So beschrieb sich die Graswurzelrevolution in ihrer Nummer 0 im Sommer 1972. Und so kann sie sich immer noch beschreiben.
In 45 Jahren nichts dazugelernt? Vieles, aber nichts, was der grundsätzlichen Richtung widerspricht.
Im Gegenteil: Ein Programm, das mit diesen Begriffen skizziert wird, ist immer noch notwendig. Gut möglich, dass heute auch „feministisch“ und „ökologisch“ als Orientierungspunkte genannt würden; aber wer die ersten Ausgaben der GWR liest oder sich an unsere Diskussionen erinnert, weiß, dass diese Themen vom Beginn an präsent waren.
Selbstkritik eingebaut, aber auch Offenheit für andere Ansätze und Bewegungen
Die vier Eckpunkte unseres Programms haben in unserer Geschichte immer wieder neu aufeinander bezogen werden müssen, und oft hat das kritische wie selbstkritische Konsequenzen. Ihre eigentliche Brisanz zeigen diese Programmpunkte auch nie isoliert, sondern wenn sie aufeinander bezogen werden. Dabei ist eine Synthese manchmal schwierig, aber es ist auch offensichtlich, dass gewaltfreier Anarchismus noch etwas anderes ist als eine Addition oder Bezugnahme auf einerseits Gewaltfreiheit und andererseits Anarchismus.
Der Zusammenhang ist dabei kein ausgedachter, sondern ein ganz realer, und er wird seit jeher von den Gegnerinnen und Gegnern der historisch getrennten Bewegungen aufgenommen, etwa in Engels‘ berühmter Schrift „Von der Autorität“ als Kritik des Anarchismus: „Haben diese Herren nie eine Revolution gesehen? Eine Revolution ist gewiß das autoritärste Ding, das es gibt; sie ist der Akt, durch den ein Teil der Bevölkerung dem anderen Teil seinen Willen vermittels Gewehren, Bajonetten und Kanonen, also mit denkbar autoritärsten Mitteln, aufzwingt; und die siegreiche Partei muss, wenn sie nicht umsonst gekämpft haben will, dieser Herrschaft Dauer verleihen durch den Schrecken, den ihre Waffen den Reaktionären einflößen.“ (1)
Allein in diesem Satz ist im Kern die ganze Problematik enthalten: Eine Revolutionsvorstellung, die auf Maschinengewehre oder die Guillotine (egal, auf welchem Stand der Technik, heute sind natürlich noch ganz andere Waffen bis zu ABC-Waffen zu bedenken) setzt, ist tatsächlich schwerlich mit Herrschaftslosigkeit vereinbar.
Manche anarchistischen Argumentationen gegen Gewaltfreiheit sind, selbst bei so sympathischen Autoren wie Uri Gordon, aus meiner Sicht selbstwiderlegend: „Heute ist die vorwegnehmende Verwirklichung eines anarchistischen Modells freiwilliger Gewaltfreiheit eindeutig nicht umzusetzen, weil der Staat dem entgegensteht und systematisch Gewalt einsetzt, die Idee einer universellen Übereinkunft über die Gewaltfreiheit also vereitelt.“ (2) Der Staat steht aber auch der Verwirklichung von Anarchie, Sozialismus usw. entgegen, oder? Und die Entscheidung für Gewaltfreiheit setzt keine „universelle Übereinkunft“ voraus, sondern hat es gerade mit Gegnern zu tun, die Gewalt einsetzen. Auch laufen seine Überlegungen und Erklärungen, wann Gewalt gerechtfertigt werden kann, auf die Behauptung hinaus, „dass kaum noch etwas übrig bleibt, was man tatsächlich als ‚gewaltfreie Aktion‘ bezeichnen kann.“ (S. 151) Oder umgekehrt kann Gewalt sogar „ein Wert an sich sein, vorausgesetzt allerdings, dass die Beteiligten durch sie Befreiung und Radikalisierung erleben“. Zu den „Beteiligten“ der Gewalt gehören aber auch ihre Opfer, die hier ganz verschwunden sind. Und natürlich muss Uri gleich zugeben, dass der Versuch, Gewalt bewußt einzusetzen, um befreiende Erfahrungen zu organisieren, „wahrscheinlich kontraproduktiv“ ist und „zur ritualisierten Reproduktion von Verhaltensmustern führen (wird), die alles andere als belebend oder befreiend wirken“ (alles S. 155).
Dass aus länger dauernden Strukturen oder Strukturlosigkeiten bewaffneter Kämpfe neue unterdrückerische Befehlsstrukturen hervorgehen, ist sehr wahrscheinlich. Und welcher Sozialismus soll sich vor Maschinengewehren organisieren?
Und was soll aus einem sinnvollen Begriff von „Demokratie“ werden, wenn eine neue Schicht von Befehlshabern gelernt hat, mühsame Diskussionen zu überspringen und sich mit Drohungen Gewicht zu verschaffen? Jede gesellschaftliche Praxis hat sofort zahlreiche Konsequenzen, und diese sind wenig vom Willen der Beteiligten abhängig, sondern es handelt sich um soziale Tatsachen. Aus Verhaltensweisen werden Verhältnisse, ausgerechnet eine sich „materialistisch“ verstehende Geschichtsauffassung möchte das immer noch ignorieren.
