Worüber unsere Freunde nachdenken
Oya stellt kulturkreative Zeitschriften vor
graswurzel revolution
Der Anarchismus wird - gerade von seinen Gegenkräften - häufig mit Militanz in Verbindung gebracht. Das wird ihm allerdings nur in vergleichsweise wenigen Fällen gerecht, wie der Blick in die lange anarchistische Geschichte zeigt. Die große Bandbreite dieser faszinierenden Bewegung kennt viele Ansätze, die der Philosophie anhängen, wonach die angestrebte gewaltfreiherrschaftslose Gesellschaft keinesfalls mit Mitteln der Gewalt errichtet werden kann. Erst recht nicht - wie es die »realexistierenden sozialistischen Länder« zeigten - könne dies durch hierarchische Strukturen wie Parteien und Staaten erreicht werden.
Als ein - wenn nicht sogar das - Sprachrohr der deutschsprachigen anarcho-pazifistischen Szene kann die Zeitschrift »graswurzel revolution« (gwr) gelten, ein echtes Urgestein, das in diesem Sommer mit der Ausgabe 370 sein respektables 40-jähriges Jubiläum begehen durfte.
Anarchistinnen - oder Libertäre, wie einige von ihnen sich lieber nennen - haben sich schon immer als umtriebige Zeitungsmacher betätigt. Bernd Drücke, Redakteur der gwr, hat in einer wissenschaftlichen Arbeit allein für den Zeitraum 1985 bis 1995 fast 500 einschlägige deutschsprachige Periodika aufgelistet. Die meisten davon erlebten, wenn überhaupt, nur ein paar Ausgaben - da ist es gut, dass das Redaktionskollektiv der »graswurzel revolution« für Kontinuität des Erscheinens sorgt.
Im Fokus des Blatts stehen seit jeher vor allem aktuelle Widerstandsregungen gegen Militarismus, Sexismus, Gentechnik und Atomkraft; man findet libertäre Buchbesprechungen und Berichte von sozialen Kämpfen im In- und Ausland, aus Griechenland, den arabischen »Revolutionen« und von den Occupy- Brennpunkten. All das wird selbstverständlich immer aus einem prinzipiell staatskritischen Blickwinkel diskutiert, denn die gwr strebt an, »dass Hierarchie und Kapitalismus durch eine selbstorganisierte, sozialistische Wirtschaftsordnung und der Staat durch eine föderalistische, basisdemokratische Gesellschaft ersetzt werden«. Fast jede gwr-Nummer informiert außerdem über die Geschichte des Anarchismus, über seine vielen bekannten und unbekannten Protagonisten, seine Strategien, Erfolge und Niederlagen.