Zum 100. Geburtstag: Kulturkampf um Albert Camus

In Frankreich vereinnahmen die gegensätzlichsten Strömungen den Theoretiker der Revolte

 383 november 2013 Lou Marin

Am 7. November 2013 jährt sich der Geburtstag von Albert Camus (1913-1960) zum einhundertsten Mal. In Frankreich ist er heute der mit großem Abstand am meisten gelesene Autor der Nachkriegszeit: "Der Fremde" und "Die Pest" nehmen seit Jahren Platz eins und zwei der Verkaufszahlen ein. Weil Camus von 1957-1960 im provençalischen Dörfchen Lourmarin, rund 60 km nördlich von Marseille, gelebt hat und dort auch begraben ist, war Camus die wichtigste Karte bei der Bewerbung von Marseille im September 2008 für das Spektakel der europäischen Kulturhauptstadt 2013 gewesen. Weiterlesen

Der Albtraum von Recht und Ordnung

Repression und Widerstand in Griechenland

 382 oktober 2013 Ralf Dreis

"Die griechische Polizei konnte der griechischen Gesellschaft ein weiteres öffentliches Gebäude zurückgeben - und zwar, ich betone, ein Krankenhaus - das in der Hand von Hausbesetzern war", so der rechte Hardliner und Minister für öffentliche Ordnung, Níkos Déndias, am 30. August 2013, nach der Räumung des seit 2008 von AnarchistInnen besetzten Zentrums Antibíosi in Ioánnina. Mit unverhohlenem Stolz fuhr er fort: "Recht und Ordnung sind weder eine Regierungsagenda noch eine politische Parole, Recht und Ordnung sind die verfassungsmäßige Verpflichtung und das Anrecht eines jeden Griechen." Weiterlesen

Ein anarchistischer Blick auf den syrischen Widerstand

Joshua Stephens im Gespräch mit dem syrischen Anarchisten Nadir Atassi

 382 oktober 2013 Interview: Joshua Stephens

Seit die USA verstärkt mit einer militärischen Intervention in Syrien drohen, wird der Konflikt in Syrien beschrieben mit dem brutalen Regime von Bashar al-Assad auf der einen und islamistischen Elementen in der Widerstandsbewegung auf der anderen Seite. Das hat zur Folge, dass sich Kritik an der US-Position auch mit dem Widerspruch auseinandersetzen muss, Al-Qaeda-nahe Gruppen, die das Assad-Regime stürzen wollen, zu unterstützen. Laut einem kürzlich im Magazin Fast Company erschienenen Artikel, gibt es ein breites und vielfältiges Netzwerk unbewaffneten, demokratischen Widerstands gegen Assads Regime, das von lokalen politischen Initiativen, KünstlerIInnenkoalitionen, Menschenrechtsorganisationen, gewaltfreien Gruppen und so weiter getragen wird. (Die Syria Nonviolence Movement erstellte eine interaktive Karte online ((1)), die das komplexe Verbindungsnetzwerk zeigt.) Gleichzeitig gewannen die Texte und Berichte von syrischen AnarchistInnen enormen Einfluss in anderen Kämpfen in der arabischen Welt. So wird AnarchistInnen, die in Assads Gefängnissen zu Tode gefoltert wurden, in Texten von PalästinenserInnen und während Demonstrationen für palästinensische politische Gefangene in Israel gedacht. Bei dieser Entwicklung fallen zwei Charakteristika besonders ins Auge: Erstens die Art und Weise, mit der AnarchistInnen in der arabischen Welt Kritik an den von den USA aufrechterhaltenen Widersprüchen zur Legitimation ihrer Außenpolitik üben und intervenieren und sie somit ad absurdum führen. Und zweitens den andauernden Austausch zwischen antiautoritären Bewegungen in der arabischen Welt, die westliche Referenzpunkte umgeht. Ob die zentrale Forderung der syrischen AnarchistInnen nach Selbstbestimmung als zentrales Organisierungsprinzip der unmittelbaren Realität der Gewalt in Syrien oder den Einflüssen ausländischer Interessen widerstehen kann, bleibt eine offene Frage. Nadar Atassi ist syrischer Politikwissenschaftler und Autor. Ursprünglich kommt er aus Homs, pendelt aber zurzeit zwischen den USA und Beirut. Er betreibt den Blog Darth Nader ((2)), der sich mit Ereignissen der Syrischen Revolution auseinandersetzt. Ich habe mich mit ihm über die anarchistischen Spuren in der Syrischen Revolution und die Möglichkeit einer Intervention der USA unterhalten. Weiterlesen

Flüchtlinge aufnehmen!

Grenzen öffnen!

 382 oktober 2013 Karl Kopp (Director of European Affairs)

Der erste Charterflug mit 107 von 5.000 syrischen Flüchtlingen, deren Aufnahme im März 2013 verkündigt wurde, ist vor wenigen Tagen in Hannover gelandet. Angesichts der über 2 Millionen Menschen, die aus Syrien in die Nachbarstaaten geflohen sind und der vielen Flüchtlinge, die vor Europa auf verschlossene Grenzen stoßen, ist das deutsche Aufnahmeprogramm bescheiden. PRO ASYL fordert eine Öffnung der Grenzen für syrische Flüchtlinge. Weiterlesen

Von A wie Angola bis Z wie Zimbabwe

Helden von heute

 381 september 2013 Henning Melber

Es war einmal ein Namibia-Tag. Der wurde von der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1973 - also vor 40 Jahren - beschlossen und seither jeweils am 26. August begangen. An diesem Tag fanden 1966 die ersten militärischen Scharmützel zwischen Guerrilleros der Befreiungsbewegung Swapo und der südafrikanischen Armee in Omugulugwombashe statt. Deren Verlauf war wenig heldenhaft, aber das ist hier wie auch anderswo in der patriotischen Geschichtsschreibung nicht so wichtig - diese hält von Fakten nicht allzu viel, und offizielle Geschichte schreibt die Geschichte derjenigen, die an der Macht sind. Weiterlesen

Nachruf auf Georges Moustaki

 381 september 2013 Baxi

Wo immer Georges Brassens, der anarchistische Revolutionär des französischen Chansons mit dem wuchtigen Schnauzbart, im Paris der frühen fünfziger Jahre seine frechen Lieder sang, folgte ihm ein Schatten: ein hagerer junger Mann mit leicht südländischem Aussehen und einem Lächeln, das hundert Zähne zeigte. Nur, dass er sich offenbar selten getraute, zu lächeln. Meist saß er da, in der letzten Reihe, hielt die Hände fest im Schoß gefaltet und wandte den Blick nicht von der Bühne, auf der Brassens schwitzte und rackerte. Weiterlesen