Seit 1974 hatten die Aktionsgruppen um die Graswurzelrevolution“ sich programmatisch für eine „gewaltfreie Revolution“ entschieden, die „politische, ökonomische, kulturelle und sexuelle Revolution gleichzeitig“ beinhalten sollte (3).
So kritisierten wir Gewaltlosigkeit, die nicht die Strukturen der Gewalt angreift, einen Sozialismus, der nicht in gesellschaftlicher Selbstorganisation besteht, einen Anarchismus mit vorgehaltener Waffe oder eine „Demokratie“, die nicht alle einbezieht und ungleiche Lebenschancen verdeckt.
Begrifflich ist heute – durch die Erfahrungen tatsächlicher gewaltloser Aufstände wie durch unsere Theoriearbeit – „Revolution“ öfters von „Gewalt“ getrennt als vor 45 Jahren; aber die verbreiteten Bilder und prägenden Assoziationen im öffentlichen Bewußtsein sind immer noch solche einer kurzschlüssigen Identifikation.
Gewalt – keine „Lösung“, sondern ein Problem
“ …allerdings sind wir der Ansicht, dass die Möglichkeiten gewaltfreier Aktionen noch lange nicht ausgeschöpft sind. Ihr Einbeziehen in revolutionären Kampf ermöglicht eine Miteinbeziehung weiterer Teile der Bevölkerung und nicht zuletzt eine Bewußtseinsänderung der auf die Politik der Herrschenden verpflichteten Massen. Die Linke in der BRD hat sich zu lange auf die einfache Reaktion auf die Gewalt der Herrschenden mit revolutionärer Gegengewalt beschränkt …“ (4)
Millionen Menschen fliehen weltweit vor der Gewalt. Unser Gewaltbegriff umfasst immer auch die „strukturelle Gewalt“.
Aber dieser Begriff suggeriert keineswegs, dass etwa der Bürgerkrieg oder Terrorismus gerechtfertigt sein könnten, weil er sich ja gegen „strukturelle Gewalt“ richtet; so war der Begriff – auch wenn das in der „Gewaltforschung“ immer wieder behauptet wird – nie gemeint.
Was als „Verteidigung“ beginnt und leicht verständlich ist, eskaliert zu langen Bürgerkriegen und Kriegen mit hunderttausenden Toten, so zuletzt in Syrien. Wo Gewalt als „Lösung“ erschien, unterdrückerische Strukturen zu zerschlagen, ist nach jahrzehntelangen Bürgerkriegen (oft mit bewaffneten Interventionen) im besten Fall ein prekärer Friedensprozess möglich geworden, der bedroht bleibt, leicht wieder aufgekündigt werden kann, nicht zuletzt weil sich an den grundlegenden Strukturen wenig geändert hat. Dies ist in Nordirland nicht anders als in Kolumbien.
Sozialrevolutionäre Gewalt hat sich nicht selten aus dem Zwang heraus, Geld zu beschaffen für Waffen, Munition und die Kämpferinnen und Kämpfer in Bündnisse begeben, die emanzipatorischen Zielen widersprechen. Kampfformen und Strukturen wurden entwickelt, die oft genug brutal, hierarchisch, elitistisch wurden, nicht selten von traditionell kriminellen Strukturen kaum noch zu unterscheiden oder mit solchen Strukturen verbunden. Die Revolution hört auf, wenn Menschen andere als bloßes Mittel betrachten. Noch immer ist eine Strategie , die in sozialrevolutionärer und emanzipatorischer Absicht Gewalt gerade vermeidet, unsere große Hoffnung. (5)
Unser Konzept einer gewaltfreien Revolution ist als „Strategie“ zu verstehen. Der Wunsch nach einer gemeinsamen Strategie „der Anarchisten“ wie ihn beispielsweise die 23 Thesen „Revolution is more than a word“ der „Alpinen Anarchisten“ zum Ausdruck bringen, erscheint mir sinnlos (vgl. http://www.alpineanarchist.org/r_twenty-three_theses.html). Und dies nicht nur wegen der Fragen der Gewaltanwendung. Es gibt zwischen AnarchistInnen, die in der Wildnis ihr Ziel sehen oder die, wie der „Unabomber“ Theodore J. Kaczynski, „eine Revolution, die sich gegen die Technologie richtet“ fordern (man lese seine Strategie in seinem Manifest nach, das im Netz leicht zu finden ist) und einer Kritik, die – wie bei David Graeber – am Kapitalismus gerade kritisiert, dass er die Science-Fiction-Träume seiner Jugend „von der Teleportation bis zum Warpantrieb“ (6)
nicht verwirklicht hat, eher ein Verhältnis der Ausschließung. Woher soll da die „gemeinsame Strategie“ kommen? Es gibt für eine „anarchistische Synthese“ hier nur eine Möglichkeit: dass beim Versuch, Graebers Utopie zu verwirklichen – die von Kaczynski oder der „Anarcho-Primitivisten“ herauskommt.
