, politische Sprecherin des Berufsverbands erotische und sexuelle Dienstleistungen: "Wir brauchen mehr Rechte, denn das ist unser Schutz, und keine Verbote." Ähnlich wie Weber äußerte sich u.a. der Deutsche Frauenrat.
Amnesty International argumentiert, man habe vor dem Beschluss viele Betroffene angehört und drei Jahre zum Thema Sexarbeit recherchiert. Dabei habe sich herausgestellt, dass Prostituierte in Ländern, in denen das Gewerbe verboten ist, in stärkerem Maße von Gewalt und Ausbeutung betroffen seien als in Ländern, in denen Prostitution legal sei.
Die ai-Entscheidung sorgte für eine Belebung der Diskussion um ein Thema, das auch in der GWR kontrovers diskutiert wurde. Mit Kerstin Wilhelms Artikel "Prostitution zwischen Arbeit und Missbrauch" begann im Dezember 2013 in der Graswurzelrevolution Nr. 384 eine kritische Auseinandersetzung mit dem von Alice Schwarzer lancierten "Appell gegen Prostitution". Mit zig weiteren, kontroversen Beiträgen unter anderem von Antje Schrupp, Luzie Morgenstern, Snowman, Rosen Hicher, Elke Steven, Marita Blauth, Manuela Schon, Dju und Kerstin Wilhelms wurde die Diskussion seitdem in der GWR vertieft.
Einen immer noch aktuellen, den Horizont erweiternden Blick auf das Thema bietet ein im deutschsprachigen Raum kaum bekannter Beitrag der Anarchistin Emma Goldman (1869-1940). Ihr Artikel erschien 1910 unter dem Titel "The traffic in woman" in der von ihr in den USA herausgegebenen anarchistischen Zeitschrift "Mother Earth". Ins Deutsche übersetzt hat ihn Katja Rameil für den 2014 im unrast-Verlag erschienenen, sehr lesenswerten, aber bisher kaum verbreiteten Sammelband "Emma Goldman. Anarchismus und andere Essays". Wir danken dem unrast-Kollektiv für die Nachdruckerlaubnis. (GWR-Red.) Weiterlesen