Gewaltlosigkeit gründet in unserem Verständnis auf einer Machttheorie, die Macht als sozialen Prozess begreift, nicht als Besitz oder „Eigenschaft“. (7). Seit Etienne da la Boetie ist das libertäre Tradition. „Gegenmacht“ oder „Macht von unten“ waren damals geläufige Begriffe, eine andere Macht, die der herrschenden Schranken weist ohne ihr ähnlich werden zu müssen. (8)
Vielleicht haben wir im Lauf der Jahre aber gelernt, Gewaltlosigkeit eher pragmatisch zu begründen und dabei manch utopisch-enthusiatisches Moment aufgegeben? Die rationale Begründung der Gewaltfreiheit aus dem Ziel-Mittel-Zusammenhang, einer Beobachtung der empirischen Folgen von Gewaltanwendung und der Suche nach einer breiten gesellschaftlichen Basis für direkte gewaltfreie Aktionen, so dass auch wenig durchtrainierte Menschen zivilen Ungehorsam üben können, ist sicher berechtigt.
Wir haben uns dafür eingesetzt, Gewaltlosigkeit beispielsweise von religiösen Überzeugungen zu trennen, so dass auch säkular und atheistisch denkende Menschen, denen die Bergpredigt fremd ist oder die Religionen für eine wichtige Quelle der Gewalt halten, eine Sprache der Gewaltlosigkeit finden. Vielleicht ist uns dabei aber der utopistisch-enthusiastische Impuls zu sehr verloren gegangen?
Die früheren gewaltlosen Bewegungen folgten oft Motiven, die etwas Unbedingtes und Existenziell-radikales hatten.
Das konnten ganz unterschiedlich Motive sein: Streng christliche, man soll Gott mehr gehorchen als den Menschen, das Tötungsverbot gilt absolut (denken wir beispielsweise an die Berrigans im Kampf gegen den Vietnamkrieg, das geht in der Geschichte weit zurück).
Oder der kurze „Summer of love“, die Hippiebewegung, kulturrevolutionäre Umgestaltung sofort bis zur Abschaffung des Geldes bei den „Diggers“ (auch der Name ist eine Erinnerung an frühere Versuche), die den Besitz ablehnten wie die christlichen Gruppen, die Gütergemeinschaft aus der Bibel begründeten.
Subjektive Radikalisierungen sind schwer durchzuhalten, sogar für größere Gruppen, wenn das gesellschaftliche Umfeld ganz anderen Imperativen folgt.
Es ist auch richtig zu fragen, was an solchen Ansätzen nicht verallgemeinerungsfähig ist.
Es waren aber herausfordernde Handlungen, die auf vielfältige Resonanzen stießen.
Bloße Interessen werden das nicht ersetzen; es handelt sich um Grundentscheidungen, für die vordergründige „Erfolge“ nicht selten geopfert werden müssen, weil es noch um etwas anderes geht: Eine andere Welt ist möglich, in der Menschen frei und solidarisch sein können, die Erniedrigung und Verletzung anderer institutionell ausgeschlossen wird, nicht als persönliche Entscheidung, die von Fall zu Fall und nach Interessenlage auch anders getroffen werden könnte.
Gewaltfreiheit hat auch Dimensionen, die gerade nach den Kriegen und Bürgerkriegen wichtig werden: Versöhnung, Verzeihen, Barmherzigkeit, den Kreis der Rache zu durchbrechen, so schwer das ist, ganz besonders wenn die Gewaltstrukturen bleiben. Aber die vielen Versuche, mit „Wahrheitskommissionen“ oder kollektivem Täter-Opfer-Ausgleich den Kreislauf der Gewalt zu unterbrechen und Traumata zu heilen, gehören ebenso ins Spektrum der Gewaltvermeidung wie sogar der von uns oft kritisierte „organisierte“ oder „bürgerliche“ Pazifismus, der zwar viele falsche Hoffnungen in die Staatenwelt schürt, aber doch auch Grenzen staatlicher Souveränität zu ziehen versucht durch Verrechtlichung von Konflikten, Kampf gegen Genozide und andere Menschenrechtsverletzungen, Deeskalation und Prävention von bewaffneten Konflikten.
Form der Herrschaft oder Form der Befreiung?
Über die „bloß formale“ parlamentarische Demokratie wollten wir hinaus. Auch die Betriebe, Schulen, Unis, Verwaltungen sollten der Kontrolle von Staat und Kapital entzogen und der Selbstorganisation der Betroffenen geöffnet werden. 1972 gab es dabei viele Berührungspunkte mit reformistischen Positionen: „Mehr Demokratie wagen“; autoritär verhärtet war noch der Alltag. Auch Liberale wollten die überschüssige Repression beseitigen.
Was aber trennt eine Bewegung, die Herrschaft aufheben will, von einer, die sie bloß modernisiert, flexibilisiert, „Begabungsreserven erschließt“ und nicht zuletzt die eigenen Leute in frei werdenden oder neu geschaffenen Positionen installiert?
Genügt „Marx an die Uni“? Eine Curriculumrevision? Weniger Frontalunterricht? Oder gab es an Schule, Uni, Betrieben, sogar dem Sinn der Arbeit und diesem Sinn des gesamten Lebens mehr zu kritisieren? Nicht wenigen erschien das alles wie ein riesiger Knast. Auf der anderen Seite hatten wir Modelle vor Augen, die größere Beteiligung versprachen: Räte, Volksversammlungen, imperative Mandate.
Aber nicht als neue Maschine einer despotisch-demagogisch-„demokratischen“ Herrschaft, sondern durch Konsensverfahren und Schutz von Minderheiten und einen anerkannten Pluralismus von Lebensformen geöffnet.
Allerdings fürchte ich, dass wir das Beharrungsvermögen von Bürokratien und die gut eingestellten autoritären Erwartungen unterschätzt haben: Tendenzen zu einer neuen Oligarchie, die immer spontan entstehen und bewußt kritisiert und bekämpft werden müssen.
Auch Rätesysteme sind nicht selten Übergangsmodelle nicht zu einer besseren Ordnung der Selbstverwaltung gewesen, sondern Notbehelfe, die sich entweder sozialdemokratisch selbst rekrutierten und selbst zerstörten wie 1918/19 in Deutschland oder einer Diktatur den Weg ebneten wie in der Sowjetunion. Oder wie jetzt in Venezuela letzte Formen des Machterhalts einer diskreditierten Regierung liefern sollen: Last exit Rätesystem. War die alte Verfassung, gerade 18 Jahre alt und damals von Chávez als „beste Verfassung der Welt“ beschrieben, nicht mehr gut genug?
Nun sollen „in direkter Volkswahl“ Mandate fest für VertreterInnen „der Arbeiterklasse, der Kommunen, der sozialen Einrichtungen und der Indigenen“ reserviert werden, kurz: für die staats- und regierungsnahen Sektoren der Gesellschaft, ein durchsichtiges Manöver des Machterhalts. Keine politische Konzeption ist also „unschuldig“: Es könnte unter den Bedingungen freiheitlicher Entfaltung und solidarisch-konsensueller gemeinsamer Suche sogar gute Gründe geben, beispielsweise den Indigenen Vertreter- und Vetorechte zuzusprechen, wenn es eben nicht formale Demokratie wäre, um tatsächliche zu unterbinden. Dagegen ist auch kein Rätesystem gefeit.
Gegen die Konzeption der Demokratie von Unten stand schon damals die Autorität der Experten, die moderne Welt sei eben so arbeitsteilig-unübersichtlich … Wir schlossen daraus schnell, dann müsse sie eben so vereinfacht werden, dass alle mitreden können. Die „Experten“ zu entmachten wurde ein wichtiges Ziel der sozialen Bewegungen: Die Atomphysiker, die medizinischen „Halbgötter in Weiß“, alle mit radikalen Monopolen auf Wissen. Und die Arbeitsteilung, synonym mit Unverantwortlichkeit, Ungleichheit und Herrschaft bekämpften wir.
„Wir“?
Aber das ist ein anderes Problem. Jedenfalls stellten wir die Frage, welche Technologien demokratisch kontrolliert werden könnten, wie eine Gesellschaft strukturiert sein sollte, damit sie sich selbst organisiert und nicht von einem Zentrum aus dominiert wird oder Automatismen folgt, die jeder Entscheidung entzogen sind.
Damals war eines meiner Lieblingszitate „Komplex, das ist das Lieblingswort all derer, die nichts verändern wollen …“. Heute fürchte ich, die Welt ist tatsächlich überkomplex und wird täglich durch neue Technologien noch undurchschaubarer (für die Herrschenden zwar nicht insgesamt, aber doch in vielen Aspekten gerade „transparenter“ zu Lasten der Unterworfenen). Und die Folgen aller Handlungen sind unübersichtlich und die Nebenfolgen unkontrollierbar, und was aus unseren Wünschen und Kämpfen entsteht, kann ganz etwas anderes sein als das Erhoffte.
Was hätte aus dem „arabischen Frühling“ werden können!
„Autorität macht dumm, Autorität tötet!“ (9)
1972 darauf zu bestehen, man sei antiautoritär, hatte eine mehrfache Frontstellung: Natürlich gegen all die Autoritäten, die mit größter Selbstverständlichkeit ihre Machtansprüche auslebten. Aber auch gegen diejenigen, die gerade die „antiautoritäre Phase“ liquidiert hatten, um leninistische Kaderparteien aufzubauen. Vielleicht war es gerade die Gewaltbefürwortung, die die Neue Linke in diese Richtung driften ließ? Jedenfalls stimmt nicht, was etwa Uri Gordon über den neuen Anarchismus behauptet: „Die anarchistische Bewegung wachte also in einer Umgebung auf, in der eine Kultur gewaltfreier Radikalität ganz allgemein und selbstverständlich anerkannt war.“ (10)
Natürlich war „antiautoritär“ eine Chiffre für „Anarchismus“. Aber auch diesem „-ismus“ tut es gut, wenn er sich immer wieder antiautoritär erneuert. In der Warengesellschaft ist gar nichts, auch die radikalste Überzeugung nicht, dagegen gefeit, Markenzeichen zu werden, kommerziell irgendeine Nische zu bewirtschaften. Der „radical chic“, das „ganz weit links – vor den Fernsehkameras“, die bloß spektakuläre und simulierende Geste ist eine Gefahr für den Anarchismus.
Ebenso wie die nostalgische Verteidigung der historischen Massenbewegungen Syndikalismus, Spanische Revolution, Machno-Bewegung.
Im Laufe der Jahre sind durch genauere Lektüre und neue Forschungen nicht wenige Probleme sichtbar geworden. Um nur eines zu nennen: Spontane Selbstorganisation gegen Bürokratie war unser Thema; das machte den spanischen Anarchismus so attraktiv: Nur ein bezahlter Arbeiter bei hunderttausenden von Mitgliedern. Aber schon bei der klassischen Darstellung Berneckers finden sich durchaus andere Tendenzen berichtet. (11)
Es droht also sogar anarchistischen Bewegungen immer die Gefahr der Bürokratisierung. (12) Bürokratien sind tatsächlich schwer zu verhindern und zu beseitigen. Es droht aber auch die Gefahr willkürlichen und gewalttätigen Verhaltens.
Zur Machno-Bewegung findet man bereits bei ihrem Verteidiger Volin (versteckter bei Arschinoff) zahlreiche Probleme angesprochen, das macht Volin gerade so sympathisch: kein bloßer Propagandist, sondern ein Revolutionär, der die Fehler und Ausschreitungen kritisch benennt. So führt er selbstverständlich das Problem einer Verkriegung der revolutionären Bewegung an: „die Existenz einer Armee, die in verhängnisvoller Weise mehr und mehr zu einer Berufsarmee wurde.“ (13)
Und so fährt Volin fort: „Jede Armee, welche es auch sei, ist von Übel. Selbst eine freie und volkstümliche Armee (. ..) stellt eine Gefahr dar. (…) Schritt für Schritt wird sie zu einer Ansammlung von Müßiggängern, die asoziale, autoritäre und diktatorische Neigungen entwickeln; eine solche Armee findet Gefallen an der Gewaltausübung, am Einsatz von brutaler Gewalt“ (14)
Um solchen Entwicklungen entgegenzuwirken bedarf es außergewöhnlicher Menschen; Volin muss „eingestehen“, „dass die moralischen Qualitäten Machnos, seiner Freunde und vieler seiner Mitarbeiter“ dieser Aufgabe nicht gewachsen waren.
Volin behandelt die „Herausbildung eines ‚Soldatenbewußtseins‘, das zur Entstehung einer Art ‚militärischer Clique‘ – oder auch eines Kameradschaftskreises um Machno herum führte. Diese Clique gestattete sich manchmal, Entscheidungen zu fällen oder Handlungen zu begehen, ohne sich vorher um die Auffassung des Sowjets oder einer anderen Institution zu kümmern (…) Sie löste sich immer mehr von der Masse der Mitkämpfer und von der arbeitenden Bevölkerung.“ (15)
Wie Volin berichtet, hat Machno den Sowjet in betrunkenem Zustand beleidigt und mit der Waffe bedroht!
Besonders unter Alkoholeinfluss zeigten Machno und seine Führer unkontrollierte und brutale Verhaltensweisen, etwa gegen Frauen: „Im betrunkenen Zustand gestatteten sich diese Männer Verhaltensweisen, die man nur als widerlich bezeichnen kann und die bis zum Feiern von Orgien gingen, an denen teilzunehmen bestimmte Frauen verpflichtet waren.“ (16)
Der Sozialismus ist in seinem Ziel und auf seinem ganzen Weg ein Kampf um die Verwirklichung der Freiheit, sonst ist es kein Sozialismus
„Wie oft habe ich gegenüber dem üblen Verhalten gewisser Führer während meines Aufenthalts in der Ukraine die einfache und gesunde Reaktion der Massen beobachten können, solange diese frei waren. Und wie oft kam mir der Gedanke, daß es nicht der Führer, nicht der Kommandant, nicht der Berufsrevolutionär, die Elite ist, die in einer wahren Revolution zählen, sondern die revolutionäre Masse.“ (17)
Wie oft war „Sozialismus“ schon ein Synonym für „Militärdiktatur“?! Es ist eben ein prinzipieller Unterschied, ob Sozialismus als Staat oder als Anarchie begriffen wird.
Imperialistische Einschnürungs- und Interventionspolitik wird von uns keinesfalls geleugnet, sie muss vielmehr strategisch von vorneherein in Rechnung gestellt werden. Sie kann aber auch nicht für alle Fehlentwicklungen, Korruption oder die Entstehung „sozialistischer“ Familiendynastien wie in Nicaragua (von Nordkorea ganz zu schweigen) als Entschuldigung dienen.
In Venezuela hat ein „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, der in Wirklichkeit eine autoritäre, militaristische und Führer-fixierte Konzeption realisierte, weniger mit Freiheit als mit Konsum für sich geworben und dank der Erdölpreise zunächst Erfolge verzeichnet. Der Staat war der größte Arbeitgeber, politische Loyalität entschied über sozialen Aufstieg. (18)
Gegen tatsächliche Sozialreformen rebellierten die Mittelschicht und die Oligarchie 2002, danach wurde das Regime noch repressiver: Eine „Kommunikationshegemonie“ der Staatsmedien schränkte die Meinungsfreiheit ein. Als die Opposition 2005 die Wahlen boykottierte, gerieten weitere Staatsorgane unter Kontrolle der Chavisten, die sich durchaus großer Popularität erfreuen konnten und ihre Hegemonie durch Privilegierung der Militärs und eine Miliz zur „Verteidigung der Revolution“ (so eine Art „allgemeine Volksbewaffnung“, wie sie früher der KBW für die Bundesrepublik propagiert hat) ausbauten, eine halbe Million bewaffneter ZivilistInnen, die die Waffen dann nicht nur zur „Verteidigung der Revolution“, sondern auch zu Schutzgelderpressung, Drogenkrieg, Begleichung privater Rechnungen usw. nutzten.
Die Versuche, den Staatsapparat von Korruption, Vetternwirtschaft, politischen Intrigen zu „säubern“ und effektiver zu machen, blieben halbherzig, wurden durch die regierungsnahen Interessen konterkariert oder liefen ins Leere. Korruption und Schmuggel waren viel produktivere Einnahmequellen als irgend eine Produktion.
Der Preisverfall und die sinkende Fördermenge des Erdöls, auf das die ganze Ökonomie Venezuelas abgestellt blieb, machten Importe unbezahlbar, die Staatsverschuldung wie die Inflation „explodierten“, Schwarzmärkte entstanden, die Bevölkerung verarmte in ungeheurem Tempo, Auswanderung war die Folge, Massenarbeitslosigkeit und De-Industrialisierung. Rationierte Waren auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen, ist die Beschäftigung und Einnahmequelle vieler.
Ein brisanter Anstieg der Kriminalität hat Caracas zur gefährlichsten Stadt weltweit außerhalb der Kriegsgebiete gemacht; seit 1995 ist die Mordrate ständig angestiegen, Indiz eines gesellschaftlichen Zersetzungsprozesses. „Festzuhalten ist auch, dass die Antwort auf die Krise nicht von Solidarität und kollektiven Strategien, sondern von Individualismus und Konkurrenz bestimmt ist – und das, obwohl der politische Prozess über Jahre den Wert der Solidarität hochgehalten und vielfältige Formen kollektiver Organisierung unterstützt hat.“ (19)
Seit die bürgerliche Opposition bei den Wahlen gesiegt hat, regiert die Regierung Maduro per Dekret, (noch) gestützt auf das Militär und die „hegemonialen“ Institutionen. Neuwahlen und das in der Verfassung vorgesehene Referendum zur Abwahl jedes gewählten Amtsträgers nach zwei Jahren (was Maduro jedenfalls seines Amtes entheben würde) werden verzögert, aus Angst vor Bestrafung der Verantwortlichen. Das Land wird von Gewaltaktionen und Plünderungen erschüttert, Vermittlungsversuche sind bislang gescheitert.
Daraus ist nicht nur zu lernen, welche Probleme einmal mehr der Imperialismus wie der Staatssozialismus verursacht haben, es sind auch viele Probleme, die sich jeder revolutionären Volksbewegung in einer Übergangssituation stellen können und die deshalb für unsere Zeit auch neu durchdacht werden sollten. Kropotkin hatte aus den Erfahrungen früherer Revolutionen ganz bestimmte Schlüsse gezogen, beispielsweise, dass die tatsächliche Lebenssituation der Unterdrückten schnell und durchgreifend gebessert werden musste, um die neue Ordnung zu stabilisieren.
Was wären denn heute und unter ökologischen Gesichtspunkten „die nächsten Aufgaben“?
Wir brauchen mehr Phantasie. Was passiert, wenn die Produktivität sinkt, einmal weil der Arbeitszwang gelockert wird, dann weil Störungen (bis zum Cyberwar), Boykott durch die Feinde einer sozialistischen Umgestaltung zu erwarten sind?
Nach dem revolutionären Aufbruch und den ersten Monaten des Enthusiasmus kommt der schwierige Übergang zu neuer Produktion und Verteilung, und das von äußeren Feinden umgeben, reaktionären Gegenbewegungen attackiert und mit der Gefahr konfrontiert, dass sich aus alledem eine neue Herrschaft entwickelt.
Wir sollten die Diskussionen darüber neu beginnen.
(1) (1) Karl Marx/Friedrich Engels - Werke. Berlin. Band 18, 5. Auf. 1973, unveränderter Nachdruck der 1. Auflage 1962, Berlin/DDR. S. 305-308. dass hier ein Problem für den Anarchismus existiert, wurde schon früh in der neoanarchistischen Bewegung ab Ende der 60er Jahre deutlich. Engels' Text findet sich etwa in: Dreßen, Wolfgang: Antiautoritäres Lager und Anarchismus. Berlin 1968, S. 113. Ich weiß nicht mehr, in wie vielen Vorträgen und Diskussionen mir das Engels-Zitat als Negativfolie gedient hat, den Neomarxisten unsere Unterschiede deutlich zu machen.
(2) Gordon, Uri: Hier und jetzt. Anarchistische Praxis und Theorie. Hamburg 2010, S. 147
(3) "Was heißt Graswurzelrevolution? In: Bauer, Johann: Ein weltweiter Aufbruch! Nettersheim 2009, hier S. 68) Der Text lag mehrmals der GWR als Sonderblatt bei und wurde über unsere Büchertische weit verbreitet; immer noch lesenswert! http://ak-anna.org/selbstbestimmte_technik/reader.pdf
(4) Graswurzelrevolution Nr. 0, Augsburg, Sommer 1972, S. 1
(5) Die Traditionen und Verbindungen waren selten so vollständig dargestellt wie in demneuen Überblick: Kalicha, Sebastian: Gewaltfreier Anarchismus & anarchistischer Pazifismus. Heidelberg 2017. Demnächst erscheint im Verlag Graswurzelrevolution "Je mehr Gewalt, desto weniger Revolution". Texte zu Anarchismus und gewaltfreier Aktion.
(6) Graeber, David: Bürokratie: Die Utopie der Regeln. Stuttgart 2015, hier S.210. Graeber scheint das für böse Absicht des Kapitals zu halten, damit der tendenzielle Fall der Profitrate vermieden wird. Meine eigene Position: Bauer, Johann: Technik als ob es um die Menschen ginge..Eine Erinnerung an die Technikkritik der 70er Jahre und den Lucas Aerospace Plan, In: Reader selbstbestimmte Technikentwicklung http://ak-anna.org/selbstbestimmte_technik/reader.pdf
(7) Vgl. etwa Anarchosyndikalismus und Gewaltfreiheit (Sonderblatt 3 der Graswurzelrevolution, Beilage der Nr. 32/ 1977)
(8) Demgegenüber gibt es selbst in neuen und sympathischen Darstellungen des Anarchismus solche Fragen: "Im Grunde geht es in jeder politischen Philosophie um die Machtfrage: Welche Menschen haben sie? Was tun sie damit? Was sind ihre Intentionen?" (Milstein, Cindy: Der Anarchismus und seine Ideale. Aus dem Amerikanischen von Gabriel Kuhn. Münster 2013, S .42)
(9) GWR 20/21
(10) Gordon, Uri: Hier und jetzt. Anarchistische Praxis und Theorie. Hamburg 2010, S. 125. Das dürfte auch sein Verlag besser wissen. Es war ganz im Gegenteil so, dass bis in die Reihen früherer Ostermarschierer man den "Volkskrieg" entdeckte.
(11) Bernecker, Walter L.: Anarchismus und Bürgerkrieg. Zur Geschichte der sozialen Revolution in Spanien 1936-1939. Hamburg 1978 (Reprint im Verlag Graswurzelrevolution), ebenso etwa Semprun-Maura, Carlos: Revolution und Konterrevolution in Katalonien. Hamburg 1983. Seidman; Michael: Gegen die Arbeit. Über die Arbeiterkämpfe in Barcelona und Paris 1936-1938. Heidelberg 2011 u.v.a. verweisen auf die schnelle Entstehung einer syndikalistischen Bürokratie.
(12) Vgl. auch die Diskussion in Wege des Ungehorsams I, Kassel-Bettenhausen 1984
(13) Volin: Die unbekannte Revolution. III. Hamburg 1977, S. 169 Dass Guerillaarmeen Berufsarmeen werden, ist m.E. unvermeidlich, eine Frage der Effektivität.
(14) Volin, a.a.O., S. 169/170. Was natürlich dem Ziel, "das angeblich verteidigt werden soll" (Volin S. 170) krass widerspricht. Die anarchistische Nabat-Gruppe befand sich zur Machnovscina in einem Spannungsverhältnis und hat u.a. die Erschießung feindlicher Offiziere durch die Machno-Leute hart kritisiert. Vgl. Dahlmann, Dittmar: Land und Freiheit: Machnovscina und Zapatismo als Beispiele agrarrevolutionärer Bewegungen. Stuttgart 1986, S. 135. Dahlmann beschreibt die Machno-Bewegung mit Sympathie als "Typus einer agrarischen revolutionären Bewegung, über die sich eine anarchistische Komponente stülpte." (S. 155). Seine Darstellung auch des Exils und der Diskussion um die "Plattform" ist unübertroffen. Wir erfahren, dass besonders der Anarchosyndikalist Mark Mracnyj schwerste Bedenken gegen das "Führertum" Machnos nicht nur im "Syndikalist" äußerte, sondern Pierre Ramus gegenüber sehr deutlich wurde, von einer "unbeschränkten Diktatur" sprach, "oben unter einigen Günstlingen Willkür und Liebesabenteuer vermischt mit extrem anarchistischen Phrasen, unten, in der Insurgenten-Armee, ein großer Drang nach Freiheit und Selbständigkeit, gemischt mit Antisemitismus, mit Hass gegen Städter überhaupt ..." (zit. S. 159) und Rocker 1928 an Berkman schrieb "Stelle Dir vor, wenn ein Mann wie Machno, der sicher seiner Sache treu gedient hat, einmal und sei es auch nur vorübergehend zur Macht gelangen würde. Ich bin überzeugt, dass die Folgen nicht besser sein würden als bei den Bolschewisten." (zit. S. 169).
Die neue Darstellung von Felix Schnell: Räume des Schreckens. Gewalt und Gruppenmilitanz in der Ukraine 1905-1933, Hamburg 2012 sieht in Machno keinen Anarchisten, sondern einen Ataman, der nachdrücklich Gefolgschaft einforderte, einen charismatischen Herrscher, die Machnobewegung als "Gewaltkultur", für die Gewalt "Medium der Vergemeinschaftung und Sinnstiftung war" (S. 256ff., besonders S. 287 ff., S. 315 ff., das Zitat S. 316). Für Schnell ist "belegte Tatsache, daß Machno sehr oft tötete (...) grob geschätzt mehrere hundert Menschen" (S. 325, Kapitel Gewalt als Qualifikation von Führerschaft). Schnell bietet eine lange Liste von Grausamkeiten und Belegen für seine These der Gewaltkultur, darunter auch jene in der arte-Dokumentation "Kein Gott, kein Herr! - Eine kleine Geschichte der Anarchie (1/2)" vorkommende Situation (S. 237/238 im Buch): Ein orthodoxer Priester wird in den Dampf-Kessel einer Lokomotive gezwängt und lebendig verbrannt, was Machno als Erlebnis der Hölle, mit dem der Priester sonst Leute erschreckt, kommentiert haben soll. Gewalt gegen die Priester war gegen das "alte Dorf" gerichtet; die Kreuze der getöteten Priester als Trophäen behandelt, aber auch gegen andere Gruppen richtete sich extreme Gewalt. Eine gewisse Ethnisierung der Gewalt gegen "die Deutschen" (nicht selten mennonitische SiedlerInnen), die pauschal als Kulaken oder Verbündete Denikins behandelt wurden, ist ebenso festzustellen.Und wenn Machno dabei Anarchist war? Und der Anarchismus auch in anderen Fällen nicht immer dem entspricht, was wir wünschenswert finden? Vielleicht gibt es gar keine Fahne, unter der keine Verbrechen begangen wurden? Wir waren ja auch mit Enzensberger der Meinung, dass "es nie und nirgends, Bakunin, ein Bakunin-Denkmal gegeben hat, gibt oder geben wird" (Enzensberger, Hans Magnus: Mausoleum. Siebenunddreißig Balladen aus der Geschichte des Fortschritts. Frankfurt am Main 1975, S.88). Daran war die Aussicht geknüpft: "Kehr wieder"!
Schnells Buch ist für jede Diskussion über Gewalt, über die russische Revolution, Staatsbildung unverzichtbar. Schnell kritisiert mehrfach Darstellungen Machnos (etwa S. 237 f) und zeichnet ein Bild, das unsere alte Sicht "Anarchisten im Freiheitskampf gegen die Bolschewisten" irritieren muss.
(15) Volin S. 173
(16) Ebd.
(17) Volin S. 175
(18) Vgl. Weiss, Sandra: Der zweite Tod des Hugo Chávez. In: Le monde diplomatique. Dt. Ausg. Mai 2017, S. 18,19
(19) Edgardo Lander: Die Implosion Petro-Venezuelas. Berlin 2016 (Standpunkte / Rosa Luxemburg Stiftung ; 2016,17), S.2. Interessant auch die Information, dass die bisherige Verfassung der Polizei den Einsatz von Schußwaffen verbietet, was auch durch Dekrete (!) aufgeweicht wurde (S. 3). "Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet", das haben noch alle Autoritären angebetet. Lander kritisiert auch zu Recht, dass die Regierung Venezuelas nun versucht, "die auf Öl beruhende Rentiers-Ökonomie durch einen Bergbau-Extrahismus" zu ersetzen, der weitreichende soziale und ökologische Zerstörungen zur Folge hätte und insbesondere die Rechte der Indigenen zerstören würde. So mündet der "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" in Garantien für die multinationalen Konzerne, Privilegien für das Militär, damit dieses das Regime weiter stützt und "Kriminalisierung des Widerstands gegen die Bergbauprojekte". (Lander S.4)